Politik/Inland

Nach Schüssel-Rückzug: ÖVP in der Krise

Michael Spindelegger hatte in den vergangenen Tagen wenig Grund zur Freude. Mit der SPÖ steht seine Partei in Sachen Vermögenssteuern und Wehrpflicht im Dauer-Clinch. Und aufgrund der Telekom-Affäre hat Ex-VP-Kanzler Wolfgang Schüssel sein Mandat zurückgelegt.

Zumindest für einige Stunden kann der ÖVP-Obmann am Mittwoch die innerparteilichen und innenpolitischen Schwierigkeiten gedanklich beiseite schieben. Denn für den Außenminister steht ein "Highlight" im Terminkalender. Der praktizierende Katholik nimmt an einer Generalaudienz des Papstes teil - und hat danach "die große Ehre, den Heiligen Vater auch persönlich zu treffen", wie es gestern in Spindeleggers Umfeld hieß. Spätestens nach seiner Rückkehr aus dem Vatikan muss sich der schwarze Frontmann aber wieder mit der Frage befassen, wie er die ÖVP auf die Siegerstraße bringen will.

Denn der Rücktritt von Wolfgang Schüssel kann - so sind sich Experten einig - nur ein erster Schritt gewesen sein. Oder wie es Politik-Berater Thomas Hofer formuliert: "Man hat damit eine Front von vielen Fronten geschlossen." Der Opposition sei die Möglichkeit genommen worden, Schüssel im Parlament bei der Sondersitzung am kommenden Dienstag als Zielscheibe für allerlei Inszenierungen zu benutzen. "Aber zu glauben, dass damit das Problem erledigt ist, wäre naiv", warnt Hofer.

Auch der Politologe Peter Filzmaier meint, dass in der Telekom-Causa und anderen Korruptionsaffären "fast täglich oder zumindest wöchentlich neue Fakten" auftauchen.
Zu wenig Infight Die ÖVP betont, dass Schüssel selbst nichts angelastet werden könne. Und dass die Partei in die Telekom-Affäre verstrickt sei, wies Klubchef Karlheinz Kopf gestern brüsk zurück. Er ortet darin Versuche, Schwarz-Blau für immer "unmöglich zu machen". Hofer kritisiert, die ÖVP sei bei dem Thema "viel zu wenig mit der FPÖ und dem BZÖ in den Infight gegangen".

Die Debatte über Korruptionsfälle in der Ära Schwarz-Blau ist aber längst nicht das einzige Problem der Schwarzen. In der Diskussion über Vermögenssteuern ist die ÖVP völlig in der Defensive, auch beim Wehrpflicht-Streit sind die Roten wieder tonangebend.

Nur Reaktion

Filzmaier und Hofer resümieren: "Die SPÖ agiert und die ÖVP reagiert." Ob und wie sinnvoll diverse Vorschläge und Ideen der Roten seien, sei dahingestellt. Aber sie würden es zumindest schaffen, Themen zu setzen. Das sei der ÖVP "praktisch seit den Landtagswahlen im vergangenen Jahr" nicht gelungen, urteilt Filzmaier.

In der ÖVP gibt man hinter vorgehaltener Hand zwar die missglückte Kommunikation bei der Vermögenssteuer zu - will aber "keine Schnellschüsse machen. Wir werden zeitgerecht ein Steuermodell vorlegen, das den Mittelstand entlastet", kündigt ein Insider an. Auch ein anderer ÖVP-Mann setzt auf Zeit. "Die Situation ist derzeit zwar nicht lustig, aber es wird ja auch noch nicht morgen gewählt. Das Meinungsklima kann sich rasch wieder drehen."

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner betrachtet die Misere der ÖVP nüchtern: "Wir müssen einfach schauen, dass wir auf die Sachebene zurückkommen." Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wählt das Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" - die SPÖ sei schuld, dass beim Thema Wehrpflicht nichts weitergehe: "Ich habe den Eindruck, dass die SPÖ überhaupt nicht an einer Reform des Heeres interessiert ist." Kanzler Werner Faymann wirft sie vor, er agiere nur als Partei- und nicht als Regierungschef. Apropos Chef: Traut die Innenministerin ihrem Parteiobmann zu, das Ruder für die ÖVP herumzureißen? "Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt", sagt Mikl-Leitner. Der ÖVP-Obmann sei ein "konsequenter Arbeiter und ein profunder Sachpolitiker", der nach Lösungen suche.

Wie könnte die Lösung der ÖVP-Krise aussehen? Hofer rät Spindelegger, beim Kampf gegen die Korruption (Anti-Korruptionsgesetze, Parteienfinanzierung etc.) voranzugehen. Die Partei könnte auch für all ihre Spitzenvertreter einen Verhaltenskodex aufstellen.

Filzmaier empfiehlt den Schwarzen, auf ihre Kernthemen Sicherheit, Wirtschaft und Familie zu setzen. Hat Spindelegger das Zeug dazu, die Trendwende für seine Partei zu schaffen? "An seiner persönlichen Integrität gibt es keine Zweifel", sagt Filzmaier. Die Frage sei aber, ob Spindelegger nur ein braver Verwalter oder ein Gestalter sei. "Bisher hat er den Schritt vom Verwalter zum Gestalter noch nicht geschafft."