Neutralitätsgebot für die einen, "Lex Islam" für die anderen
Das 35 Seiten umfassende Arbeitsprogramm, auf das sich SPÖ und ÖVP geeinigt haben, polarisiert. Insbesondere das Verbot der Vollverschleierung (Burka und Niqab) im öffentlichen Raum – inklusive Schulen. Auch die als Kopftuch-Verbot interpretierbare Regel, dass uniformierte Polizistinnen, Richterinnen und Staatsanwältinnen neutrale Kleidung zu tragen haben, sorgt für Diskussionen.
Während das "Burkaverbot" laut Integrationsministerium auch bei Touristinnen Anwendung finden soll (siehe oben), setzte sich Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) mit einer anderen Forderung nicht durch: Lehrerinnen dürfen zwar nicht vollverschleiert sein, das Kopftuch bleibt aber erlaubt.
Zwar kam die SPÖ dem Koalitionspartner punkto Symbolik entgegen, mit dem Verbot der Vollverschleierung kann man aber auch bei den Sozialdemokraten leben. Sie sei immer gegen Burka und Niqab gewesen, erklärt Integrationsstaatssekretärin Muna Duzdar, SPÖ. Diese seien "Ausdruck einer fundamentalistischen Auslegung der Religion".
Zudem sei ein "Kopftuch-Verbot" mit keinem Wort im Arbeitsprogramm erwähnt – vielmehr handle es sich beim geplanten Reglement um ein Neutralitätgebot.
Erwartungen
Ein solches würde zwar auch die Richtervereinigung begrüßen. Präsident Werner Zinkl hofft aber, dass damit auch für das christliche Kreuz in den Verhandlungssälen die Tage gezählt sind. In dieselbe Kerbe schlägt Verfassungsjurist Theo Öhlinger.
Für Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) ist ein Kopftuch-Verbot für Richterinnen und Staatsanwältinnen jedenfalls kein Thema. Sei doch deren Berufskleidung durch Talar und Barett ohnehin klar geregelt.
In der muslimischen Gemeinde fallen die Reaktionen unterschiedlich aus. Während etwa Ibrahim Olgun, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, eine "Trumpisierung" der österreichischen Politik befürchtet und vor einer "Lex Islam" warnt, begrüßt der Verein "Türkische Kulturgemeinde" (TKG) das Neutralitätsgebot im öffentlichen Dienst.
"Religionsfreiheit ist nicht verhandelbar", betont Olgun. Das Kopftuch sei "weder religiöses noch politisches Symbol".
"Wir bitten den Präsidenten, diese theologische Tatsache auch in Moscheen zu verbreiten und konservative Moslems darüber zu informieren", kontert die Kulturgemeinde. Seien doch "weder Niqab noch Burka durch den Koran gedeckt". Viel mehr handle es sich um "regionale, traditionelle Bräuche". Religiöse Symbole sollten auf den privaten Bereich beschränkt werden, meint man bei der TKG.
Kritik an Rot-Schwarz üben indes auch die Muslimische Jugend (MJÖ) und das "Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft". Die politische Mitte drifte zusehends nach rechts ab, lautet die Kritik.