Politik/Inland

Wahl-Beisitzer "wollen nicht mehr"

Dass nach dem Urteil der Höchstrichter das Wahlrecht reformiert werden muss, ist offensichtlich. Vor der Stichwahl geht sich das allerdings nicht mehr aus. Und so müssen die Behörden sich darauf vorbereiten, den Urnengang nach den geltenden Regeln unfallfrei über die Bühne zu bringen – eine Herausforderung, vor allem, was die Beisitzer betrifft. Mancherorten geht die Angst vor neuem Chaos um.

Zwar ist jede Bezirkswahlkommission seit der Nationalratswahl 2013 fix mit je neun Beisitzern und Ersatzmitgliedern aus den Parteien besetzt. Diese können aber jederzeit aussteigen – was jetzt, nach dem Verfahren am Verfassungsgerichtshof (VfGH), vielerorts befürchtet wird.

"Sorge ist berechtigt"

"Es war schon immer schwierig, die Beisitzer zum Kommen zu motivieren. Die Situation wird jetzt sicher nicht einfacher", sagt etwa Christoph Platzgummer, Bezirkshauptmann von Kufstein. 67 Zeugen hatten im VfGH ja geschildert, was in ihren Behörden schiefgelaufen war.

Viele Beisitzer müssen jetzt auch strafrechtliche Konsequenzen fürchten, da sie Protokolle falsch beurkundet haben. "Es ist davon auszugehen, dass einige Beisitzer nicht mehr wollen", sagt auch der Leibnitzer Bezirkschef Manfred Walch.

Für Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer ist diese Sorge berechtigt: "Ich habe auch schon von einigen gehört, dass sie nicht mehr wollen." Die Parteien seien jetzt gefragt, ihre Leute zu mobilisieren. Dem Vorschlag von Innenminister Wolfgang Sobotka, Beisitzer analog zum Schöffensystem bei Gericht zu bestellen, kann er nichts abgewinnen. Mödlhammers Vorschlag geht in Richtung Zuckerbrot und Peitsche: "Die wahlwerbenden Parteien sollen dazu verpflichtet werden, genügend Beisitzer zu stellen. Dafür sollte es einen besseren finanziellen Anreiz geben." Einen österreichweit einheitlichen Richtsatz, an dem sich die Gemeinden und Bezirke orientieren können, hielte er für sinnvoll.

Und jetzt die Peitsche: Wenn die Beisitzer dann nicht kommen, sollen die Parteien eine Art "Strafe" zahlen. "Ein Geldbetrag, der dafür verwendet wird, die Entlohnung eines Gemeindebediensteten abzudecken", führt der Gemeindebundpräsident aus. Diese Regelung könne im Parlament "relativ rasch" umgesetzt werden – noch vor der Wahlwiederholung, meint Mödlhammer.

Für einen höhere finanzielle Entschädigung für Beisitzer plädieren auch die Klubchefs von ÖVP und SPÖ, Reinhold Lopatka und Andreas Schieder. Lopatka schlägt vor, dass Beisitzer "100 Euro für einen Wahlsonntag bekommen. Ich hielte das für gerechtfertigt".

Derzeit ist regional unterschiedlich geregelt, wie viel die Beisitzer bekommen. Es sind maximal 45 Euro.

Sobotka contra Kern

Mehr Geld allein wird nicht reichen, um die Probleme zu beseitigen. Das Innenministerium plant allerdings Nachhilfe in Sachen Wahlordnung. Der bestehende Leitfaden für die Behörden aus dem Ministerium soll überarbeitet werden. In den Bezirken wird das durchwegs begrüßt. Und man gelobt Besserung. "Diesmal machen wir alles nach dem Buchstaben des Gesetzes", verspricht Platzgummer aus Kufstein. Eines sei dann aber auch klar: "Wir brauchen, so lange wir brauchen. Korrektheit geht vor Zeitdruck."

Apropos korrekt. Innenminister Wolfgang Sobotka hatte ja angekündigt, er werde bei der OSZE Wahlbeobachter anfordern – für jene 14 Bezirke, in denen beim VfGH-Verfahren Mängel festgestellt worden waren. Gestern schränkte der Ressortchef ein, dass er der OSZE nichts anschaffen, sondern "nur informell Wünsche äußern" könne. Wie und was geprüft werde, entscheide die OSZE selbst. Bundeskanzler Christian Kern hält von einer OSZE-Prüfung nichts, weil er um den Ruf Österreichs fürchtet.

Sobotka kann das nicht nachvollziehen. Er attestierte dem Regierungschef gestern "Unkenntnis". Wahlbeobachter würden "zum ständigen Prozedere gehören", sie würden vor jeder Wahl eingeladen werden – und seien diesen Einladungen auch meist gefolgt. Auch Lopatka befindet: "Es ist überhaupt nicht blamabel, wenn bei uns Wahlbeobachter sind. Blamabel wäre es nur, wenn sie schwere Missstände feststellen würden." Wahlbeobachtung sei auch in hoch entwickelten Demokratien üblich.

2010 und 2013 waren offizielle OSZE-Kontrollmissionen bei Wahlen in Österreich. Bei den beiden Hofburg-Wahlgängen im Frühjahr waren auch Beobachter hier – allerdings nur zum Info-Austausch.