Politik/Inland

Heftige Kritik an Moskau-Reise der FPÖ: "Außenpolitische Geisterfahrt"

Ein Eishockeymatch zwischen Finnland und Russland sollte unter anderem auf dem Programm stehen, kündigte Norbert Hofer im Vorfeld an. Die FPÖ-Spitze war wieder einmal zu Gast in Moskau - das Selfie des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten der FPÖ mit Parteichef Heinz Christian Strache, Harald Vilimsky und Johann Gudenus liefert den Beweis: "Arbeitsgespräche in Russland! Selfie vor dem Weißen Haus in Moskau", heißt es da.

Was genau besprochen wurde, das ist in einer am Sonntag von Krone-Journalisten Claus Pandi auf Twitter veröffentlichten "Vereinbarung" zwischen der FPÖ und Putins Partei "Einiges Russland" zu lesen (siehe Faksimile unten).

Am Montag bestätigte der Linzer FP-Obmann Detlef Wimmer in einer Aussendung schließlich, dass die Vereinbarung in Beisein von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, Nationalratspräsident Norbert Hofer, dem Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus, EU-Abgeordneten Harald Vilimsky und ihm selbst unterzeichnet worden sei.

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Die beiden Parteien legen darin unter anderem fest, "regelmäßig Parteidelegationen auf verschiedenen Ebenen" auszutauschen und wollen zudem "den Austausch von Erfahrungen in der gesetzgeberischen Tätigkeit organisieren". Auch im Bereich "Wirtschaft, Handel und Investitionen" will man sich gegenseitig unterstützen.

Scharfe Kritik aus ÖVP

Die ÖVP hat den außenpolitischen Kurs der Freiheitlichen und die Moskau-Reise der FPÖ-Parteispitze scharf kritisiert. Vizekanzler und Obmann Reinhold Mitterlehner sprach am Montag bei einem Medientermin von einem "unsensiblen" Zeitpunkt: "Das ist grob daneben", so Mitterlehner. ÖVP-Generalsekretär Werner Amon sprach von einer "außenpolitischen Geisterfahrt auf dem Roten Platz".

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Mitterlehner erinnerte die Reise von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, dem Dritten Nationalratspräsidenten und Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer sowie weiteren FPÖ-Vertretern an eine "Altherrentruppe", die in der Vorweihnachtszeit nach Moskau fahre. Ihn wundere, dass man nicht gleich nach Aleppo in Syrien gefahren sei, zeigte sich der Vizekanzler verwundert: "Das ist grob daneben." Zu einem Zeitpunkt, wo sich die Welt wegen Aleppo "ereifert", nach Moskau zu reisen, und dies auch noch online zu posten, sei "absolut nicht stimmig" und "derart unsensibel".

Auch Amon kritisierte die FPÖ-Gruppenreise. Der ÖVP-Generalsekretär verwies zudem auf FPÖ-interne "interessante Debatten" über den außenpolitischen Kurs bei den Freiheitlichen. Der oberösterreichische FPÖ-Landesparteichef Manfred Haimbuchner hatte nämlich in einem aktuellen KURIER-Interview erklärt, dass Freudenbekundungen aus dem Ausland, vor allem von jenen mit undifferenzierter Haltung zur EU, der FPÖ schaden würden (mehr dazu lesen Sie hier).

SPÖ: "Geistige Umnachtung"

Auch der Koalitionspartner übt scharfe Kritik an den Freiheitlichen. "Offensichtlich ist die Kälte in Moskau den Herren in den Kopf gestiegen," sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler und sprach von einem "jenseitigen Pakt mit Russland - offenbar war das noch die geistige Umnachtung" nach der Wahlniederlage bei der Präsidentenwahl.

Die FPÖ disqualifiziere sich mit dieser Aktion außenpolitisch und es werde einmal mehr klar, was alles möglich gewesen wäre, hätte FPÖ-Kandidat Norbert Hofer die Bundespräsidentwahl gewonnen. Wenn so etwas bei einer Regierungsbeteiligung der FPÖ herauskomme, "haben wir es alle lustig", meinte Niedermühlbichler

Spekulationen, wonach die FPÖ-Kontakte nach Moskau auch der finanziellen Unterstützung der Freiheitlichen bei den nächsten Nationalratswahlen dienen könnten, kommentierte Niedermühlbichler harsch. "Ich hoffe doch, dass die FPÖ nicht so weit sinkt, sich von Russland finanzieren zu lassen. Wenn, dann wäre das ein Skandal erster Güte."

