Pflegende Angehörige anstellen: Doskozils Plan stößt auf Skepsis
Der Staat müsse „stark positioniert“ werden – und zwar gegen einen „ausgeprägten Liberalismus“. Als Hans Peter Doskozil vor gut einem Monat zum burgenländischen Landeshauptmann gewählt wurde, redete er einem starken Staat das Wort.
Am Montag hat der pannonische Grande erläutert, was dieses Credo für den Pflegebereich bedeutet. „Die Aufbaugeneration hat sich verdient, dass dieses elementare Bedürfnis in würdiger Form gestillt wird“, so Doskozil mit hörbarem Pathos. Und weiter: Pflegeheime sollen im Burgenland künftig nur noch gemeinnützig betrieben werden. Nicht sofort zwar, aber nach einer Frist von vier Jahren – dann müssten sich die Heimbetreiber entscheiden.
Die Gemeinnützigkeit der Pflege ist nur einer von 21 Punkten seines Pflegeplans bis 2030. Ein weiterer Punkt betrifft die soziale Absicherung von pflegenden Angehörigen: Sie sollen im Burgenland künftig die Möglichkeit erhalten, bei einer Tochter der landeseigenen Krankenanstaltengesellschaft angestellt zu werden und bis zu 1700 Euro netto zu verdienen. Das Modell ist für Pflegebedürftige der Stufen 3 bis 5 gedacht, Verwandte und Angehörige bis zum zweiten Grad (Cousin/Cousine) können die Pflege übernehmen und sollen dafür eine Heimhelferausbildung bekommen.
Galgenfrist
Der burgenländische Regierungschef hat das Modell bereits durchrechnen lassen: Bei 500 bis 600 Interessenten wären Kosten von 12 bis 13 Millionen Euro fällig; mit den Gemeinden müsse man noch über Details der Kostenteilung sprechen.
Was die 24-Stunden-Pflege angeht, bekommen die mehr als 40 privaten Agenturen, die im Burgenland Personenbetreuer aus Rumänien, Bulgarien, der Slowakei, Ungarn oder Kroatien vermitteln, noch eine „Galgenfrist“. Doskozil: Da müsse man „sehr sensibel vorgehen“. Auf lange Sicht soll aber auch diese Vermittlungstätigkeit unter Kontrolle des Landes gestellt werden. Der Zeitplan ist ambitioniert: Das neue Pflegemodell im Burgenland soll schon am 1. Oktober starten.
Der Koalitionspartner FPÖ ist „zufrieden“, man findet Teile des blauen Modells der „Pflegegenossenschaft“ wieder.
Schlechtes Timing
Lokale Experten äußerten freilich schon am selben Tag Bedenken. „Ich bin gegen die Verstaatlichung der Pflege. Das wäre eine Schubumkehr des geltenden Systems“, sagt Oswald Klikovits, Obmann des Hilfswerks, zum KURIER.
Und nicht nur er. Denn auch jenseits der Landesgrenze ist die Skepsis groß – aus vielerlei Gründen.
Da ist zunächst das Timing: Wie berichtet, ist die Bundesregierung gerade dabei, einen „Masterplan Pflege“ zu erstellen. Dass das Burgenland nun nicht nur öffentlich Vorschläge präsentiert, sondern diese in wenigen Monaten auch umsetzen will, irritiert im Sozialministerium und manchen Ländern.
Einzelvorschläge "nicht hilfreich"
„Für Vorschläge, wie man pflegende Angehörige bestmöglich unterstützen kann, bin ich immer offen, und wir versuchen in der Steiermark einiges auf den Weg zu bringen. Eine öffentliche Anstellung kommt mir allerdings wie eine Verstaatlichung der Familie und des Privaten vor“, sagt der steirische Pflege-Landesrat Christopher Drexler zum KURIER. Ähnlich sieht es seine Amtskollegin in Niederösterreich, Christiane Teschl-Hofmeister: Im Sinne des großen Pflegereformpaket auf Bundesebene und einer österreichweiten Harmonisierung sei es „nicht hilfreich, mit Einzelvorschlägen vorzupreschen“.
Und selbst Caritas-Chef Michael Landau äußert gegenüber dem KURIER sanfte Skepsis: „Der burgenländische Vorstoß ist ein interessanter Denkanstoß, aber viele Pflegende sind selbst ältere Menschen – für sie ist die Frage der Anstellung nicht zentral.“
Viel wichtiger sei, dass die Leistungen möglichst bald in ganz Österreich in vergleichbarer Qualität verfügbar seien. „Und auf keinen Fall darf es dazu kommen, dass im Gegenzug für eine Anstellung von Angehörigen bei Heimhilfe oder Krankenpflege Leistungen zurückgefahren werden.“