Politik/Inland

Regierung einigte sich auf das Wie zur Abschaffung der Kalten Progression

Die türkis-grüne Bundesregierung hat die Verhandlungen zur Abschaffung der Kalten Progression und Valorisierung der Sozialleistungen abgeschlossen. Am Mittwoch soll das Vorhaben im Ministerrat beschlossen werden.

Abgeschafft wird die schleichende Steuererhöhung mit Jahresbeginn. Zwei Drittel der Einnahmen durch die Kalte Progression fließen künftig automatisch via Einkommenssteuer und Absetzbeträge zurück an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Weitere Entlastung mit 600 Millionen Euro

Offen war bis zuletzt, wie mit dem verbleibenden Drittel der Einnahmen, das rund 600 Mio. Euro umfasst, umgegangen werden soll. Wie das Bundeskanzleramt am Dienstag mitteilte, sollen davon vor allem kleinere und mittlere Einkommen profitieren bzw. diese jährlich für Entlastungsmaßnahmen verwendet werden, hieß es.

Nach Berechnungen von WIFO und IHS umfasst die schleichende Steuererhöhung ein Volumen von 1,85 Mrd. Euro. Dieser Bericht weist für den Zeitraum Juli 2021 bis Juni 2022 eine Inflation von 5,2 Prozent aus.

Von den 1,85 Mrd. werden 1,23 Mrd. durch die automatische Anpassung ausgeglichen. Das restliche Drittel, also 617 Mio. Euro, stünden nun für weitere Entlastungsmaßnahmen zur Verfügung, hieß es. Die Pläne der Regierung sehen etwa vor, die Grenzbeträge der untersten beiden Tarifstufen über der Inflationsrate zu erhöhen. Die Absetzbeträge (Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag, Verkehrsabsetzbeträge, Pensionistenabsetzbeträge) würden in Höhe der vollen Inflation angepasst, hieß es.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nannte die Abschaffung der Kalten Progression einen "historischen Schritt". Damit werde vor allem der Mittelstand entlastet, denn dieser leiste einen "immensen Beitrag zum Wohlstand in Österreich", so Nehammer. Die Abschaffung der Kalten Progression sei in den vergangenen Jahrzehnten Teil zahlreicher Regierungsprogramme gewesen. Dieser Regierung sei es gelungen, "diese Maßnahme endlich umzusetzen", betonte Nehammer.

In dasselbe Horn stieß auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne): "Vergangene Bundesregierungen haben immer versprochen, die schleichende Steuererhöhung - kalte Progression genannt - abzuschaffen. Wir machen es jetzt." Zwei Drittel würden direkt an die Steuerzahler zurückfließen, so Kogler: "Andererseits nutzen wir ein Drittel dieses Volumens zur Entlastung niedriger Einkommen und sorgen so für mehr soziale Tragfähigkeit in unserer Gesellschaft." Zudem würden auch die Sozial- und Familienleistungen ab kommenden Jahr automatisch an die Inflation angepasst, erinnerte Kogler: "Damit bleibt denen, die es brauchen, unterm Strich mehr Geld."

"Regierung gebührt Anerkennung"

Auch wenn die Umsetzung nicht ganz perfekt sei: "Das ist eine große Sache, für die fast gänzliche Abschaffung dieser schleichenden Steuererhöhung gebührt der Regierung Anerkennung", heißt es vom wirtschaftsliberalen Think Tank Agenda Austria, der sich seit seiner Gründung für die Abschaffung der kalten Progression einsetzt. 

Der Schönheitsfehler sei aber, "dass die kalte Progression nicht komplett abgeschafft wurde, sondern nur für die untersten Tarifstufen. Das führt im schlechtesten Fall zu noch mehr Teilzeitanreizen, weil Mehrarbeit stärker belastet bleibt", so der Think Tank. "Hier hätte die Regierung mehr Mut haben können. Denn niemand in diesem Hochsteuerland hat es verdient, dass der Staat versteckt noch einmal zugreift und den Arbeitnehmern die Inflationsabgeltung der Löhne besteuert."

Was ist die kalte Progression?

Die kalte Progression ist ein Effekt, der durch das Zusammenwirken eines progressiven Steuertarifs, der Inflation und Gehaltserhöhungen entsteht. Gehälter werden jedes Jahr angehoben, die Tarifstufen blieben aber unverändert. Wenn die Einkommen steigen, die Tarifstufen aber fix sind, erhöht sich die Steuerleistung, wenn man in eine Stufe vorrückt. Folge: Von der Bruttoerhöhung bleibt netto weniger über. Je mehr Arbeitnehmer durch Lohnerhöhungen also in höhere Tarifstufen vorrücken, desto mehr schöpft der Staat von den Lohnerhöhungen ab. Diesen Effekt nennt man kalte Progression - "kalt", weil dafür keine aktive Handlung oder Steuererhöhung nötig ist.