Auch der Kärntner Landeshauptmann und stellvertretende SPÖ-Bundesparteivorsitzende Peter Kaiser kritisierte den "FPÖ-Selfie-Trip nach Russland".

Grüne: "Fünfte Kolonne Putins"

"Nur zwei Wochen nach der Bundespräsidenten-Wahl kehrt die FPÖ unübersehbar auf ihren europafeindlichen Kurs zurück", kommentierte die Grünen-Chefin Eva Glawischnig die Russland-Reise. Der Grüne Abgeordnete Karl Öllinger sprach gar von der "fünften Kolonne Putins in Europa".

"Stärkung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude"


In der insgesamt zehnteiligen Vereinbarungzwischen der FPÖ und der Putin-Partei ist vor allem Punkt sechs interessant. Hier erklären FPÖ und Einiges Russland bei "Jugend-, Frauen-, Bildung-, Hilfs- und anderen gesellschaftlichen Organisationen" zusammenarbeiten zu wollen und zwar mit dem Ziel der "Stärkung der Freundschaft und der Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude".

Bei der Formulierung "Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus" handelt es sich um eine klassische Formulierung, die sich bei "Einiges Russland" immer wieder findet - sie steht auch ganz in der Tradition sowjetischer Rhetorik, bei der der Verweis auf Patriotismus immer zentral stand.

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Die Vereinbarung, die "rechtlich nicht bindend" sein soll, sondern lediglich "das Interesse der beiden Seiten am Zusammenwirken" zum Ausdruck bringen soll, wurde von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einerseits und Sergej Schelesnjak , stellvertretender Sekretär des Generalrates von Einiges Russland, andererseits unterzeichnet. Schelesnjak ist in der Putin-Partei für internationale Kontakte zuständig und steht seit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland auf der EU-Sanktionsliste. Der ehemalige PR-Profi zählt zu Putins erweitertem Zirkel und ist jener Duma-Abgeordneter, der das massiv umstrittene Gesetz eingebracht hat, wonach ausländische NGOs als "Agenten" qualifiziert und grundlos geschlossen werden können.

Das Präsidium des Generalrates von Einiges Russland hat dem Abschluss der Vereinbarung bereits am 28. November und damit vor der Bundespräsidentenwahl in Österreich zugestimmt. Gültig ist der Vertrag demnach zunächst für fünf Jahre, wobei sich dieser Zeitraum "für die nachfolgenden 5-jährigen Zeiträume automatisch verlängert, bis eine der Seiten die andere Seite im Voraus, mindestens 6 Monate vor dem Ablauf der entsprechenden Gültigkeitsdauer, schriftlich über ihre Absicht benachrichtigt, die Vereinbarung zu beenden".

Gute Kontakte nach Russland

Es ist nicht das erste Mal, dass die FPÖ die Nähe zu Russland sucht. Bereits in den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu gegenseitigen Besuchen. Nach Ausbruch der Ukraine-Krise 2014 besuchte etwa eine Delegation um Parteichef Heinz Christian Strache die russischen Freunde. Johann Gudenus wetterte auf einer Veranstaltung in Moskau in fließendem Russisch schon mal gegen die "Homosexuellenlobby" und reiste zur umstrittenen Volksabstimmung auf der Krim als "Wahlbeobachter" - so die damalige Eigendefinition - an.

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Zuletzt hatte Heinz Christian Strache das Vorgehen Russlands im syrischen Bürgerkrieg verteidigt. "Dank der Russen wurde Aleppo vom IS befreit und dadurch der Terror gegen die Bevölkerung gemildert", schrieb Strache auf Facebook. Eine Einschätzung, der selbst Parteikollege Andreas Mölzer nicht ganz folgen kann. Es handle sich wohl um eine "Überinterpretation" sagte dieser am Montag zur APA. Er nimmt an, dass man damit die russische Position unterstützen wolle, wonach eine Lösung in Syrien nur mit Präsident Bashar al-Assad möglich sei.

Der Austausch zwischen den Parteien sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Spekulationen, wonach auch finanzielle Hilfen aus Russland fließen würden. Die FPÖ wies das bislang stets zurück. Derartige Gerüchte würden wohl daherrühren, dass der französische Front National über Vermittlung einer russischen Bank Geld bekommen habe, sagte Mölzer am Montag.

