Häupls Alleingang bringt SPÖ ins Schleudern
Von Daniela Kittner
Nein, wir haben nichts davon gewusst": Mit diesen Worten bestätigt ein Sprecher des Bundeskanzlers dem KURIER, dass Werner Faymann von Michael Häupl übergangen wurde.
Für heute, Samstag, ist die nächste Verhandlungsrunde von SPÖ und ÖVP über die Steuerreform angesetzt. Für die SPÖ verhandeln Kanzler und Häupl sowie Klubchef Schieder und Landeshauptmann Kaiser. Eigentlich hatten die SPÖ-Verhandler geplant, nach dieser Runde SPÖ-intern die Linie für den Schluss-Showdown mit der ÖVP abzustecken.
Doch Häupl schaffte bereits am Donnerstagabend neue Tatsachen. Über den Standard sagte er Vermögenssubstanz-Steuern ab. Die Kapitaldecke der Betriebe sei zu dünn dafür. Inhaltlich kommt diese Aussage Häupls nicht gar so überraschend.
Rückblende zum Jahreswechsel: Bundespräsident Fischer brachte in seiner Neujahrsansprache die Besteuerung von Vermögens-Zuwächsen statt der Vermögens-Substanz als Kompromiss ins Spiel. Am 3. Jänner nahm Häupl im KURIER den Vorschlag auf und meinte über die Millionärsabgabe abschätzig: "Da muss ich erst wen finden, der mir erklärt, wie das genau aussieht."
Brisant an Häupls Absage der Vermögenssubstanz-Steuer sind Zeitpunkt und Vorgangsweise. Erst am vergangenen Wochenende hatte Faymann eine mediale Reichensteuer-Offensive gestartet. "Vermögen über eine Million Euro müssen etwas beitragen", hatte er verlangt.
Unverhohlener Ärger
Gestern vollzog der Kanzler die von Häupl vorgegebene Wendung nach und ließ verbreiten, er sei nun auch für Vermögens-Zuwachssteuern. Die SPÖ wolle "einen Schritt auf die ÖVP zugehen", hieß es aus dem Kanzleramt. Wenn die ÖVP allerdings nirgends nachgibt, bleibe man bei Vermögenssteuern.
Mit unverhohlenem Ärger reagierte ÖGB-Präsident Erich Foglar. Auch er hatte per Medien die neue Linie erfahren. Foglar befürchtet, dass nun zur Gegenfinanzierung der Lohnsteuersenkung die Arbeitnehmer an anderer Stelle belastet werden. Daher lautet nun die Parole der SPÖ: "Es muss deutlich mehr Netto vom Brutto bleiben." Exakt diese Linie hatte Sozialminister Rudolf Hundstorfer bereits am Donnerstag vorgegeben und gestern wiederholt. "Neben einer massiven Entlastung der Arbeitnehmer muss eine komplette Gegenfinanzierung auf dem Tisch liegen. Und diese werden ganz sicher nicht die Arbeitnehmer zahlen – auch nicht über ein Sparpaket", sagte Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske gestern. Tags zuvor hatte die Arbeiterkammer noch auf Vermögenssteuern beharrt.
Der linke Flügel in der SPÖ, Volkshilfe und Jusos, protestierten heftig gegen den Kurswechsel.
Niessl-Modell für Erben
Unterstützung bekommt Häupl von Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl. Vielen Betrieben gehe es nach der Finanzkrise "nicht besonders gut", es seien Arbeitsplätze gefährdet. Niessl ist jedoch für eine Erbschaftssteuer nach deutschem Modell, allerdings nicht wie in Deutschland schon ab einem Freibetrag von 500.000 €, sondern erst ab einer Million. Für Betriebe solle es Sonderregeln geben, wonach sie die Erbschaftssteuer über Jahre über die Gewinne abstottern können. Die Einnahmen will Niessl nicht für die Steuerreform verwenden, sondern "zweckbinden für Bildung".
Bisher galt die im Jahr 2008 abgeschaffte Erbschaftssteuer als die Vermögenssubstanzsteuer schlechthin. Spitzfindige Leute wie Wiens Bürgermeister Michael Häupl wagen nun eine Neu-Definition und sehen in der Erbschaftssteuer – wieder – eine Vermögenszuwachssteuer. Diese Sicht der Dinge ist finanzhistorisch abgesichert: Nach der berühmten "Reinvermögenszugangstheorie" des bayerischen Finanzwissenschaftlers Georg von Schanz aus 1896 ist jeder Zufluss an Geld – ob Lotto-Gewinn oder Erbschaft – ein Einkommen und somit auch Vermögenszuwachs und selbstverständlich zu besteuern.