Politik/Inland

Rote Rüge für ÖGB-Spitzen

Gehörig Druck" wollen die Gewerkschafter mit ihrer Sommer-Kampagne machen – auf die ÖVP. Unterschriften sammeln rote und schwarze ÖGBler: für das Begehren "Lohnsteuer runter!"; gegenfinanziert auch mit Vermögenssteuern. Der SPÖ behagen diese Aktivitäten. Sie drängt ebenfalls auf "Millionärssteuern" & Co. Michael Spindeleggers ÖVP verwahrt sich ja gegen solche.

Nun geht selbst den Roten die ÖGB-Agitation zu weit. FSG-Chef Wolfgang Katzian hat – ob des ÖVP-Widerstands gegen SPÖ-Begehrlichkeiten in Sachen Steuerreform – befunden: Bleibe Spindelegger bei seiner Haltung, "muss es krachen. Wenn gar nichts mehr geht, muss man sich überlegen, ob die Koalition noch Sinn macht."

Zwei prominente Sozialdemokraten weisen Katzian zurecht. "Es ist hoch an der Zeit, dass alle durchatmen und einen Schritt zurück machen. Wahlen herbeizureden hilft nur der FPÖ", sagt Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Er gehe davon aus, dass regulär, also 2018, gewählt werde. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder missfällt Katzians Drohung ebenfalls: "Diese Diskussion ist falsch. Ich denke nicht an das Ende der Koalition, sondern daran, mit welchen Argumenten ich von der Sinnhaftigkeit unserer Vorhaben überzeugen kann."

Jetzt solle einmal die rot-schwarze Steuerreform-Gruppe werken, ergänzt Hundstorfer. Dann, im Herbst, könne man "immer noch auf Wahlkampftöne umschalten". Diese Aussage belegt: Die Gewerkschafter haben die Droh-Karte für die SPÖ zu früh ausgespielt.

Bau-Holz-Gewerkschaftsboss Josef Muchitsch beeindruckt der Rüffel der Rot-Politiker nicht. Er legt via ORF-Radio nach: "Wenn nichts weitergeht, dann wird das eine Zerreißprobe für die Regierung." Gebe es keine Steuerreform, werde "es nicht bis 2018 dauern, bis wir wieder zur Wahlurne gehen".

ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser, die auch für die SPÖ im Nationalrat sitzt, versucht via KURIER zu beruhigen: "Wir arbeiten momentan an der Kampagne. Ich freue mich sehr über die bereits 101.000 Unterschriften, die uns auf dem Weg zu einer raschen Steuerreform unterstützen. Weitere Fragen stellen sich derzeit nicht." Im September werden ÖGB und Arbeiterkammer ihr Steuerreform-Modell präsentieren.

Nicht nur die ÖVP, auch Faymann ist unter Druck. Am Parteitag im November will er als SPÖ-Chef wiedergewählt werden. Hat er puncto Vermögenssteuern keinen Erfolg bei den Verhandlungen mit der ÖVP zu vermelden, könnte er abgestraft werden. Das wurde er schon 2012 – mit nur 83 Prozent Zustimmung. Damals wegen seines Anti-Wehrpflicht- und U-Ausschuss-Kurses.

Es war einmal ein Kanzler, der begehrte mehr Kompetenzen. Alfred Gusenbauer hieß der Mann. Er selbst hätte sie nicht bekommen – er wurde kurz danach gegen Faymann ausgetauscht. Abgesehen davon konnte nur die SPÖ dem Vorschlag etwas abgewinnen. Ergo war das Thema erledigt.

Nun möchte ein Oppositioneller mehr Befugnisse für den jeweiligen Regierungschef. Damit wäre Schluss damit, dass die Koalitionsparteien einander blockieren, glaubt Neos-Chef Matthias Strolz. Er verweist auf Deutschland: "Die Frau Merkel hupft’s vor." Die "Richtlinienkompetenz" ist in Artikel 65 des Grundgesetzes geregelt: "Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik (...) Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbstständig."

SPÖ-Kanzler Werner Faymann behagt Strolzens Vorstoß: "Richtig" sei dieser. Das entspreche "dem Wunsch der Bevölkerung, die sich zu Recht oft mehr Entscheidungsbefugnis und Verantwortlichkeit des Regierungschefs erwartet". Der rote Klubchef Andreas Schieder sieht das ebenso: "Daher wäre sinnvoll, ihm dies gesetzlich auch zu geben." Schon bald sollte darüber debattiert werden. Er will also einen "Super-Kanzler"? Schieder: "Den haben wir mit Werner Faymann schon."

Als Zweiter Nationalratspräsident hatte sich Michael Spindelegger 2008 noch gegen mehr Macht für den Kanzler verwahrt. Hätte dieser Richtlinienkompetenz, wäre eine Koalition dauernd gefährdet. Jetzt, als ÖVP-Vizekanzler, sagt er nichts zu Strolz’ und Faymanns Ansinnen. Als "diskussionswürdig" qualifizieren es ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel und Grünen-Vorfrau Eva Glawischnig. Blümel merkt aber an: "Es würde reichen, wenn Faymann die derzeitigen Kompetenzen ausschöpft."

Verfassungsjurist Heinz Mayer bezweifelt ohnehin, dass Richtlinienkompetenz a la Deutschland den Kanzler stärken würde: "Sie ändert nichts daran, dass er mit dem Koalitionspartner und den Ministern im Einvernehmen sein muss." Tatsächlich ist das Durchgriffsrecht von CDU-Frau Merkel eher theoretisch. SPD-Chef Gabriel sagte Ende 2013: "Wer die Richtlinienkompetenz als Kanzler gegen den Koalitionspartner ausübt, der beendet die Koalition."