Politik/Inland

Politikverdrossenheit: Dürfen „das Kind nicht mit dem Bad ausschütten“

Die innenpolitischen Ereignisse der jüngeren Vergangenheit waren nicht eben dazu angetan, das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat zu stärken. Erhebungen wie der Demokratie-Monitor des Sora-Instituts für 2021 stützen den Befund: knapp 60 Prozent finden, „dass das politische System in Österreich weniger oder gar nicht gut funktioniert“.

Wie aber ließe sich das Vertrauen in die Politik wiederherstellen? Dieser Frage ging eine Diskussionsrunde im Rahmen des sogenannten „Bürgersalons“ an der Diplomatischen Akademie in Wien nach. Bettina Knötzl, Rechtsanwältin und Präsidentin von Transparency International Österreich, sieht (naheliegenderweise) Transparenz als zentrales Thema. Sie bemühte dafür das drastische Bild einer darniederliegenden Patientin, der die medizinische Behandlung vorenthalten werde. Dabei würden alle das richtige Medikament kennen, spielte sie auf das nach wie vor im Entwurfsstadium hängende Informationsfreiheitsgesetz an.

Dass der „Zug der Zeit“ in Richtung mehr Transparenz auch Schattenseiten hat, machte Frauen- und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) deutlich. Bei persönlichen wie digitalen Kontakten müsse stets die Möglichkeit mitbedacht werden, dass diese ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt und allenfalls skandalisiert werden.

Raab sieht generell die Gefahr, dass „das Kind mit dem Bad ausgeschüttet“ wird, Politik insgesamt unter Generalverdacht gestellt wird. Nicht jede Inseratenkampagne der Regierung oder eines Ministeriums etwa dürfe unter „Korruption“ subsumiert werden. Überhaupt solle man mit dem Begriff sorgsamer umgehen: Es sei ein Straftatbestand, der gegebenenfalls streng zu verfolgen sei – aber keine vage Zustandsbeschreibung für alles, was einem vielleicht politisch nicht in den Kram passe.

„Giftige Melange“

KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon stieß noch schärfer ins selbe Horn, wenn sie eine „giftige Melange“ ortete, welche durch die U-Ausschüsse samt Begleitmusik entstanden sei. Dazu habe auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, der alles auch nur „abstrakt Relevante“ dem U-Ausschuss („und am nächsten Tag ist es dann in den Medien“) zugänglich machte, beigetragen.

Im Übrigen trat Salomon dem Klischee einer immer korrupteren politmedialen Szene entgegen: Es gebe heute mehr Transparenz, weniger Klüngelei zwischen Politik und Medien als vor 40 Jahren.

Was für Knötzl Transparenz, ist für Wienerberger-CEO Heimo Scheuch Bildung: der Schlüssel zur Hebung demokratischer Standards. Als Chef eines Konzerns wusste er auch aus eigener Erfahrung von einschlägigen Defiziten – bei der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften – zu berichten.

Punzierung

Die ehemalige ÖVP-Politikerin Silvia Grünberger (vormals Fuhrmann), heute bei der Agentur Rosam/Grünberger/Jarosch tätig, dürfte ihren Wechsel in die Wirtschaft nicht bereut haben.

Gleichwohl plädiert sie für mehr Durchlässigkeit zwischen diesen Bereichen. Wenn politische Tätigkeit eine bleibende Punzierung bedeute, werde es noch schwieriger, geeignete Leute für die Spitzenpolitik zu finden.