Politik/Inland

Koalition: Viel Klein-Klein, Großes wird vertagt

Einen neuen Stil, große Reformen – das haben Rot und Schwarz versprochen. Doch je mehr aus den Verhandlungen durchsickert, desto deutlicher wird: weder stilistisch noch inhaltlich ist die neue Regierung innovativ.

Tief greifendes meidet sowohl SPÖ-Chef Werner Faymann als auch ÖVP-Chef Michael Spindelegger: aus Rücksicht auf die jeweils eigene Klientel – und wegen des Widerstands aus der Partei. In der ÖVP etwa jenem von Bünden und Ländern.

Und so greifen Kanzler und Vizekanzler zu einem altbekannten Mittel: Essenzielles wird vertagt. Etwa eine Lösung in Sachen „Gemeinsame Schule“ der 10- bis 14-Jährigen. Die SPÖ möchte sie, die ÖVP will aber nicht vom achtjährigen Gymnasium lassen.

Zudem wird es etliche Arbeitsgruppen geben. Eine soll sich mit der „Verländerung“ aller Lehrer befassen. Das Gros der Landeshauptleute will das, die Bundes-ÖVP ist nicht abgeneigt, die Bundes-SPÖ dagegen. Gruppe Nummer 2 berät die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern: Sie soll eine Verwaltungsreform (weg mit Doppelgleisigkeiten etc.) ersinnen, obwohl es dazu seit Jahren Vorschläge gibt. Ebenso in eine Arbeitsgruppe verlagert werden der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern sowie die Steuerreform. Ob der Geldnot werden Bürger wohl erst gegen Ende der fünfjährigen Regierungsperiode – also kurz vor der nächsten Wahl – entlastet.

Nicht zugewartet wird mit dem, was rasch Geld bringt: mit höheren Steuern. Staatssekretär Reinhold Lopatka sprach im ORF-Report von einem insgesamt „guten Ergebnis“. Die wesentliche Reform der künftigen Regierung sei, dass der Haushalt stabil bleibe. Dazu werde jeder Österreicher mit durchschnittlich zehn Euro pro Monat belastet.

Anderweitig ringen Kanzler und Vize, unterstützt von den Finanz-Chefverhandlern, noch um Konsens. Etwa in Sachen:

Privatisierung Die ÖVP will Konkretes in den Koalitionspakt schreiben, also Firmen, die verkauft werden könnten, benennen (Post, Telekom). Die SPÖ lehnt das bisher ab.

Unternehmen Wieder umstritten sind Inhalte des „Wachstumspakets“ – wegen ihrer Finanzierbarkeit. Vor allem die ÖVP-Wirtschaftsbündler drängen auf eine „Gründerfinanzierung“ oder Investitionsanreize. Sie erinnern Parteichef Spindelegger an sein Wahlkampf-Mantra: Die Wirtschaft müsse „entfesselt“ werden. Durchgesetzt hat sich der Wirtschaftsbund bei der Firmen-Abgabe: Obwohl schon ausverhandelt, ist ab der elften Überstunde eines Mitarbeiters nun doch kein Euro pro Stunde zu zahlen.

Wohnbauförderung Sie wird wieder zweckgewidmet und fließt rein in den Wohnbau. Nach dem Ende der Zweckwidmung 1999 hatten die Länder die Mittel für alles Mögliche verwendet.

Frühförderung Debattiert wird über ein zweites Pflicht-Kindergartenjahr – für jene, die es etwa wegen Sprachdefiziten brauchen.

Tabaksteuer Die Verhandler wollten die Einnahmen daraus für Gratis-Zahnspangen für Kinder verwenden. Das Geld fließt nun ins Budget.

Wie lange noch verhandelt wird, ist offen. Es sieht aber danach aus, dass Bundespräsident Heinz Fischer die neue Regierung kommende Woche angeloben kann.

Keine neuen Steuern! Dieses Wahlkampfversprechen wird eingehalten. Dafür werden bestehende Steuern kräftig erhöht. Am meisten greift der Fiskus bei den Autofahrern hin, der erwartbare Aufschrei der Industrie setzt bereits ein.

Bei der Normverbrauchsabgabe (NoVa), die beim Autokauf anfällt, soll der relativ neue CO₂-Malus weiter erhöht werden. Damit werden Autos mit einem hohen Schadstoffausstoß teurer. Welches Auto konkret um wie viel, lässt sich derzeit noch nicht sagen – die Details sind noch offen. An zusätzlichen Einnahmen für das Budget peilen die Koalitionsverhandler hier 50 bis 100 Millionen Euro pro Jahr an.

Um bis zu 250 Millionen Euro geht es bei der Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer. Sie soll gestaffelt steigen – je nach Stärke des Motors. Details sind offen. Erhöht wird auch die Tabaksteuer: Vermutlich in drei Jahres-Schritten um insgesamt 45 Cent. Das bringt 2014 rund 80 Millionen Euro. Teurer werden auch Sekt und Schnaps.

Was Entlastungen angeht, ist Geduld bis in die zweite Hälfte der Legislaturperiode angesagt. Ideen gibt es viele: SPÖ und ÖVP wollen den Eingangssteuersatz von 36,5 Prozent auf 25 Prozent senken. Die ÖVP will die Wirtschaft ankurbeln, um die Steuerreform zu finanzieren, die SPÖ auch Vermögenssteuern.