Politik/Inland

Russland-Experte: "Ziel ist, Konflikte in der EU zu schüren"

KURIER: Herr Professor, was ist die Absicht hinter den russischen Interventionen?

Gerhard Mangott: Die Absicht die dahintersteckt ist die, bestehende soziale und kulturelle Konflikte in europäischen Gesellschaften auszunutzen. Die Konflikte sollen geschürt werden damit diese Parteien, die von diesen Konflikten profitieren, gestärkt werden.

Das sind soziale Konflikte wie die zunehmende Verarmung des unteren Mittelstandes und der Unterschicht, nationale Konflikte wie nationalistische Bewegungen, aber auch kulturelle Konflikte wie Fragen der nationalen oder religiösen Identität oder Migration. All diese Konflikte sollen durch gezielte Meldungen geschürt und verstärkt werden.

Das Ziel ist Destabilisierung, oder?

Ja, das ist zweifellos der Fall. Es soll der Eindruck erweckt werden, dass die Regierungen der europäischen Staaten nicht in der Lage sind, die Sorgen und Probleme der Bürger zu lösen und ihr Leben zu verbessern. Das ist die klare Absicht. Bei den rechtspopulistischen Parteien fällt ja meistens die Kritik an der europäischen Union und der Ruf nach einem besseren Verhältnis zu Russland zusammen.

Parteien wie der Front National, jetzt Rassemblent National, die Legia Nord und die FPÖ werden von Moskau unterstützt.

Sagen wir eher, es werden Themen hochgekocht und Emotionen geschürt, die den genannten Parteien nützen, weil die erreichten Bürger eher diesen Parteien ihre Stimme geben – bei entsprechender Stimmungsmache.

Aus Washington gibt es klare Berichte, dass Russland versucht hat, die Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen.

Ja, aber wir haben überhaupt keine Belege dafür, wie wirksam diese Beeinflussungsversuche Russlands sind. Vielleicht neigen wir dazu, das zu überschätzen – aber wir können es jedenfalls nicht nachvollziehen, nicht messen. Wir können uns über die Motivlage klar sein, aber über die Stärke der Auswirkungen und die Konsequenzen der Einflussnahme können wir nur Mutmaßungen anstellen.

Wie war das beim Brexit?

Da gibt es Untersuchungen von Facebook, dass der Aufwand, den Russland betrieben hat, relativ gering war. Ich würde die These vertreten, dass für die relativ knappe Mehrheit für den Brexit die deutsche Flüchtlingspolitik maßgeblicher war als eine russische Einflussnahme.

Nun zur Affäre rund um Matteo Salvini. Seine Partei habe ja sehr viel Geld aus Moskau bekommen, um in den sozialen Medien aktiv zu werden…

Hier war immer die große Schwierigkeit, solche Finanzflüsse eindeutig zu belegen. Aber es ist davon auszugehen, dass Russland nicht nur über Desinformation versucht, die Wählerbasis dieser parteien zu stärken, sondern auch über finanzielle zuwendungen deren Stärke im Wahlkampf zu beeinflussen. Davon wissen wir aber nur im Fall des Matteo Salvini und im Fall des Front National aus dem Jahr 2014. Das ist aber eigentlich eine viel direktere Einflussnahme auf europäische Wahlen als Desinformationskampagnen.

Die FPÖ hat ja einen „Zusammenarbeitsvertrag“ mit Putins Partei – wissen Sie, was da drinsteht?

Da steht offen gesagt nichts allzu Spannendes drinnen, nur dass man gemeinsamen Ideen- und Informationsaustausch vereinbart. Das Signifikante ist, dass die FPÖ es für notwendig hält, so ein Abkommen mit einer Partei zu schließen, die nicht über freie und faire Wahlen so stark geworden ist. Eine Partei, die mit ihrer erdrückenden Mehrheit im russischen Parlament jede parlamentarische Diskussion zum Erliegen bringt. Das ist etwas, was die FPÖ erklären muss, warum sie mit so einer Partei zusammenarbeitet.