Politik/Inland

"Time to say goodbye": Pilz will jetzt einmal Journalist werden

„Es könnte knapp werden!“ – in der Wahlzentrale der Liste Jetzt im 6. Wiener Bezirk waren am späten Nachmittag die üblichen aufmunternden Parolen an Wahlsonntagen zu hören.

Vegane Häppchen wurden vorbereitet, und gedämpfter Austropop säuselte aus den Boxen. Vor dem Lokal auf der Rahlstiege hatte derweil ein kleines Grüppchen von Klima-Aktivisten Aufstellung genommen. Sie skandierten verlegen ihre Parole „Exstinction Rebellion“ (Rebellion gegen Auslöschung, Anm.). Mit der Situation der Liste Jetzt habe dies aber nichts zu tun, beteuerten die Jugendlichen, es sei nur eine Probe.

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Jene Jetzt-Aktivisten und Pilz-Fans, die draußen noch die herbstlichen Sonnenstrahlen genossen, fühlten sich ohnehin nicht gestört, von "Auslöschung" war schon gar keine Rede. An Hoffnung und Zweckoptimismus mangelte es nicht.

Als die erste Hochrechnung auf der Videowall erschien, war das orientalische Lokal mehr als gut gefüllt. Gejubelt wurde dann tatsächlich, und das sogar ausgiebig. Aber nur, als das katastrophale Ergebnis der FPÖ eingeblendet wurde. Als die 1,8 Prozent für die eigene Partei aus der ersten Hochrechnung aufschienen, blieb es dann aber totenstill. Vereinzelt hörte man leises Fluchen oder ein verärgertes "Auswandern". Das gute Ergebnis der Grünen konnte die wenigsten aufrichten.

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Die Enttäuschung fasste Bundesgeschäftsführerin Herta Emmer vor Ort zusammen: "Wir sind mitten im Wachstumsprozess erwischt worden." Die vorgezogene Nationalratswahl sei einfach zu früh gekommen, "nach all den Kinderkrankheiten", sagte Emmer. Trotzdem sei es richtig gewesen, die Neuwahl anzustreben.

Noch am Vormittag, bei der Stimmabgabe, hatte sich Spitzenkandidat Peter Pilz trotzig gezeigt. Durch seine Dauerpräsenz in den TV-Debatten glaubte er, das Ruder trotz schlechter Umfragewerte noch einmal herumreißen zu können. Er meinte: "Wir holen die ganze Zeit auf." Ob er nach der Wahl zu den Grünen zurückkehren könnte? "Niemals", sagte Pilz da schon.

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Enttäuschung

Vor zwei Jahren schaffte Pilz einen Coup, als er nach seinem abrupten Abschied von den Grünen mit einer eilig zusammengestellten Namensliste die Grünen aus dem Nationalrat und sich selbst wieder hinein schickte.

Nun hat es der 65-jährige Langzeitabgeordnete, nach einigen internen Querelen und "Hoppalas", wie es Parteichefin Maria Stern heute nannte, ein Mal zu viel versucht, den Einzug in den Nationalrat zu schaffen. "Ich bin natürlich enttäuscht", sagte Pilz dann am Wahlabend in der Hofburg. Man habe zuletzt zwar eine Aufholjagd gestartet, aber: "Wir haben letztlich etwas zu wenig Zeit gehabt."

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Seitenwechsel

Ob das Ergebnis auch das generelle Aus für seine Liste bedeutet, wollte Pilz nicht beantworten. "Viele werden jetzt sagen, ,lass uns bei der Wien-Wahl antreten‘ – aber das ist derzeit nicht meine Sorge", sagte Pilz.

Zur Überraschung der anwesenden Journalisten kündigte der 65-jährige Steirer dann an, nun selbst Journalist zu werden. "Ich wechsle jetzt mal kurz die Seiten und werde ein Kollege von Ihnen, ob Ihnen das passt oder nicht", erklärte er. Künftig werde er sich um sein Onlineportal zack.zack.at kümmern.

Bei der Wahlparty schwankte derweil die Stimmung musikalisch zwischen "Time to say goodbye“ und "I will survive“. Und dann wurde es fast unwirklich: Sowohl Parteichefin Maria Stern als auch Pilz wurden von den Mitstreitern wie Wahlsieger empfangen und bejubelt.

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"Knoblauch-Ketten" für Kogler

Mit Fehlersuche hielt  sich der 65-Jährige, der mit dem Falco-Klassiker "Der Kommissar" und "Peter, Peter, Peter"-Rufen empfangen wurde, wie gewohnt nicht lange auf. Das, wovor er immer gewarnt habe, trete nun ein: „Die einzige harte und konsequente Opposition wird die FPÖ sein.“ Denn die Grünen "müssen in die Regierung", meinte Pilz in seiner Rede. Seinem früheren Parteikollegen Werner Kogler empfahl er für allfällige Regierungsverhandlungen, "sich riesige Knoblauch-Ketten umzuhängen." Denn ÖVP-Chef Sebastian Kurz neige dazu, "seine Koalitionspartner auszusaugen", sagte Pilz.

Für sein eigenes politisches Projekt stelle sich jetzt die Frage: "Wie investieren wir mit dem, was wir haben, in eine politische Zukunft? Es werden sich einige überlegen, wie das Projekt Wien-Wahl aussieht.“

In den Süden

Doch zuerst werde er einmal mit seiner Frau nach Italien fahren. "Und ihr fahrt's ned mit", rief er und zwinkerte den rund fünfzig verbliebenen Anhängern zu.

Gut möglich, dass Pilz nach der Reise in den Süden die politische Realität anders beurteilt. Aber an diesem Abend wollte er die Stimmung nicht zusätzlich vermiesen. "Jetzt tuan ma einmal feiern", sagte er und beendete seine Rede.