Politik/Inland

Pilnacek-Mitschnitt hat Nachspiel in der Justiz

Die Affäre um den geheimen „Pilnacek-Mitschnitt“ hat viele Ebenen, und auf allen gab es am Tag nach dem „Platzen“ der Affäre bemerkenswerte Entwicklungen.

Zur Erinnerung: Dienstagabend wurde ein mit dem Mobiltelefon hergestellter Mitschnitt eines Gasthaus-Gesprächs vom 28. Juli dieses Jahres publik, auf dem zu hören ist, wie sich der mittlerweile verstorbene Sektionschef Christian Pilnacek Luft macht. Konkret lässt sich der Strafrechtsexperte über die ÖVP und insbesondere über Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka aus; man habe ihn mehrfach gedrängt, „rechtswidrigen“ Wünschen nachzukommen. Es geht um Ermittlungen und Hausdurchsuchungen, die Pilnacek – so sagt er es auf dem Mitschnitt – nicht machen bzw. leisten habe können.

Was gibt es nun auf dieser, also auf der inhaltlichen Ebene Neues?

Justizministerin Alma Zadić hält Aussagen und Vorwürfe ihres früheren Mitarbeiters für so glaubwürdig und schwer, dass sie am Mittwoch nicht nur ihre Forderung nach einer unabhängigen Generalstaatsanwaltschaft wiederholte, sondern gleichzeitig eine Untersuchungskommission einrichten ließ. Wer dieser angehört und bis wann sie Ergebnisse liefert, ist zur Stunde offen.

Klar ist aber, dass es dabei explizit nicht um die Aufarbeitung von strafrechtlich relevanten Sachverhalten gehen soll – also beispielsweise einer möglichen Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Das – also strafrechtliche Ermittlungen – bleibt Sache der Staatsanwaltschaft. Und die wird aller Voraussicht nach tätig, weil mehrere Oppositionsparteien an Sachverhaltsdarstellungen arbeiten.

Erklärung von Sobotka am Donnerstag

Apropos Opposition: Im Parlament gibt es zwei wesentliche Entwicklungen in der Causa: Die eine ist eine weitere Entfremdung zwischen den politischen Fraktionen und Wolfgang Sobotka. Bis auf die ÖVP gehen de facto alle Parlamentarier auf Distanz und fordern – erneut – Sobotkas Rücktritt.

Auf Seite des Koalitionspartners legte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) Sobotka via Kleine Zeitung den Rücktritt nahe: „Wäre ich in der Situation, ich hätte meinen Hut genommen. Ich habe einen klaren moralischen Kompass.“ Sobotka selbst kündigte an, sich am Donnerstag zu Beginn der Plenarsitzung zu erklären.

FPÖ und SPÖ wünschen sich zumindest ein Machtwort von Alexander Van der Bellen. Der Bundespräsident könne es angesichts der Vorwürfe nicht egal sein, wer hinter ihm das zweithöchste Amt im Staat bekleidet.

Formal ist Sobotka in seiner Funktion nicht abwählbar, er müsste von sich aus zurücktreten. Das freilich wird nicht passieren. Denn abgesehen davon, dass Parteichef Karl Nehammer seinem Parteifreund noch einmal explizit das Vertrauen ausgesprochen hat, blickt die ÖVP völlig anders auf den Pilnacek-Mitschnitt. – Und damit ist man bei der nächsten Ebene der Affäre.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker versuchte am Mittwoch die Aufmerksamkeit auf folgenden Aspekt zu lenken: Zunächst einmal sei es pietätlos, einen Verstorbenen, den man nicht mehr dazu befragen könne, politisch zu instrumentalisieren. Auch habe Pilnacek in zwei Untersuchungsausschüssen unter Wahrheitspflicht ausgesagt, dass es definitiv keine Interventionsversuche der ÖVP gegeben habe – also exakt das Gegenteil von dem, was er im Juli zu späterer Stunde in einem Wiener Innenstadtlokal gesagt hat.

Widersprüche

Für Stocker und die ÖVP ist es perfid, Pilnaceks Audio-Aufnahme zu veröffentlichen, da man ihn zu den offenkundigen Widersprüchen ja gar nicht mehr befragen kann.

Die Frage ist nur: Gibt es wirklich einen Widerspruch?

Denn in den Protokollen der von Stocker erwähnten U-Ausschüsse erklärt Pilnacek vor allem, dass es keine Interventionen bei Ermittlungen und Ähnlichem gegeben habe. Die Frage, ob Sobotka oder andere nicht versucht hätten, ihn unter Druck zu setzen, bleibt bei Pilnacek offen – er entschlägt sich. Es könnte also beides stimmen.

Drahtzieher

Offen bzw. hinterfragenswert bleibt für die Volkspartei – und damit ist man bei einer weiteren Ebene – die Frage nach den Drahtziehern.

Wer hat Pilnacek geheim und illegal aufgenommen? Steckt – wie Stocker am Mittwoch vermutete – ein Mann namens Stefan Petzner hinter der Aktion? Immerhin hat der frühere BZÖ- und FPÖ-Politiker im Herbst des Vorjahres erklärt, auf Sobotka komme etwas Großes zu und er könne 2023 nicht mehr Nationalratspräsident sein.

Petzner selbst hält das für Unsinn. „Ich bin nicht Baba Wanga (Hellseherin; Anm.) und habe im Herbst des Vorjahres natürlich nicht gewusst, was im darauffolgenden Sommer passiert“, sagt Petzner zum KURIER. „Alles, was ich zum Pilnacek-Mitschnitt zu sagen habe, ist: Ich habe damit nichts zu tun.“