Reaktionen auf Kurz-Rede: ÖGB vermisst Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit
Von Daniela Kittner
Dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) fehlen bei den am Freitag von Bundeskanzler Kurz präsentierten Plänen einige wesentliche Punkte, wie ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian in einer ersten Reaktion betont.
Katzian vermisst vor allem Hilfe für ArbeitnehmerInnen und Menschen, die ihre Arbeit verloren haben: „Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit muss die oberste Priorität sein. Die geplante Arbeitsstiftung ist zwar schön und gut, dass aber darüber hinaus offenbar keine Maßnahmen geplant sind, ist enttäuschend“, kritisiert er.
Handlungsbedarf bei Lehrstellen
„Qualifizierungsprogramme für Ältere fehlen völlig und auch für Lehrlinge sind scheinbar überhaupt keine Maßnahmen geplant. Das wäre aber dringend notwendig. Im Herbst fehlen uns 10.000 Lehrstellen. Wenn hier nicht rasch etwas passiert, geht eine ganze Generation verloren, während gleichzeitig ein Fachkräftemangel beklagt wird. Hier besteht sofortiger Handlungsbedarf, sonst werden wir noch jahrzehntelang damit beschäftigt sein, die Folgen auszubügeln“, so der ÖGB-Präsident weiter.
Erhöhung des Arbeitslosengeldes gefordert
Auch weitere Kernthemen, für die der ÖGB schon lange kämpft, fanden in der Rede von Sebastian Kurz keine Erwähnung. „Ich bin einmal mehr sehr enttäuscht, dass der Bundeskanzler kein Wort über den versprochenen Corona-Tausender verloren hat. Die HeldInnen der Krise müssen immer noch mit Applaus und schönen Worten auskommen“, so Katzian. Die Verlängerung der Sonderbetreuungszeit ist wichtig, hätte aber eine positivere Wirkung, gäbe es einen Rechtsanspruch darauf„, erinnert Katzian und warnt: “Auch die Erhöhung des Arbeitslosengeldes fand leider keine Erwähnung. Dabei wäre die Stärkung der Kaufkraft dringend notwendig. Alle Förderungen für die Wirtschaft bringen nichts, wenn niemand das Geld hat, ihre Produkte zu kaufen„, rechnet Katzian vor.
AK fordert besseres Einkommen für Pflegeberufe
AK-Präsidentin Renate Anderl hat vor allem „ein Eingehen auf die Lehrlingsproblematik und die Arbeitslosen, die darf man nicht vergessen“, gefehlt. „Das war sicher zu wenig konkret“, sagte Anderl im Gespräch mit der APA. Kurz habe zwar angedeutet, in der Pflege und durch die Digitalisierung neue Jobs schaffen zu wollen, „aber gerade in der Pflege muss die Arbeit auch attraktiver werden“, sagte Anderl. „Der Druck auf die Einzelnen ist riesig. Wir brauchen gute Jobs mit gutem Einkommen.“ Anderl bekräftigte auch den Ruf nach einer Aufstockung des AMS-Personals, um Arbeitslose besser zu vermitteln. „Auch unsere Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes bleibt.“
Anderl-Absage an Aschbacher
Gerne nehme die AK als einer der Sozialpartner „den Ball auf, neue Regeln fürs Home-Office zu finden. Wir werden uns rasch zusammensetzen“, so Anderl. „Klar ist, dass die Heimarbeit für beide Seiten - Beschäftigte und Betriebe - freiwillig sein muss.“ Noch seien Fragen im Arbeitsrecht und versicherungstechnischer Natur offen. „Sollte jemand an der 11-Stunden-Nachtruhe sägen, dann kommt von uns auf jeden Fall ein Nein“, so die AK-Präsidentin.
Damit spielte sie auf eine Aussage von Arbeitsministerin Aschbacher im KURIER an, wonach die elf Stunden NAchtruhe eine Flexibilisierungshemmnis seien.
Wirtschaftskammer lobt Kurz
Die Wirtschaftskammer-Spitze lobte Kurz hingegen dafür, dass er „zum richtigen Zeitpunkt eine nachhaltige Standortstrategie mit wichtigen Impulsen für aktive rot-weiß-rote Ansiedelungspolitik“ forciere. „Jetzt heißt es: Stärken und Mut machen. Damit wir sowohl die Gesundheits-, wie auch die Wirtschaftskrise überwinden können. Jobs entstehen nur, wenn wir vorausdenken und Investitionen in Zukunftsbranchen ermöglichen“, teilte WKÖ-Präsident Harald Mahrer per Aussendung mit.
Industriellenvereinigung: "Anzeichen von Erholung"
Ähnlich positive Rückmeldungen kamen von der Industriellenvereinigung. „Die heutigen Ausführungen geben Anlass für Zuversicht und klare Perspektiven, wie sie Menschen und Wirtschaftsstandort in diesen schwierigen Zeiten brauchen“, sagte IV-Präsident Georg Knill in einer Aussendung. Die Industrie sei zwar massiv von der Coronakrise getroffen worden, so Knill. „Aber die diversen Prognosen lassen bereits erste Anzeichen einer Erholung in absehbarer Zeit erkennen.“ Nun müsse es darum gehen, für ein nachhaltiges Wachstum und damit für neue, sichere Arbeitsplätze zu sorgen. Ein wichtiges Signal sei daher die Ankündigung, dass standortstärkende Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm vorgezogen werden sollen, sagte der IV-Präsident.
