Lukas Resetarits: "Hass auf Wien war immer irrational"
Von Ida Metzger
KURIER: Herr Resetarits, Sie haben als Major „Kottan“ eine Wiener Kultfigur verkörpert. Die Stadt ist immer wieder mit Anfeindungen konfrontiert. Woher kommt das Phänomen?
Lukas Resetarits: Ich fühle mich derzeit fatal an diesen Wien-Hass der Zwischenkriegszeit erinnert. Auch damals gab es eine Bekämpfung des roten Wiens. Dieser Hass und der Neid auf Wien war immer irrational. Damals galt Wien auch als Wasserkopf und Sündenpfuhl. Außerdem waren die Bürgerlichen immer dagegen, wenn sich etwa verändert in Wien. Ich erinnere daran, dass die ÖVP gegen die Donauinsel war und gegen den U-Bahnbau – wahrscheinlich mit der Begründung, ich gehe nicht auf die Donauinsel, weil ich wohne in Hietzing oder Döbling. Derzeit wollen die ÖVP und die FPÖ mit dieser Strategie nur Neuwahlen provozieren.
Warum wird gerade der Wiener als Provokation empfunden?
Es gibt natürlich unangenehme Menschen, denen man nicht begegnen will. Wenn ich im Urlaub in Hörweite von solchen Typen war, habe ich absichtlich nicht Deutsch gesprochen, damit sie mich nicht anreden. Aber der Großteil ist es nicht. Ich bin ein großer Verfechter der wienerischen Sprache, die leider bald ausstirbt. Das Jiddische, das Französische, das Ungarische oder auch das Kroatische hat sich im Wienerischen manifestiert. Davor hatte man früher große Scheu gehabt. Je mehr die Bildung in der Zweiten Republik in die Breite ging , umso geringer sind diese Ressentiments geworden. Deswegen finde ich es fatal, dass diese Anti-Wien-Stimmung von den Konservativen nun wiederbelebt wird.
Gab es in den vergangenen Jahren nicht auch viele Versäumnisse? Stichworte: Islamkindergarten, hohe Arbeitslosigkeit, liegt bei fast 13 Prozent.
Jede Großstadt zieht Obdachlose oder Menschen, die außerhalb der Gesellschaft stehen, an. Hier kann man leichter überleben, als beispielsweise in „Schasklappersdorf“. Dazu kommt: In den Nachländern wie in der Slowakei ist das Sozialsystem sehr schlecht und diese Menschen kommen nach Wien, weil wir in der EU sind. Das kann man Wien nicht zum Vorwurf machen. Natürlich gibt es auch Versäumnisse. Die Linken haben es versäumt, deutlicher über die illegale und legale Zuwanderung zu sprechen. Damit haben sie das Thema den Rechtsextremen überlassen. Damit meine ich nicht, dass die Wiener SPÖ in Simmeringer-Manier hätte agieren müssen, denn hier gibt es Anbiederungen an die FPÖ-Wähler. Nein, man hätte das Thema der Zuwanderung auf eine humane Art aufgreifen, aber auch abhandeln müssen.
Die Kritik der Regierung hat sich an der Mindestsicherung entladen, weil die Stadt Wien gegen das neue Mindestsicherungsgesetz vorgehen will. Zieht die hohe Mindestsicherung nicht tatsächlich zu viele Asylberechtigte und Menschen aus den Bundesländern an?
Das ist ja nicht wahr. Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer schreibt, es wird jetzt ein Kampf zwischen den Braven und den Arbeitslosen inszeniert. Die Arbeitslosen sollen sich anstrengen, damit sie raus aus der sozialen Hängematte kommen. Ich kenne so viele junge Menschen, die für einen Nasenrammel beim Empfang im Fitnesscenter oder im Gastgewerbe arbeiten. Jene, die der unteren Schicht die Sozialhilfe kürzen wollen, generieren Kriminalität. Wenn man schon nicht human denken möchte, dann sollte man zumindest so weit egoistisch denken, dass die betroffenen Menschen irgendwann vielleicht ihre Kinder für eine Wurstsemmel attackieren werden, wenn man sie aus dem Sozialnetz drängt. Ich frage mich, werden die Arbeitslosen aufgrund dieses Drucks alle Firmen gründen? Es gibt schon genügend Ein-Personen-Unternehmen, die am Hungertuch nagen.
Ist es dann nicht verwunderlich, dass gerade jene Menschen, die diese Verschärfungen am meisten betrifft, die Bundesregierung bejubeln?
Das ist ein schmerzhaftes Phänomen und rational nicht erklärbar. Man ist demjenigen, der auf derselben sozialen Ebene steht, etwas neidig. Aber diejenigen, die über einem stehen, bewundert man. Weil das ist das, was man erreichen kann. Das ist ein psychologisch kompliziertes Konstrukt. Wer wird den mehr gepäppelt? Die Reichen oder die Armen. Die Armen werden mit dem Argument „Steh’ früher auf und suche dir eine Arbeit“ ärmer gemacht. Aber das erkennen die Betroffenen nicht.
Sie haben eine Enkeltochter. Würden Sie Ihre Enkelin abends über den Praterstern spazieren lassen?
Sie geht über den Praterstern, aber ich würde ihr zur Vorsicht raten. Schon als es seinerzeit das Punk-Problem in der Gassergasse gab, war ich der Meinung, indem man die Menschen vertreibt, wird man das Problem nicht lösen. Auch ich sehe, wenn ich in Wien-Neubau zum „Stadtsaal“ unterwegs bin, dass Menschen aus der Slowakei und Ungarn herumliegen. Eines muss man sagen: Sauberkeit in allen Bereichen ist immer ein Slogan des Faschismus gewesen. Die 100 prozentige Sauberkeit ist im urbanen Bereich nie erreichbar. Es gibt Dinge, mit denen man auch leben muss. Man muss die Probleme bekämpfen und lösen, aber die radikalen Lösungen sind der Tod.
Lukas Resetarits: Ein Herzblut-Wiener
Das Urgestein
Seit 50 Jahren steht Lukas Resetarits (71) auf der Bühne. Seit 1977 spielt Resetarits, der im südburgenländischen Stinatz geboren ist, Solo-Kabarett und ist mittlerweile bei seinem 27. Programm angekommen. Mitte März startet sein neues Programm „Wurscht“.
Als die Familie aus dem Südburgenland nach Wien übersiedelte, war Lukas erst vier Jahre alt – und sprach damals kaum Deutsch. Nach einem abgebrochenen Studium der Psychologie arbeitete Resetarits zunächst als Bauhilfsarbeiter, Rocksänger und später acht Jahre lang als Flugzeugabfertiger. Seinen endgültigen Durchbruch schaffte er als Kult-Major in „Kottan ermittelt“. Seine Brüder sind Willi und Peter Resetarits.