Politik/Inland

Flüchtlinge: Ungarn hofft auf Hilfe aus Österreich

Am Grenzübergang Röszke entsteht gerade Europas neues Elendslager an der südöstlichen Grenze Ungarns.

Rund 300 Menschen kampieren derzeit vor der Transitzone Röszke in Zelten und Unterständen, weitgehend sich selbst überlassen. Dementsprechend unwirsch und unkooperativ agierten die ungarischen Behörden gestern beim Ministertreffen zwischen Innenminister Wolfgang Sobotka und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil an der ungarisch-serbischen Grenze.

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Medien sind unerwünscht in der Transitzone. Polizisten bauen sich vor den mitgereisten österreichischen Journalisten auf und weisen sie zurück. Es sollte nicht die letzte Schikane an diesem Tag bleiben. Nach den Misshandlungsvorwürfen gegen Flüchtlinge wollen die Ungarn weitere negative Berichterstattung verhindern.

Hier in Röszke sollen künftig 20 österreichische Polizisten im Zuge eines EU-Frontex-Einsatzes helfen, die Grenze zu sichern. Was vor zwei Tagen schon bekannt wurde, wurde beim Ministertreffen offiziell vereinbart. Die neue ungarisch-österreichische Kooperation geht auf die Initiative des Verteidigungsministers zurück.

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Auch Soldaten nach Ungarn

Die Ungarn brauchen dringend die Unterstützung der EU-Grenzschutzagentur Frontex bei der Sicherung der Außengrenze. Die Krux an der Sache: Frontex hat insgesamt nur 1500 Grenzschützer – für die gesamte EU-Außengrenze. "Das ist zu wenig. Deswegen brauchen wir hier mehr bilaterale Solidarität", waren sich Sobotka und Doskozil einig. Auch das österreichische Bundesheer will künftig Soldaten an die ungarisch-serbische Grenze schicken. In welcher Form der Einsatz passieren soll, wird bis Ende August entschieden. "Wir werden ein Team nach Ungarn entsenden, damit wir entscheiden können, ob der Einsatz militärisch oder humanitär sein wird", kündigte Doskozil an.

Denn die Lage spitzt sich weiter zu. Seit einigen Wochen steigt die Zahl der Flüchtlinge, die sich illegal von der Türkei durchschlagen, wieder deutlich an. Ungarn registrierte seit Jahresanfang rund 23.000 Flüchtlinge. Allein 1900 strandeten in der Vorwoche in Röszke und warten, durchgelassen zu werden. Doch durch die Schleuse werden täglich höchstens 20 Menschen eingelassen – nach mehr als undurchschaubaren Kriterien.

Keine Rückstellung

In der Frage der Rückstellung von Flüchtlingen aus Österreich nach Ungarn geht es aus der Sicht Österreichs nur sehr, sehr mühsam voran. Die Ungarn blockieren weiterhin. Doskozil drängt zwar auf eine Einigung, zeigt aber Verständnis für die ungarische Situation. "Die Dublin-Systematik ist in Bezug auf die Größe des Migrationsstromes nicht mehr durchführbar. Das System funktionierte vielleicht vor 10 Jahren", so Doskozil.

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Immerhin: Der ungarische Innenminister Sándor Pintér erklärte sich bereit, Flüchtlinge, die erstmals in Ungarn registriert wurden, wieder zurückzunehmen. Doch das sind wenige. Denn die Mehrheit wird bereits in Griechenland registriert. Doskozil strebt für das nächste Treffen einen Kompromiss an. Ziel ist, dass Ungarn, sobald die Notstandsverordnung gilt, die von Österreich abgewiesenen Flüchtlinge übernimmt. "Nur so funktioniert die Notstandsverordnung auch. Wir müssen europäisch denken und bilateral handeln", meint Doskozil.

Es wird also noch ein weiter Weg. Ein nächster Schritt soll am 26. Juli passieren, wenn Kanzler Christian Kern Ungarns Premier Viktor Orbán in Budapest trifft.

Das Verhältnis zwischen den beiden EU-Nachbarstaaten war zuletzt nicht immer das Beste. Bereits Kerns Vorgänger Werner Faymann (SPÖ) hatte Orban im September 2015 mit einem impliziten Holocaust-Vergleich verärgert. "Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben, sie würden ganz woanders hinfahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents", sagte Faymann damals gegenüber dem "Spiegel". Kurz zuvor hatten die ungarischen Behörden Schutzsuchenden am Budapester Keleti-Bahnhof erklärt, Züge würden sie nach Deutschland bringen, während diese in Wirklichkeit Kurs auf ungarische Flüchtlingslager nahmen.

"Autoritärer Führerstaat"

Kern selbst hatte kurz nach seinem Amtsantritt ebenfalls mit Aussagen zur Flüchtlingspolitik für ungarischen Unmut gesorgt. "Zu glauben, dass man bei der Asylproblematik das Problem wegzaubern kann, indem man den Eindruck vermittelt, dass Reformen bedeutet, Österreich in einen autoritären Führerstaat zu verwandeln, ist eine Illusion", sagte Kern damals in Bezug auf den Erfolg des FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer. "Nicht einmal der Herr Orban kann sich wünschen, die Flüchtlinge wegzubeamen, wie wir anhand der jüngsten Entwicklungen sehen." Der österreichische Botschafter in Budapest war daraufhin ins ungarische Außenministerium zitiert worden. Man habe den Ungarn erklärt, Kern sei missverständlich zitiert worden, sagte Außenamtssprecher Thomas Schnöll damals.

Zuletzt sorgten auch wechselseitige Kontrollen der ungarisch-österreichischen Grenze auf beiden Seiten für Unmut. Zudem weigert sich Budapest, nach Österreich eingereiste Flüchtlinge, für die laut der sogenannten Dublin-Verordnung eigentlich Ungarn zuständig wäre, zurückzunehmen. Am heutigen Donnerstag wollen Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ), Möglichkeiten einer gemeinsamen Sicherung der ungarisch-serbischen Grenze sowie einer Rücknahme von Dublin-Flüchtlingen durch Ungarn ausloten.

(APA)