Quereinsteiger: Das schwierige Leben der politischen Leiharbeiter
Er liebte das Rampenlicht, die Öffentlichkeit. Und irgendwann stellte er fest, dass er Politik und Macht liebt: Helmut Zilk – er war ein Quereinsteiger, bevor der Begriff 1997 erstmals im Wörterbuch aufschien.
Als der populäre Moderator und ORF-Programmdirektor 1979 von Bürgermeister Leopold Gratz als Kulturstadtrat in Wien eingesetzt wurde, war die Aufregung groß: Die SPÖ-Basis protestierte, die Kulturszene rümpfte die Nase. Ein Promi als Politiker? Das geht doch nicht.
Es ging. Zilk rührte in der Kulturszene um, brüskierte Parteifreunde, sorgte für Schlagzeilen, brachte Glamour in die Politik. Es ging sogar so gut, dass er Unterrichtsminister und Wiener Bürgermeister wurde – und nach seinem Tod 2008 eine Legende.
Das Format Zilks ist schwer zu finden, und viele im Nationalrat und auch auf der Regierungsbank können vom Querein- zum Querabsteiger werden (siehe Kästen unten). Wobei fairnesshalber gesagt werden muss: Viel Zeit hatten die aktuellen Akteure nicht – seit der Nationalratswahl sind nur 20 Monate vergangen. Dazu kommt, dass die Erwartungen wohl zu hoch gesteckt waren.
Der Versuch einer Öffnung
Wobei es vor allem ÖVP-Chef Sebastian Kurz war, der diese Erwartungen geschürt hat: Im Nationalratswahlkampf 2017 präsentierte er regelmäßig neue Promis für seine Bundesliste – einer qualifizierter und motivierter als der andere: Rudolf Taschner, Mathematiker (Bildungssprecher). Kira Grünberg, Ex-Sportlerin (Behindertensprecherin). Maria Großbauer, Opernball-Organisatorin (Kultur). Karl Mahrer, Wiener Vize-Polizeipräsident (Polizei).
Das Konzept Quereinsteiger klingt an sich ja ganz attraktiv: Man holt sich einen Experten – außerhalb jeder parteipolitischen Struktur – und damit frischen Wind in die Politik. Man zeigt den Wählern: „Schaut her, der kennt sich aus, der tut was.“ Man zeigt ihnen auch: „Wir, die Parteien, öffnen uns.“ Moderne Politik nennt sich das.
„Der Effekt bei Wahlen ist aber überschaubar“, sagt Politologe und Meinungsforscher Peter Hajek. „Zwar ziehen sie Aufmerksamkeit auf sich, letztlich wählt aber kaum jemand eine Partei, weil da Promis dabei sind.“ So schnell, wie die Experten aus anderen Branchen ausgeliehen sind, so schnell sind viele wieder weg bzw. kaum noch präsent. Nach dem Wahltag, den 15. Oktober, wurde es still um die türkisen Promis. Wie ist es ihnen ergangen in diesen 20 Monaten? Taschner sagt selbst, man dürfe seine Rolle nicht überbewerten: Es sei klar, dass man unter 183 Abgeordneten „nur ein Rädchen“ sei.
Voll aufgegangen in seinem Abgeordneten-Job ist Ex-Polizist Mahrer. „Ich habe meine Erfüllung gefunden“, sagt er zum KURIER. Als Polizeisprecher im ÖVP-Klub sieht er sich als Ansprechpartner für alle Polizisten in Österreich. Das wäre er gern weiterhin. „Aber das wird Bundesparteiobmann Sebastian Kurz entscheiden“, sagt Mahrer zu einer möglichen Kandidatur im September. Ebenso Taschner: „Ich stehe zur Verfügung.“
Kurz hatte im KURIER-Interview erklärt, er wolle mit demselben Team weiterarbeiten, „um den Weg fortzusetzen“. Die ÖVP möchte zwar mit weitgehend unveränderten Kandidatenlisten in die Neuwahl gehen, aber fixiert wird die Bundesliste erst Ende Juli.
Auf die harte Tour gelernt
Auf den Anruf des Parteichefs wartet daher auch Kira Grünberg. „Ich möchte sehr gerne, wenn meine Unterstützung gebraucht wird“, sagt die ehemalige Stabhochspringerin. 2017 war sie Spitzenkandidatin in Tirol – sehr zur Verwunderung der alteingesessenen Schwarzen im Westen.
Sie musste auf die harte Tour lernen, dass die Politik ihre eigenen Spielregeln hat: Als bekannt wurde, dass die 25-Jährige von Sponsoren ein Auto geschenkt bekam, weigerte sie sich zunächst, es zurückzugeben. „Ich habe es vor meiner politischen Tätigkeit zugesagt bekommen, deshalb war ich mir keiner Schuld bewusst“, sagt Grünberg. Die Ermittlungen wurden eingestellt – aber eines hat sie sich gemerkt: „In der Politik wird jede Schwachstelle aufgebauscht.“
Ob ein Quereinsteiger erfolgreich ist, hängt ganz von der Person ab, sagt Hajek. „Ist er politik-affin, versteht er das Geschäft?“ Über diejenigen, die jetzt im Nationalrat sitzen oder kürzlich von der Regierungsbank abtreten mussten, will er kein Urteil fällen. Nur so viel: „Aus Wählersicht haben sie einen guten Job gemacht. Sie sind zumindest nicht negativ aufgefallen.“