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Catch-all-Partei, Partei der Macht, unideologische Zentristen-Partei: Die Begriffe, mit denen sich Edinaja Rossija, auf deutsch „Einiges Russland“, beschreiben lässt, sind vielfältig. Die Kernaussage ist allerdings immer dieselbe: Die Partei, die mit Putins Amtsantritt zur Jahrtausendwende aus der Taufe gehoben wurde, ist ein Kunstprodukt – sie wurde ausschließlich zur Sicherung seiner Macht gegründet und verfügt deshalb auch über keine ideologisch gefestigte Ausrichtung.

Kurz vor der Machtübergabe von Boris Jelzin an den damals noch unbekannten Geheimdienst-Chef Putin wurde die Partei mit einem bis dato beispiellosen administrativen und finanziellen Aufwand gegründet – begleitet von einer medialen Kampagne, die den russischen Bürgern eine Ablösung der Ära Jelzin und den Aufbruch in ein neues Zeitalter suggerieren sollte. Tatsächlich änderte sich wenig: „Einiges Russland“ entstand aus der Verschmelzung zweiter etablierter Parteien, wurde aber ideologisch entkernt – übrig blieb ausschließlich die Fokussierung auf den neuen, jungen Präsidenten, der Antithese zum unbeliebten Boris Jelzin.

"Sex fürs Vaterland"

Dabei steht „Einiges Russland“ ganz in der Tradition der KPdSU, die über 70 Jahren dem Personenkult gehuldigt hat; auch in puncto Fokussierung auf die Staatsmacht ist man sich ähnlich – die Partei, die mehr als 2 Millionen Mitglieder zählt, trägt mittlerweile stark nationalkonservative Züge. Das hat man besonders stark an der Jugendorganisation "Die Unsrigen" gemerkt, die als Gegenbewegung zur ersten Orangen Revolution in der Ukraine aus der Taufe gehoben wurde: "Nashi", so die Bezeichnung auf russisch, bediente einen massiven Putin-Personenkult und propagierte ganz offen die Verbreitung der "russischen Rasse" - so wurde auf Jugendcamps die Parole ausgegeben, "Sex fürs Vaterland" zu haben, und auch Möglichkeiten dafür wurden dort geschaffen. 2013 hat man die Organisation faktisch aufgelöst; ihr Gründer Wladislaw Surkow ist derzeit Chefberater Putins.

Nur mehr "Systemopposition"

Seit ihrer Gründung war „Einiges Russland“ darauf bedacht, ihre Macht stetig auszubauen. Mittlerweile herrscht sie uneingeschränkt: Seit 2003 ist sie stärkste Kraft in der Duma, derzeit besetzt sie 343 von 450 Sitzen, zudem stellt sie 76 der 85 Gouverneure der russischen Republiken. Immer wieder wurde dabei der Vorwurf der Wahlfälschung gegen sie laut; eine Kritik, der man mit staatlich getragenen Anti-Oppositions-Kampagnen begegnete.

Ohnehin ist die Opposition seit 2003 im Rückzug, derzeit gibt es nur mehr eine sogenannte „Systemopposition“: Die drei neben „Einiges Russland“ in der Duma vertretenen Parteien - dazu zählen die Kommunisten ebenso wie die extrem rechten Liberaldemokraten - sind zwar nicht an der Regierung beteiligt, tragen deren Kurs aber beinahe vollinhaltlich mit.

Die „nicht-systemische“ Opposition hat kaum Einfluss mehr – sie ist nicht in den demokratischen Gremien vertreten; und auch in den russischen Medien, die bis auf regional tätige Ausnahmen allesamt auf dem Kreml ausgerichtet sind, wird nicht über sie berichtet.

Seit 2007 setzte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf eine Annäherung seiner Partei mit Russland: Nachdem die FPÖ Russland im Georgien-Krieg 2008 verbal unterstützt hatte, hochrangige FPÖ-Politiker das umstrittene "Krim-Referendum" 2014 beobachteten, ist die politische Kooperation mit der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen FPÖ und Kreml-Partei "Einiges Russland" nun am Höhepunkt angekommen.

Zu Beginn seiner politischen Laufbahn hatte Strache noch die Schleifung des "Heldendenkmals der Roten Armee" am Wiener Schwarzenbergplatz gefordert, das der damals 22-jährige FPÖ-Bezirksrat in Wien-Landstraße im Mai 1992 als ein "mit allen ideologischen Symbolen versehenes Triumphmal eines ideologischen Eroberers" bezeichnete. "Der Zerfall bzw. die Selbstauflösung der Sowjetunion machen es Wien und Österreich erstmals möglich, selbst über die Zukunft des Denkmals zu entscheiden", formulierte Strache einen Antrag, der von der Bezirksvertretung Wien-Landstraße mehrheitlich abgelehnt wurde.

