Politik/Inland

"Umsetzen! Keine Zeit für Streitereien"

Werner Faymann brachte etwas in die Hofburg – und holte dort auch etwas ab. Ein Geschenk überreichte er dem Bundespräsidenten, der gestern den 75er feierte (siehe unten). Dieser beauftragte den SPÖ-Chef damit, eine Regierung zu bilden. Nicht aus Dank für das Präsent, sondern weil die Roten bei der Wahl am 29. September trotz des historischen Tiefstandes Platz 1 erreicht haben.

Dass Fischer ein Großkoalitionär ist, hat er nie verhehlt. Er habe „auch andere Möglichkeiten überlegt“, sagte er nach dem Gespräch mit Faymann, aber: „Es ist ein Faktum, dass die stimmenstärkste und zweitstärkste Partei eine stabile Mehrheit an Mandaten haben“ (99 von 183 Nationalratssitzen). Darum sollten deren Frontmänner „sachlich und fair“ verhandeln. Dass es nicht weitergehen könne wie bisher, würde Fischer nie sagen. Er formulierte es so: „Es muss analysiert und überlegt werden, wie man es in Form, Stil und bei Projekten besser machen kann.“

Besserungsgelöbnis

Faymann versicherte, all das zu tun. Er nehme die Order, eine stabile Koalition zu formen, „sehr ernst“. Gerade weil „die Krise nicht vorüber ist“, sei ein Bund von Rot und Schwarz vonnöten. „Deshalb bin ich gegen Experimente mit unzuverlässigen Partnern.“ Transparent werde die Sache vonstatten gehen: „Parallelverhandlungen wird es nicht geben. Ich habe keine blauen Karten unter dem Tisch versteckt“; mit der FPÖ werde er nicht koalieren. Auch einen Dreier (SPÖ, ÖVP mit Neos oder Grünen) will Faymann nicht: „Der Vorteil einer Zwei-Parteien-Regierung ist klar: mehr Tempo und Entscheidungsfreude.“ Da mussten die zuhörenden Journalisten mit Blick auf die zurückliegenden fünf Jahre grinsen. Faymann gelobte, wie 2008, Besserung: „Ich will Polemik und Kleinkariertheit in den Hintergrund, das Gemeinsame in den Vordergrund rücken.“

Alle Parteimitglieder über einen Pakt mit der ÖVP abstimmen zu lassen, mag Faymann nicht. Der 60-köpfige SPÖ-Vorstand werde nach „breiter Debatte“ darüber befinden. Eines will er aber zulassen: „Veranstaltungen in den Bundesländern, bei denen die Leute mitdiskutieren können“.

Am Montag werden die Roten im Vorstand das Verhandlungsteam nominieren. ÖVP-Chef Michael Spindelegger holt sich zeitgleich von seinen Granden den Sanktus für Verhandlungen mit der SPÖ. Die Losung: „Ergebnisoffen“ müssten sie sein.

Die Bosse der „Nebenregierung“, die der rot-schwarzen Sozialpartner, wünschen, dass SPÖ und ÖVP erneut zusammengehen – freilich unter anderen Bedingungen, wie sie nach ihrem gestrigen Besuch beim Bundespräsidenten kundtaten. „Es ist keine Zeit für ideologische Streitereien. Und keine Papiere produzieren! Von denen gibt es genug. Umsetzen!“, befand ÖGB-Chef Erich Foglar. Sein Gegenüber von der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, sagte: „Auch wir haben oft ziemliche Differenzen“, via Medien würden sich die Sozialpartner aber nicht „befetzen“. „Wir präsentieren Lösungen. Das erwarte ich mir von der künftigen Regierung auch.“

Um 8.30 Uhr läutete am Mittwoch das Telefon von Bundespräsident Heinz Fischer. Am anderen Ende der Leitung war UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Grund des Anrufs waren nicht etwa diplomatische Verstimmungen. Im Gegenteil: Der Südkoreaner, der gerade in Budapest weilte, war der erste offizielle Gratulant: Heinz Fischer feierte gestern seinen 75. Geburtstag.

Und so hatte SPÖ-Chef Werner Faymann ein Präsent dabei, als er sich in der Hofburg den Regierungsbildungsauftrag erteilen ließ (oben): die Goethe-Biografie des deutschen Schriftstellers Rüdiger Safranski. Die Sozialpartner-Chefs überraschten Musik-Fan Fischer mit 100 Jazz-CDs und edlem Roten. Zu Mittag wurde Fischer im Parlament gefeiert. Spitzenrepräsentanten des Landes waren dort. Serviert wurde Salat mit gebackener Landhuhnbrust, Rinderconsomme mit Butternockerln, gegrillter Zander mit Traubenrisotto und Altwiener Dessertvariation. Für den Abend war von Journalisten, Pressesprechern und Fans ein Ständchen („Flashmob“) für Fischer vorgesehen. Es folgte ein großer Zapfenstreich der Gardemusik im Burghof.

Er sei bereit „eine breite Diskussion“ in seiner Partei über die Koalition zu führen, „alle Kritiker einzubeziehen“ und sich „konstruktive Vorschläge anzuhören“. Aber eine Basis-Abstimmung werde es nicht geben, entscheiden werde der Parteivorstand.

Das stellte Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann gestern klar. Was er zulassen will, sind Diskussionen in den Bundesländern. Kärnten plant zum Beispiel eine Konferenz für alle Parteimitglieder.

Stellt das jene jungen Revoluzzer in der SPÖ zufrieden, die eine Befragung aller Parteimitglieder fordern? „Nein, das stellt mich nicht zufrieden. Ein paar Diskussionszirkel abzuhalten, ist Partizipations-Illusion“, sagt Nikolaus Kowall von der stets kritischen „Sektion 8“.

Er und seine Mitstreiter suchen weiter nach Unterstützern. 50 Gruppen hätten sich bereits angeschlossen. Es gilt aber eine hohe Latte zu überspringen: Laut Parteistatut können 15 Prozent der SPÖ-Mitglieder eine Urabstimmung erzwingen. Das wären rund 36.000 Personen.

Was wollen die aufmüpfigen Roten eigentlich? „Das Einzige, was wir uns wünschen ist, dass man mehrere Varianten andenkt.“ Wenn mit der ÖVP weder Vermögenssteuern, noch eine gemeinsame Schule, noch ein Mindestlohn umsetzbar seien, sollte die SPÖ eine Minderheitsregierung anstreben. Gelinge das ebenfalls nicht, sollte seine Partei in Opposition gehen, meint Kowall. „Die Festlegung auf die ÖVP ist verhandlungstechnisch jedenfalls eine Katastrophe.“