Neos zu FPÖ-Favorit: „Wer Hearings ernst nimmt, wählt Hauer nicht“
Wer Andreas Hauer als Professor an der Linzer Uni kennt, lobt ihn über den grünen Klee: hochqualifiziert, sattelfest im Verfassungsrecht, fair.
Wer den FPÖ-Favoriten beim Hearing für die beiden freien Posten am Verfassungsgerichtshof gesehen hat, wählt ihn trotzdem nicht, sagt Neos-Vize-Klubobmann Nikolaus Scherak: „Es gab wesentlich bessere Kandidaten. Wer die Hearings ernst nimmt, wählt Hauer nicht.“
Die Neos wollen jetzt mit der SPÖ über einen gemeinsamen Vorschlag der Opposition verhandeln. Auch die SPÖ will eine Alternative zum Vorschlag von ÖVP und FPÖ, die im Parlament eine Mehrheit haben. Dass sich Türkis und Blau schon vor den Hearings festgelegt haben sollen, sei in Hinblick auf andere Top-Juristen unter den 41 Bewerbern „nicht in Ordnung“, betont Scherak. Er bemerkt aber anerkennend, dass Anwalt Michael Rami, der zweite FPÖ-Favorit, am Dienstag im Hearing einen „guten Auftritt“ hingelegt habe.
Rami soll am 15. März im Bundesrat gewählt werden, Hauer am Donnerstag im Nationalrat.
Reputation des VfGH
Hauer ist ein umstrittener Kandidat: Da wäre etwa seine Mitgliedschaft bei der schlagenden Verbindung „Corps Alemannia Wien zu Linz“. Laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) ist diese teilweise dem deutschnationalen Milieu zuzuordnen, es herrsche bei den Corps aber „innere Meinungsvielfalt“. Dass sich Hauer beim Hearing im Nationalrat zur „Volksnation Österreich“ bekannt hat (der KURIER berichtete), sei zumindest ein Zeichen, dass er selbst kein Deutschnationaler ist. Das "Corps Alemannia" ist nach eigenen Angaben auch nicht Mitglied bei den deutschen Burschenschaften, sondern beim Kösener Corps.
Und dann wären da noch seine Aussagen über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Hauer hat in einem Aufsatz, der 2012 erschienen ist, die Judikatur des EGMR „mitverantwortlich für die multikriminelle Gesellschaft“ gemacht. Damit sei er als Höchstrichter „nicht tragbar“, sagte Verfassungsjurist Heinz Mayer am Montag zum KURIER. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sei gefordert, ein Veto einzulegen – sonst „schlägt das auf die Reputation des VfGH zurück“.
Diese Einschätzung teilt Rechtsanwaltskammer-Präsident Rupert Wolff: „Hauers Haltung gegenüber dieser internationalen Institution könnte ein Problem für den VfGH darstellen, der ebenso internationales Ansehen genießt. Vor allem, weil die Kritik absolut nicht angemessen war.“
Laut Wolff ist die aktuelle Kontroverse um die parteipolitische Bestellung der Höchstrichter „ein Auftrag an den Bundespräsidenten und Bundeskanzler Sebastian Kurz, das Prozedere zu überdenken und in Zukunft transparenter zu gestalten“.
Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, sagt: „Ich kann nur hoffen und gehe davon aus, dass die politisch Verantwortlichen genau schauen, dass jemand, der für ein so hohes Amt berufen wird, Grundrechte und Menschenrechte respektiert.“
(Raffaela Lindorfer und Bernardo Vortisch)
Der frühere Justizminister und Vizekanzler Wolfgang Brandstetter ist jetzt Verfassungsrichter. Präsidentin Brigitte Bierlein hat ihn am Dienstag angelobt. Brandstetter ist auf einem ÖVP-Regierungsticket der Nachfolger des zum Vizepräsidenten aufgestiegenen Christoph Grabenwarter.
Brandstetter wird direkt in die aktuelle März-Session des VfGH einsteigen. Unter anderem stehen dort die niederösterreichische Mindestsicherung auf dem Plan: Die Richter beraten darüber, ob Deckelung und Wartefrist verfassungskonform sind. Betroffen sind davon vor allem Asylberechtigte.
Die Session findet erstmals unter der Leitung von Brigitte Bierlein statt, die bereits vergangene Woche als neue VfGH-Präsidentin und Nachfolgerin von Gerhart Holzinger angelobt wurde.
Bedenken wegen politischer Vergangenheit
Weil Brandstetter bis Dezember 2017 noch Justizminister war, hat seine Ernennung Kritik hervorgerufen - könnte er doch nun über angefochtene Gesetze mitentscheiden, die er selbst verantwortet oder mitbeschlossen hat. Bierlein verweist auf die Praxis am Gerichtshof: Jeder Verfassungsrichter, bei dem der Anschein einer Befangenheit entstehen könnte, nehme sich selbst aus dem Fall heraus. Bei der Angelobung hob sie Brandstetters „optimistische Grundhaltung, extreme Belastbarkeit und sachbezogene Argumentation“ hervor.
Der Waldviertler Brandstetter ist (und bleibt auch als Verfassungsrichter in reduziertem Umfang) Professor für Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsstrafrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Dorthin wechselte er 2007 von der Uni Wien, an der er Jus studiert, sich 1991 habilitiert hat und von 1998 bis 2007 eine Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht innehatte. Von 1998 bis 2014 war er auch Strafverteidiger, vor allem in großen Wirtschaftscausen, des ehemaligen kasachischen Botschafters Rachat Alijew oder von Ex-Kanzler Werner Faymann ( SPÖ) in der Inseratenaffäre. Von Dezember 2013 bis Dezember 2017 war er Justizminister, von Mai bis Dezember 2017 auch Vizekanzler. Seit Kurzem ist Brandstetter auch - ehrenamtlich - Präsident des Filmarchivs Austria.