Knill: Nächste Regierung muss entschiedenere Standortpolitik machen
IV-Präsident Georg Knill wünscht sich für seine zweite Amtszeit als Chef der Industriellenvereinigung von der künftigen Regierung vor allem eine entschiedenere Standortpolitik, um Österreich für Investoren attraktiver zu machen. Die Überlegungen von SPÖ-Chef Andreas Babler zu einer Erbschafts- und Vermögenssteuer seien "standortschädlich", kritisierte Knill am Dienstag vor Journalisten in Wien.
Der 51 Jahre alte steirische Industrielle Georg Knill (Knill Gruppe) ist seit 2020 Präsident der Industriellenvereinigung, und er wird es auch für die nächsten vier Jahre bleiben - bei der Wahl am Donnerstag im Rahmen der Bundesvorstandssitzung ist er der einzige Kandidat. Als Vizepräsidenten wollen ihm weiterhin Sabine Herlitschka (Infineon) und Peter Mitterbauer (Miba) zur Seite stehen. Philipp von Lattorff (Boehringer Ingelheim) ist seit Mitte Mai Mitglied des Forschungsrates und will nicht mehr für die Vizepräsidentschaft kandidieren. Neue Vizepräsidentin soll statt ihm Siemens-Österreich-Chefin Patricia Neumann werden.
Knill ist seit 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der steirischen Knill Gruppe und Aufsichtsratsvorsitzender der Rosendahl Nextrom GmbH. Die Industriellenvereinigung wiederum ist eine freiwillige und unabhängige Interessenvertretung der österreichischen Industrie und der mit ihr verbundenen Sektoren. Oft sitzt sie mit den Sozialpartnern bei wichtigen Themen mit am Tisch. Die IV hat gut 5.000 Mitglieder aus produzierendem Bereich, der Kreditwirtschaft, Infrastruktur und industrienaher Dienstleistung.
Die Industrie befinde sich bereits seit vier Quartalen in einer Rezession, beklagte Knill. Industrie, produzierendes Gewerbe und Bau würden sich unter massivem Kostendruck befinden. "Das Preis-Leistungs-Verhältnis, in das sich Österreich hineinmanövriert hat, stimmt nicht mehr", so der IV-Chef, "wobei nicht die Leistungstangente das große Problem ist, sondern die Preistangente". Insbesondere die Lohnstückkosten seien durch die drei letzten KV-Abschlüsse massiv gestiegen. Das sei nicht das Verschulden der Bundesregierung, sondern ein Ergebnis der Sozialpartnerschaft. Mittlerweile seien die Lohnstückkosten in Österreich höher als in Deutschland, die Lohnnebenkosten seien höher als jene der deutschen Nachbarn. Neue Steuern und Abgaben wären "Gift für den Standort", warnt Knill.
Auch die Energiekosten seien im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch, dazu kämen auch hohe Bürokratiekosten - die Gefahr einer Deindustrialisierung dürfe nicht schöngeredet werden: Investitionsentscheidungen würden immer öfter zugunsten anderer Länder fallen.
Von der aktuellen Regierung erwartet sich der IV-Chef angesichts des angelaufenen Wahlkampfs nicht mehr viel. Es sei schon erkennbar, "dass diese Bundesregierung nicht mehr ganz so viele Dinge weiterbringt wie sie weiterbringen sollte". So vermisse man weiterhin die Strompreiskompensation für das letzte Jahr. Dabei gehe es um 250 Mio. Euro, und das sei ein Standortnachteil gegenüber vielen anderen europäischen Ländern.
Exportvolumen vervielfacht
IV-Generalsekretär Christoph Neumayer warnte vor Überlegungen zu einem "Öxit", also einem EU-Austritt Österreichs. "Diese EU ist eine Erfolgsgeschichte", sagte Neumayer. "Seit wir der EU beigetreten sind, hat sich unser Exportvolumen vervielfacht, von 42 Milliarden auf 194 Milliarden im Jahr 2022. Ein Viertel unserer Arbeitsplätze in Österreich hängt am Binnenmarkt." Was den Industriellen an der EU missfällt, ist die Bürokratiebelastung gerade für kleine und mittlere Unternehmen, etwa im Zusammenhang mit dem "Green Deal" der EU. "Unsere Kritik am Green Deal entzündet sich daran, dass wir eine Reihe von Gesetzesmaterien unkoordiniert auf die Unternehmen haben losprasseln lassen." Ein mittelständisches, exportorientiertes Unternehmen in Österreich könne diese Richtlinien unmöglich erfüllen.
Knill stellt der aktuellen Regierung insgesamt ein gutes Zeugnis aus, sie werde "unter ihrem Wert geschlagen". Auch der Autogipfel von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sei "wertvoll und wichtig und richtig" gewesen - immerhin würden von der Autoindustrie in Österreich mindestens 270.000 Jobs direkt abhängen. Das entspreche ungefähr der Bedeutung des Tourismus.
Weniger gut bewertet Knill die Arbeit von Energieministerin Leonore Gewessler von den Grünen, die es verabsäumt habe, sich um Alternativen zu russischem Gas zu kümmern. Energie werde in den nächsten Jahrzehnten sehr teuer bleiben, ist Knill überzeugt. "Wir haben und wir werden viel zu wenig grünen Strom und Energie haben."