Politik/Inland

Kein Asylbescheid: Rollstuhlfahrerin als "Gefahr" für Kroatien

Das Urteil des Europäischen Gerichtshof ist für viele EU-Staaten richtungsweisend, was ihre Abschiebepraxis betrifft. Und für die viele Flüchtlinge – NGOs sprechen von "mehreren Hunderten" – hat das dramatische Folgen, sagt Petra Leschanz vom Verein "Border Crossing Spielfeld", der sich um jene kümmert, die über die Balkanroute in die Steiermark gekommen sind. "In Kroatien gibt es keine Chance auf ein faires Verfahren", wirft die Juristin den Behörden vor. Dem Verein liegen rund 50 Fälle von Asylwerbern vor, die bereits dorthin abgeschoben wurden. Ungeachtet ihrer individuellen Asyl-Geschichte finde sich bei allen derselbe Textbaustein: Sie stellten "ein Sicherheitsrisiko" dar und müssten das Land verlassen.

Der kroatische Sicherheitsdienst hat zum Beispiel Angst vor Sanaa, einer 41-jährigen, zweifachen Mutter aus dem Irak, die im Rollstuhl sitzt. Sie war zunächst in Oberösterreich, wurde dann aber nach Kroatien abgeschoben – dort wurde ihr Asylantrag abgelehnt.

Österreichische Justiz am Zug

Die Behörden berufen sich im Bescheid auf Geheimdienstinformationen, den Betroffenen wird deshalb die Einsicht in etwaige Unterlagen verwehrt. "Sie wissen nicht, was ihnen vorgeworfen wird, und können sich nicht verteidigen", kritisiert Juristin Leschanz.Kaum Chancen auf AsylZum Vergleich: In Österreich kann jemandem nur dann das Recht auf Asyl aberkannt werden, wenn er wegen eines Verbrechens, auf das mehr als drei Jahre Haft stehen (etwa schwere Körperverletzung), rechtskräftig verurteilt ist.

Dass es bei der Asylpraxis der Kroaten eine massive Schieflage geben könnte, zeigen laut "Border Crossing Spielfeld" auch die Asylzahlen: Während in Österreich mehr als 90 Prozent der Antragsteller aus Syrien Asyl gewährt bekommen, sei es in Kroatien genau umgekehrt: Laut Schätzungen werden 90 Prozent der Syrer abgelehnt.

Laut Juristin Leschanz ist jetzt die heimische Justiz gefragt: Seit einem Jahr sind mehrere Verfahren anhängig, weil Betroffene wegen der Zustände in Kroatien einer Abschiebung entgehen wollen. "Die Berichte sind derart schwerwiegend, dass die österreichischen Gerichte daran nicht vorbeikommen", glaubt Leschanz.

Ihre Kollegin Birgit Roth, die auch die Irakerin Saana betreut, besucht am Wochenende ein Lager in Kroatien und überbringt die schlechte Nachricht. "Viele haben bis zuletzt gehofft, dass ihre Abschiebung für rechtswidrig erklärt wird und sie eine neue Chance bekommen", sagt sie.