Regierung will sich mehr Parteienförderung gönnen
"Es muss im Interesse aller Parteien sein, in Zeiten der Sparsamkeit mit gutem Beispiel voran zu gehen." Mit diesen Worten hat Sebastian Kurz im Jänner noch ein Einfrieren der Parteienförderung versprochen. Österreich habe ohnehin eine der höchsten Parteienförderungen in Europa, so der Kanzler noch vor wenigen Monaten. Das Versprechen scheint vergessen: Die ÖVP will mit Hilfe ihres Regierungspartners heute, Mittwoch, die Anhebung der Parteienförderung durch den Verfassungsausschuss bringen. Mit der Parteienförderung gemeinsam sollen auch die Wahlkampfkostenobergrenze und die Grenzwerte für die Offenlegung von Parteispenden steigen. Die Opposition kritisiert die geplanten Anhebungen scharf.
Die Liste Jetzt spricht von einer "Unverschämtheit“, "ÖVP und FPÖ bekommen den Hals nicht voll", kommentierte der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak das Vorhaben. "Es braucht in Sachen Parteienfinanzierung dringend ein Gesamtpaket mit Spendenobergrenzen und wirksamen Sanktionen bei der Überschreitung der Wahlkampfkosten-Obergrenze", tönt es in Person von Thomas Drozda aus der SPÖ. Auch die Grünen hatten zuvor schon einen Verzicht auf die höheren Offenlegungsgrenzen für Parteispenden und auf die höhere Wahlkampfkostengrenze gefordert und zumindest bei der EU-Wahl für eine freiwillige Spendenbegrenzung plädiert.
Die Regierungsparteien wollen die Parteienförderung künftig jährlich anheben. Die 2012 eingeführte Wartefrist der Parteien auf die nächste Anhebung ihrer Förderungen wird somit wieder abgeschafft. Seit damals gilt nämlich, dass die Subventionen erst erhöht werden, wenn die Inflation seit der letzten Erhöhung einen Schwellenwert von fünf Prozent überschreitet. Das wäre im Vorjahr erstmals der Fall gewesen. Weil die damalige Anhebung ausgesetzt wurde, wäre heuer ein Plus von 7,8 Prozent vorgesehen gewesen.
Die Wahlkampfkostengrenze beträgt derzeit sieben Millionen Euro. Zur Erinnerung: ÖVP und FPÖ überschritten diesen Betrag bei der Nationalratswahl um mehrere Millionen Euro. Mit der nun geplanten Erhöhung steigt die Grenze um 140.000 Euro an. Die sofortige Offenlegung von Großspenden ist künftig erst ab 51.000 Euro (bisher 50.000 Euro) verpflichtend, Spenden ab 3.570 Euro (bisher 3.500 Euro) müssen einmal jährlich offengelegt werden. Gelten sollen die neuen Grenzwerte ebenso wie die höhere Parteienförderung rückwirkend mit 1. Jänner.
Automatismus gilt nur selten
Mit der automatischen Anhebung der Parteienförderung gönnt sich die Regierung einen Automatismus, der der für viele andere Subventionen nicht gilt. So werden weder die Familienbeihilfe noch das Pflegegeld valorisiert. Und auch die zeitgleichim Juli 1975 eingeführte Presseförderung wird von der Parteienförderung locker überflügelt. Anfangs war die Presseförderung sogar höher als die Parteienförderung: die Parteien erhielten 1976 umgerechnet 4,6 Mio. Euro und zusätzlich noch Mittel für Parlamentsklubs und Parteiakademien, die Tages- und Wochenzeitungen 6,2 Mio. Euro, wie aus den historischen Zahlen des Politikwissenschafters Hubert Sickinger und der RTR hervorgeht.
Wären beide Förderungen seither konsequent an die Inflation angepasst worden, hätten die Parteien im Vorjahr knapp 14 Mio. Euro erhalten müssen, die Presseförderung müsste laut Wertsicherungsrechner der Statistik Austria 18,6 Mio. Euro ausmachen. Tatsächlich waren es nur 8,7 Mio. Euro für die Zeitungen, aber 29,9 Mio. Euro für die Parteien (ohne Zusatzgelder für Parlamentsklubs und Parteiakademien). Denn während die Presseförderung unter Kanzler Werner Faymann stark gekürzt wurde, haben SPÖ und ÖVP die Parteienförderung 2012 verdoppelt. Und künftig soll sie nach dem Willen von ÖVP und FPÖ nun jährlich mit der Inflation ansteigen.
Andere Förderungen werden dagegen nicht laufend valorisiert. Große Ausnahme ist die "Ausgleichszulage", also die Mindestpension. Sie steigt - wie auch die meisten regulären Alterspensionen - Jahr für Jahr an. Anders allerdings das Pflegegeld, das seit seiner Einführung vor 25 Jahren nur fünf Mal erhöht wurde. Eine sechste Anhebung haben ÖVP und FPÖ zwar angekündigt, aber bisher keine konkreten Zahlen genannt. Allein um den inflationsbedingten Wertverlust seit 1993 auszugleichen, müsste das Pflegegeld aber um fast 40 Prozent steigen. Pflegebedürftige der Stufe 4 mit über 180 Stunden Betreuungsbedarf müssten somit 935 Euro monatlich erhalten, tatsächlich sind es 677,6 Euro.
Auch die Familienbeihilfe wird nicht laufend an die Inflation angepasst. Die vorige Regierung hat sie zwar 2014, 2016 und 2018 leicht erhöht - seither bleibt sie aber wieder unverändert. Für die Familien bedeutet das einen jährlichen realen Wertverlust in der Höhe der jeweiligen Inflationsrate. Und auch die Studienbeihilfen werden nicht valorisiert. Nicht an die Inflation angepasst werden auch die Lohnsteuertarife. Die Abschaffung der "kalten Progression" haben ÖVP und FPÖ im Wahlkampf zwar angekündigt - schlagend werden soll sie nun aber erst nach der nächsten Nationalratswahl.