Bauern positiv
Der ÖVP-Bauernbund begrüßte am Freitag vor allem den Vorstoß von Kanzler Kurz für mehr regionale Lebensmittelproduktion. „Jetzt gilt es, die angekündigte Regionalisierung auf allen Ebenen konsequent mit Leben zu erfüllen“, sagte Bauernbund-Präsident Georg Strasser in einer Mitteilung.
FPÖ: "Ein Flop, nur inhaltsleere Floskeln"
Die Oppositionsparteien reagieren wenig schmeichelhaft auf den Kanzler-Auftritt.
FPÖ-Chef Norbert Hofer wertete die Erklärung von Kurz als "Flop", sie sei nichts gewesen als eine "Aneinanderreihung inhaltsloser Floskeln". Zugleich holte Hofer zum Rundumschlag gegen die gesamte Regierungsmannschaft aus
„Diese Regierung hat alles, was unsere Eltern und Großeltern nach dem Krieg aufgebaut haben, in wenigen Monaten ruiniert“, kritisierte der freiheitliche Bundesparteiobmann die bisherigen Corona-Maßnahmen. „Die Verantwortung dafür tragen ein als Minister agierender Volksschullehrer und ein Bundeskanzler, der nicht bereit ist, selbigen Chaosminister abzulösen. Die übrigen Angehörigen der Bundesregierung sind Politiker ohne Eigenschaften und weitgehend unsichtbar - und was Werner Kogler betrifft, überlegt sich die FPÖ bereits die Einbringung einer Vermisstenanzeige.“
SPÖ: "Von PR-Getöse begleiteter Ego-Trip"
Die SPÖ hatte Kanzler Kurz bereits im Vorfeld der Rede attackiert - und die Kritik riss auch am Freitag nicht ab. Für Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch war die Erklärung „ein von viel PR-Getöse begleiteter Ego-Trip von Kurz und, was viel schlimmer ist, eine inhaltliche Nullnummer ohne konkrete Lösungen“, teilte er mit. „Statt endlich echte Lösungen zur Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise zu liefern, hat Kurz wieder nur die üblichen leeren Versprechen und Ankündigungen von sich gegeben“, kritisierte Deutsch.
In dieselbe Kerbe schlug SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. „Keinen konkreten Plan gab es vom Kanzler, nur viele Ankündigungen und blumige Worte“, bemängelte er. Dabei bräuchte es in der Krise dringend „konkrete Lösungen und Konzepte“ sowohl für Betriebe als auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Neos: "Wenig Substanz" in Kanzler-Rede
„Viele Ankündigungen, viele Schlagworte, wenig Substanz“, kommentiert NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger die heutige Pressekonferenz von Kanzler Kurz. „Kein Unternehmer weiß jetzt, worauf er sich im Herbst verlassen kann; Eltern, Lehrer und Schüler wissen nicht, wie der Schulstart aussehen wird; Kein junger Mensch, der gerade seine Ausbildung abgeschlossen hat, und Menschen, die ihre Jobs verloren haben, wissen, wie sie jetzt einen Arbeitsplatz finden sollen - konkrete Antworten blieb Sebastian Kurz einmal mehr schuldig. Gerade der Kanzler darf die Augen nicht vor der Realität verschließen und ausschließlich den Sommer 2021 im Blick haben, wenn dann die Pandemie besiegt sein soll - das ist zu wenig. Und schlicht unglaubwürdig“, bedauert Meinl-Reisinger.
Kurz habe "Reformbedarf erkannt"
„Zumindest hat Kanzler Kurz erkannt, dass es weitergehen muss mit Reformen - viele Versäumnisse der Vergangenheit müssen endlich aufgearbeitet werden. Wenn es also tatsächlich zu Maßnahmen wie beispielsweise zur Stärkung des Eigenkapitals kommt, dann ist das zu begrüßen“, so Meinl-Reisinger weiter.
Von den vielen thematisch unterschiedlichen Schlagworten, die heute gefallen sind, gibt es auch ein paar Themenbereiche, die jedenfalls kritisch hinterfragt werden müssen. Das fängt bei der Frage an, wozu es eine strategische Partnerschaft mit den Vereinigten Arabischen Emiraten geben muss, geht weiter zu dem angekündigten Krisensicherheitsgesetz bis hin zur Aufarbeitung der Krise: „Wir werden all diese Entwicklungen ganz genau beobachten. Eine Aufarbeitung der Krise ist dringend notwendig. Das ist Aufgabe des Parlaments und kann nicht durch ein Philosophicum im Bundeskanzleramt ersetzt werden. Ziel muss es sein, aus der Krise zu lernen. Nur so werden wir kommende Herausforderungen auch bestmöglich meistern können“, so Meinl-Reisinger abschließend.