Rote Pleite im Burgenland: ÖVP deklassiert die SPÖ um 14.400 Stimmen
Von Thomas Orovits
„Wo wird das enden?“, entfuhr es SPÖ-Landesgeschäftsführer Christian Dax am Sonntagnachmittag angesichts der aus den Gemeinden eintrudelnden Ergebnisse. Um 17 Uhr war die Frage eindeutig beantwortet.
Die Nationalratswahl 2019 endete für die burgenländische SPÖ mit einem Desaster. Hatte sie sich bei der vergangenen Wahl 2017 noch mit einem hauchdünnen Vorsprung von 212 Stimmen vor der Volkspartei ins Ziel gerettet und zumindest im Burgenland Platz eins verteidigt, lagen die Türkisen am gestrigen Wahlsonntag rund 14.400 Stimmen vor der SPÖ (ohne Wahlkarten).
Symptomatisch für die Zeitenwende: Während SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil am Wahlsonntag zwar in der Eisenstädter Parteizentrale war, wegen seiner bevorstehenden zweiten Stimmband-Operation aber nicht vor die Kameras treten konnte und Co-Landesgeschäftsführer Roland Fürst ausschickte, jubelte ÖVP-Chef Thomas Steiner einen Steinwurf entfernt im türkisen Hauptquartier aus vollem Herzen. Die ÖVP-Führungsriege lag einander in den Armen, in der abgedunkelten Wahlkampfzentrale der Sozialdemokraten herrschte indes Bunkerstimmung.
Verständlich sind die Reaktionen da wie dort. Denn die ÖVP steht im Burgenland erstmals seit 1966 bei einer Nationalratswahl wieder ganz oben. Die Türkisen konnten 5,7 Prozentpunkte zulegen und kamen auf 38,5 Prozent der Stimmen, die SPÖ verlor 3,2 Prozentpunkte und sank auf 29,7 Prozent.
Noch stärker als die SPÖ wurde der blaue Koalitionspartner gerupft, der 17,9 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte. Obwohl mit Norbert Hofer erstmals ein Burgenländer bundesweiter Spitzenkandidat war, fuhren die Freiheitlichen ein Minus von 7,3 Prozentpunkten ein und fielen wieder auf das Niveau des Nationalrats von 2017 zurück.
Die Grünen haben nach dem Absturz vom letzten Mal wieder ein ansehnliches Comeback gefeiert und freuten sich über 7,3 Prozent. "Wir Grünen schreiben heute Geschichte", freute sich Irmi Salzer, Spitzenkandidatin im Burgenland und im Wahlkreis Süd, über den Einzug ihrer Partei in den Nationalrat. Auch sie selbst wird dort vertreten sein.
Was die Mandate betrifft, dürfte die ÖVP wieder zwei Grundmandate in den Regionalwahlkreisen (Niki Berlakovich und Christoph Zarits) erobert haben, ebenso die SPÖ (Christian Drobits und Maximilian Köllner). Gaby Schwarz (ÖVP) hat ein Bundesmandat, ebenso wie Norbert Hofer (FPÖ) und Michel Reimon von den Grünen.
Die Neos, die im Landtag nicht vertreten sind, kamen auf respektable 4,6 Prozent. Dieses bisher beste Ergebnis könnte ein starkes Motiv sein, bei der Landtagswahl am 26. Jänner 2020 anzutreten. Die Entscheidung falle demnächst, sagte Neos-Landesgeschäftsführerin und Nationalratswahl-Spitzenkandidatin Anna Bozecski am Sonntagabend zum KURIER. Welche Lehren aus der denkwürdigen Wahl am Sonntag für die Landtagswahl in knapp vier Monaten zu ziehen sind, wird aber vor allem die beiden Großen im Land, die von 1945 bis 2015 gemeinsam in der Landesregierung saßen, in den kommenden Tagen und Wochen intensiv beschäftigen.
Karten werden im Jänner neu gemischt
Man könne dieses Ergebnis „nicht 1:1 auf die Landtagswahl umlegen“, stieg ÖVP-Frontmann Steiner, der Doskozil im Jänner herausfordert, selbst auf die Euphoriebremse. Steiner verhehlte aber nicht, dass das „Sensationsergebnis“ vom Sonntag für die Landtagswahl eine „extreme Motivation“ sei.
In der SPÖ hält man indes eisern an der These fest, dass Nationalrats- und Landtagswahlen zwei Paar Schuhe seien. SPÖ-Geschäftsführer Fürst verwies darauf, dass die SPÖ „das historisch schlechteste Ergebnis auf bundespolitischer Ebene“ eingefahren habe. Seine Schlussfolgerungen: Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sollte deshalb „keinesfalls eine Koalition mit der ÖVP bilden“. Inhaltliche und personelle Veränderungen sind für Fürst jedenfalls nicht ausgeschlossen – in der SPÖ-Bundespartei, wohlgemerkt.