Politik/Inland

ÖVP-Pläne: Wer die Pflege in Zukunft finanzieren soll

AUPV. Dieses Kürzel könnte Eingang in das Innenpolitik-Glossar finden, zumindest, wenn Sebastian Kurz der nächsten Regierung wieder angehört und sein Pflegemodell bei den Koalitionsverhandlungen durchsetzt.

AUPV steht für "Allgemeine Unfall- und Pflegeversicherung". ÖVP-Chef Kurz will nämlich im Rahmen der Sozialversicherung eine Pflegekasse einführen. Der Ex-Kanzler hat gerade die 21 Sozialversicherungsträger auf fünf reduziert – die neue Pflegekasse soll die Zahl der Trägerorganisationen nicht erhöhen.

Kurz will die Allgemeine Unfallversicherung AUVA zur Pflegekasse ausbauen. "Damit stärken wir die AUVA", heißt es in der ÖVP.

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Eine Stelle für alles

Tatsächlich hatte es um die Sinnhaftigkeit einer eigenen Trägerorganisation zur Unfallbehandlung Diskussionen gegeben. Denn der ursprüngliche Zweck der Behandlung und Versorgung von Arbeits-Unfallopfern ist gegenüber den Freizeitunfällen in den Hintergrund getreten.

Die Pflege ist derzeit auf Bund, Länder, Gemeinden aufgeteilt. Mit der Pflegekasse soll es nur mehr eine einzige Anlaufstelle für die – nach ÖVP Wunsch – künftig Pflegeversicherten und deren Angehörige geben. Und an diesem "One stop shop" sollen sowohl Pflegeleistungen als auch alle Informationen rund um die Pflege erhältlich sein – bis hin zu der Frage, wie man günstig an ein (teures) Pflegebett kommt.

ÖVP-Frauenchefin Juliane Bogner-Strauß und ÖVP-Seniorenbundobfrau Ingrid Korosec schwebt ein unbürokratischer Zugang zu Pflegediensten vor: Über die eCard soll man Pflegekräfte finden bzw. anfordern können.

Auch eine Auszeit für pflegende Angehörige soll der Hausarzt über die eCard organisieren und eine Pflegeersatzkraft anfordern können.

Kurz erzählt anlässlich der Präsentation seines Pflegemodells, er werde auf seiner Bundesländertour auf kein Thema so oft angesprochen wie auf dieses. Er verspricht eine nachhaltige Finanzierung, die niemanden zusätzlich etwas kostet.

"Wenig glaubwürdig" findet der schwarze Arbeiterkammer-Präsident von Vorarlberg, Hubert Hämmerle, Kurz’ Rechnung, vor allem in Hinblick auf die zu erwartenden Ausgabensteigerungen.

Kurz will vorerst die Arbeitgeberbeiträge, die in die Unfallversicherung fließen, heranziehen. Wegen der sinkenden Zahl der Arbeitsunfälle hatte Türkis-Blau geplant, dem Wunsch der Wirtschaft nach einem Absenken der Unfallversicherungsbeiträge von 1,2 auf 0,8 Prozent der Lohnsumme nachzugeben. "Das kommt nun nicht", sagt Kurz. Er will dieses Geld in die Pflege fließen lassen.

Es geht um rund 500 Millionen (die derzeit 1,2 Prozent bringen 1,4 Milliarden).
Prompt protestiert die Industriellenvereinigung gegen "zu hohe Lohnnebenkosten", übrigens in diesem Punkt im Gleichklang mit der Gewerkschaft.

Der zweite und größere Anteil der Pflegefinanzierung soll aus dem Bundesbudget und damit aus dem allgemeinen Steuertopf kommen. Derzeit gibt der Staat 2,5 Milliarden für das Pflegegeld und insgesamt 4,7 Milliarden für Pflege aus.

Sebastian Kurz bleibt trotz Kritik dabei, eine Versicherung sei die beste Lösung für die Pflege. Kurz: "Das Sozialversicherungssystem funktioniert im Grunde gut, viele beneiden uns darum."

Bemerkenswert

Diese Aussage ist an sich bemerkenswert von einem Ex-Kanzler, der sich der größten Sozialversicherungsreform rühmt, um die Ineffizienzen in diesem System zu beseitigen. Bemerkenswert ist aber auch die Reaktion der SPÖ, die Kurz gerade wegen dessen Kassenreform vorgeworfen hatte, "ein bewährtes System zu zerstören".

Jetzt schlägt Kurz eine neue Sozialversicherung vor – und nun ist die SPÖ dagegen. Sie forciert eine ausschließliche Steuerfinanzierung für die Pflege.

Selbst dass die Versicherungsbeiträge im ÖVP-Modell nur von Arbeitgebern kommen, nennt die SPÖ "absurd". Gewerkschafterin Barbara Teiber: "Die Zuständigkeit für Pflege zur AUVA zu schieben ist so, als würden Sie jemanden mit Bauchschmerzen zum HNO-Arzt schicken, weil der gerade Zeit hat."