Politik/Inland

Rot-Blaue Achse: Parlament gibt Beamtenregierung Takt vor

Auf den Gängen der Hofburg herrscht ein hektisches Treiben, Schwirren wie im Bienenstock. Eilig vereinbarte Besprechungen zwischen den Parteien, es ist die Stunde von parlamentarischen Urgesteinen wie Peter Pilz. Denn da packeln plötzlich Player, die einander zuletzt als Gegner gegenüberstanden. Es kommt an diesem heißen Mittwoch Tempo in den oft trägen Alltag der Abgeordneten. „Wenn wir diesem Antrag zustimmen, sind wir politisch tot“, hörte man zwischendurch bei den Debatten aus den politischen Lagern.

 

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Eine Stimmung wie auf einem Bazar, wo bis zur letzten Minute gehandelt und beraten wird. Das Resultat des freien Spiels der Kräfte fördert nach wenigen Augenblicken mehr als ungewöhnliche Allianzen zutage – ohne Sebastian Kurz oder Heinz-Christian Strache. Beide fehlen, sind aber Dauerthema.

Denn wer hätte gedacht, dass an diesem Tag das Ende des jahrelang umstrittenen Abullah-Zentrums beschlossen wird?

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Auf Antrag der Liste Jetzt stimmen FPÖ, SPÖ und Neos zu. „Wir haben es oft versucht, bei der ÖVP durchzubringen, sind in der Regierung aber immer gescheitert“, sagt FPÖ-Chef Norbert Hofer. Das bringt die ÖVP unter Druck. Sie will das KAICIID auch schließen – macht sich für ein neues Zentrum stark unter Obhut der UNO. Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten. Fix ist jedenfalls, dass Außenminister Alexander Schallenberg den Beschluss umsetzen will.

Ähnlich überraschend kommt am Mittwoch auch das Verbot des Pflanzenschutzmittels Glyphosat. Die FPÖ kündigt an, den SPÖ-Antrag zu unterstützen. Die Vorstellung der neuen Bundeskanzler Brigitte Bierlein und ihrer Übergangsregierung erscheint in Anbetracht dessen als staatstragende Pflichtübung.

Nach den Formalia tritt die erste Bundeskanzlerin gegen 9.15 Uhr an das Rednerpult. Bierlein legt eine solide, aber unspektakuläre und kurze Rede hin, in der sie vor allem um das Vertrauen der Abgeordneten wirbt.

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Diesen Leitgedanken untermauert sie mit einem Zitat von Cicero: „Nichts hält das Gemeinwesen besser zusammen als die Verlässlichkeit.“ Bierlein betont, sie übernehme ihre Aufgabe mit großer Demut. Mit Hinblick auf den Neuwahlbeschluss, der ebenfalls am Mittwoch auf der Tagesordnung stand, bittet Bierlein, rasch und gemeinsam die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um einen Wahltermin festlegen zu können. Sie hätte sich, so wie der Bundespräsident, einen früheren Termin gewünscht. Unisono bekommen alle neuen Minister, die kurzfristig und für rund sechs Monate einspringen, Dank von den politischen Parteien.

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Heeresminister

Nur einer wird zehn Tage nach seiner Angelobung angeschossen: Verteidigungsminister Thomas Starlinger. Er bekommt kaum Applaus von den Abgeordneten. Auslöser für die Empörung ist Starlingers Ankündigung, dass er aus budgetären Gründen die Sicherheitsschule in Wiener Neustadt stoppen werde. Damit stehen 53 Schüler von einem Tag auf den anderen ohne Schulanmeldung für das kommende Schuljahr da. Die Empörung war vor allem bei der FPÖ und in Wiener Neustadt groß. „Es kann nicht sein, dass ein Übergangsminister eine beschlossene Maßnahme, die im Regierungsprogramm vereinbart war, stoppt“, so FP-Chef Hofer. Was folgt, ist ein Entschließungsantrag, der das Projekt weiterführen soll. Was von ÖVP, FPÖ und, siehe da, auch der SPÖ unterstützt wird.

 

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Gebunden ist der Minister durch dieses Votum nicht. Starlinger hat die Wehrsprecher der Parteien für Freitag zu einer Unterredung gebeten. Wobei die FPÖ droht, auch einen Misstrauensantrag einzubringen, wenn der Minister die Forderung des Parlaments nicht umsetzt. „Aber ich glaube nicht, dass der Verteidigungsminister sich traut gegen das Parlament zu agieren“, so Hofer.

 

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Enttäuscht ist auch Wiener Neustadts ÖVP-Bürgermeister Klaus Schneeberger. Im KURIER-Interview erzählt er, dass er dem Minister auch billigere Lösungsvarianten vorgeschlagen habe. Doch der Minister hat abgewunken.

Dafür fällt am Mittwochabend noch ein weiterer überraschender Beschluss. Ein Fristsetzungsantrag der SPÖ für den Papa-Monat wird von der FPÖ und der Liste Jetzt unterstützt.

Das bedeutet, dass dieser Rechtsanspruch für Jungväter auf einen freien Monat nach der Geburt des Kindes schon heute im Parlament beschlossen wird. Voraussetzung für den Papa-Monat ist, dass man ihn beim Arbeitgeber drei Monate vor Geburt des Kindes beantragt.

Dieser Papa-Monat ist ein Prestige-Projekt der SPÖ. Auch die Freiheitlichen, damals noch unter Heinz-Christian Strache, sind seit Längerem für diesen Rechtsanspruch. Die ÖVP hat bei diesem Thema gebremst und wollte es an die Sozialpartner auslagern.