Politik/Inland

Lockdown: Warnungen vor wirtschaftlichem Rückschlag

Bedauerlich aber unvermeidbar ist der neuerliche Lockdown in Österreich nach Ansicht der Wirtschaft und des ÖGB. Zugleich fordern alle Seiten Unterstützung. Die Oppositionsparteien kritisieren hingegen die Regierungsparteien harsch und werfen ihnen zu späte Maßnahmen vor.

"Das ist eine mehr als bedauerliche Maßnahme", sagte der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Knill, in einer Aussendung zum Lockdown. "Angesichts des dynamischen Infektionsgeschehens und der dramatischen Situation auf den Intensivstationen ist sie jedoch offenbar notwendig geworden und daher zu respektieren." Gleichzeitig müsse aber dafür Sorge getragen werden, dass es nicht wirtschaftliche Verwerfungen die Erholung der Wirtschaft und den Rückgang der Arbeitslosigkeit nachhaltig beeinträchtigen. "Vor allem die Produktion muss - schon im Interesse der Versorgungssicherheit im Land - am Laufen, und Lieferketten intakt gehalten werden", so Knill. "Andernfalls kommt zum gesundheitspolitischen auch noch ein herber wirtschaftlicher Rückschlag hinzu. Das können und dürfen wir uns nicht leisten."

"Die Entscheidung der Bundesregierung, Österreich in einen weiteren Lockdown zu schicken, ist zu akzeptieren", so ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian in einer ersten Reaktion auf die heutigen Ankündigungen. "Neben der Entlastung der Intensivstationen und der Reduktion der Infektionszahlen ist es aber von höchster Wichtigkeit, gerade jetzt nicht auf vom Lockdown besonders betroffene Gruppen zu vergessen", appelliert Katzian.

In Zeiten von explodierenden Energiepreisen bräuchten die Betroffenen zusätzliche finanzielle Unterstützung, um ihre Fixkosten abzudecken, wie sie der ÖGB erst kürzlich im Rahmen eines Winterpakets forderte, so Katzian. Weiters pocht der oberste Gewerkschafter darauf, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Trinkgeldbranchen, wo ein großer Teil der Lebensgrundlage von einem Tag auf den anderen wegbreche, "eine ordentliche steuerfreie Unterstützung bekommen, um die Kosten des täglichen Lebens abzudecken".

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WKÖ-Präsident Harald Mahrer vom ÖVP-Wirtschaftsbund lobte das Vorgehen der türkis-grünen Regierung: "Es ist ein richtiges und wichtiges Signal für die heimischen Betriebe und ihre Beschäftigten, dass die Regierung nun unsere Forderungen aufgreift und ein umfassendes Unterstützungspaket für Betriebe vorlegt." Generalsekretär Karlheinz Kopf, ÖVP-Wirtschaftssprecher im Nationalrat: "Nur, wenn die Betriebe und ihre Beschäftigten in dieser herausfordernden Situation jetzt die bestmögliche Unterstützung erhalten, ist es möglich, nach Aufhebung des Lockdowns weiter zu wirtschaften und damit Beschäftigung und Wachstum langfristig zu sichern."

"Es geht jetzt ums Überleben", griff die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Renate Scheichelbauer-Schuster, zu drastischeren Worten. "Wir tragen die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung mit. Klar ist aber: Das ist ein sehr, sehr harter Schlag für das Gewerbe und Handwerk, gerade kurz vor Weihnachten, der für viele Branchen wichtigsten Zeit im Jahr." Die Corona-Wirtschaftshilfen müssten "Ausfälle wirklich adäquat abgelten", so ihre Forderung. "Dieser Lockdown, der aus unserer Sicht zu verhindern gewesen wäre, bringt die Betriebe erneut in starke Bedrängnis und zum Teil an den Rand ihrer Belastbarkeit", beklagten die Vertreter des Fachverbandes Freizeit- und Sportbetriebe in der WKÖ, Astrid Legner und Wolfgang Suitner.

Vom Sozialdemokraten Christoph Matznetter hieß es: "Die Regierung darf grobe Fehler in der Pandemiebekämpfung nicht bei den Wirtschaftshilfen wiederholen." Die SPÖ habe laufend auf Coronahilfen und vor allem den Härtefallfonds für die Kleinsten gedrängt. Weil aber Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz "aus purem Machtkalkül und zwecks Stimmenfang die Pandemie mehrmals für beendet erklärte, musste die ÖVP an ihre eigene Propaganda glauben und hat keinerlei Vorbereitungen getroffen", kritisierte Matznetter. Nun zahlten die Menschen in Österreich "den höchsten Preis für das Versagen der Bundesregierung", so der SPÖ-Wirtschaftssprecher angesichts der aktuellen dramatischen Entwicklungen.

"Diese türkis-grüne Regierung fährt nun schon seit 20 Monaten die österreichische Wirtschaft permanent an die Wand. Dieser neuerliche Lockdown wird unsere Unternehmen noch weiter in die Knie zwingen und viele weitere Klein- und Mittelbetriebe werden den Kampf ums wirtschaftliche Überleben nun endgültig verlieren", kritisiert FPÖ-Wirtschaftssprecher Erwin Angerer. Das wäre nicht geschehen, wenn ÖVP und Grüne über die letzten Monate die groß angekündigten Unterstützungsleistungen den Unternehmern überwiesen hätten.

Die Neos sehen "tausende Unternehmerinnen und Unternehmer wieder vor dem Abgrund", wurde Wirtschaftssprecher Gerald Loacker in einer Aussendung zitiert. "Noch nie hat eine Regierung die Wirtschaft so gegen die Wand gefahren wie diese." Es sei eine "Schande", dass sich die Geschichte wiederhole. "Der Finanzminister hat es bisher nicht geschafft, faire, zielgerichtete und vor allem transparente Hilfsinstrumente aufzusetzen", kritisierte Loacker. "Dass nun offenbar auch beim vierten bundesweiten Lockdown das Chaos weitergehen soll und die teilweise schlecht aufgesetzten Instrumente des letzten Jahres verlängert werden, zeugt von der Lernresistenz dieser Bundesregierung."

Die Unternehmen und Selbstständigen kämen "unverschuldet in weitere wirtschaftliche Schwierigkeiten", so Elisabeth Götze, Wirtschaftssprecherin der Grünen. "Sie brauchen jetzt wieder entsprechende Unterstützung." Die Unternehmen bekämen so "die Sicherheit, die sie gerade jetzt wieder dringend brauchen.