Die Initiative des Nachwuchspolitikers Strache stand in einer jahrzehntelangen Tradition seiner Partei, die seit der Gründung in den 1950er-Jahren stets stramm antisowjetisch aufgetreten war. Die Abneigung war wechselseitig - auch sowjetische Medien wetterten wiederholt gegen die österreichische Partei, die ihr Negativimage zunächst auch im postsowjetischen Russland bewahrte.

Noch 2000 kritisierte etwa der für seine radikalen Sprüche bekannte Rechtspopulist Wladimir Schirinowski, der gleichzeitig als Kreml-nah gilt, die FPÖ-Beteiligung an der österreichischen Bundesregierung und wollte selbst nicht mit dem damaligen FPÖ-Obmann Jörg Haider verglichen werden. Obwohl Haider als Kärntner Landeshauptmann vor allem wirtschaftlich motivierte Kontakte nach Russland pflegte, war von politischen Partnerschaften der FPÖ mit russischen Parteien zunächst keine Rede.

Erst der seit 2005 amtierende Parteichef Strache und sein Umfeld zeigten wirkliches Interesse an Russland. Straches Vize Johann Gudenus, der zuvor bereits Russisch-Sommerkurse in Moskau absolviert hatte, studierte etwa 2005 an der Diplomatischen Hochschule MGIMO, einer wichtigen Kaderschmiede der russischen Politik. Zwischen Oktober 2006 und März 2010 betätigte sich der FPÖ-Politiker zudem im Osthandel und leitete eine zwischenzeitlich liquidierte Firma in Wien, die im Besitz eines russischen Staatsbürgers stand.

Sichtbare politische Annäherungsversuche der FPÖ begannen 2007: Im Mai erklärte FPÖ-Chef Strache, dass Russlands Präsident Wladimir Putin in Österreich herzlich willkommen sei und im Dezember gratulierte er "Einiges Russland"zum Sieg bei den russischen Parlamentswahlen.

Die wirkliche Kehrtwende kam im August 2008: Ohne erkennbare innenpolitische Relevanz hatte Strache damals Verständnis für den Einmarsch russischer Truppen in Georgien gezeigt, der zuvor von der westlichen Staatengemeinschaft heftig kritisiert worden war. Diese Positionierung der österreichischen Partei scheint im Kreml registriert worden zu sein: Es folgten Treffen von FPÖ-Vertretern mit hochrangigen Vertretern der regierenden Partei "Vereintes Russland", im Dezember 2008 reiste Strache offiziell nach Moskau.

Die Kontakte zwischen der FPÖ und Russland rissen danach nicht mehr ab, hochrangige Delegation der Partei reisten wiederholt nach Russland, statteten 2012 etwa Tschetscheniens Potentaten Ramsan Kadyrow einen umstrittenen Besuch ab. Eine deutliche Intensivierung der Wien-Moskau-Achse ließ sich 2014 beobachten, parallel zu einer zunehmend außenpolitischen Isolierung Russlands im Zusammenhang mit seiner Ukraine-Politik.

Straches Stellvertreter Gudenus pilgerte in diesem Jahr wiederholt in den Osten, er gab einen der "Wahlbeobachter" des umstrittenen "Krim-Referendums" im März 2014, mit dem Russland die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel zu legitimieren versuchte. Ganz im Sinn einer konservativen Kreml-Politik wetterte Gudenus im September 2014 bei einem Kongress in Moskau gegen die "Homosexuellenlobby" und die Zerstörung der Familie, wenige Tage später trat er als Beobachter bei Lokalwahlen in St. Petersburg auf und wurde vom dortigen Gouverneur empfangen.

2015 setzte eine gewisse Beruhigung ein - Gudenus sagte etwa im März seine Teilnahme an einem Rechtsextremistenkongress in St. Petersburg ab. Die FPÖ forderte zwar regelmäßig die Beendigung von EU-Sanktionen gegen Russland, die im Zusammenhang mit der Annexion der Krim und der russischen Rolle in der Ostukraine beschlossen worden waren, auffällige Reiseaktivitäten waren lange Zeit nicht mehr zu beobachten. Bis im Dezember 2016 die FPÖ-Führungsspitze überraschend nach Moskau reiste, um hier mit der Kreml-Partei "Einiges Russland" eine Kooperation einzugehen.