Justizminister will das Erben einfacher machen
Von Maria Kern
Justizminister Wolfgang Brandstetter hat ermittelt, welche Reformen er in seinem Ressort angehen möchte. Am Mittwoch präsentierte er sein Urteil: Groß-Verfahren sollen beschleunigt, das Strafgesetzbuch sollte überarbeitet, das Weisungsrecht geändert werden. Und: Das zum Teil aus dem 19. Jahrhundert stammende Erbrecht soll reformiert werden.
Im Fokus steht dabei der Pflichtteil, also der Rechtsanspruch auf ein Erbe für nahe Verwandte und Ehepartner. Den wird es zwar weiterhin geben, allerdings könnten Hinterbliebene künftig etwas länger warten, bis sie an ihr Erbe kommen. Quasi Erben auf Raten. "Wir wollen verhindern, dass Familienbetriebe im Zuge einer Erbschaft zerschlagen werden", erläutert Brandstetter.
Ein Beispiel: Ein Unternehmer – verheiratet, ein Sohn, zwei Töchter – stirbt. Laut Testament wird der Sohn als Alleinerbe eingesetzt. Töchter und Ehefrau wurden nicht im Testament bedacht. Sie haben aber Anspruch auf den Pflichtteil (ohne Testament würden die Kinder zwei Drittel, die Ehefrau ein Drittel erben. Ihr Pflichtteil beträgt jeweils 50 Prozent davon, der Rest wird laut Testament aufgeteilt).
Der Pflichtteil soll künftig nicht sofort ausbezahlt werden müssen. "Er kann zum Beispiel auf fünf Jahre gestundet werden", erklärt Georg Kathrein, Leiter der Zivilrechtssektion im Justizministerium. Auch Ratenzahlungen wären möglich, sagt Brandstetter.
Die Änderungen sollen nicht nur gelten, wenn ein Unternehmen vererbt wird, sondern auch, wenn es um ein Privathaus geht. Erbt ein Mann etwa das Haus der Eltern, soll er den Pflichtteil an Geschwister auch erst nach einer gewissen Frist oder in Raten auszahlen müssen.
Partner und Pfleger
Geplant ist weiters, dass Lebensgefährten ins Erbrecht aufgenommen werden. Derzeit gibt es ohne Trauschein oder Verpartnerung (homosexuelle Paare) keinen gesetzlichen Erbanspruch. Ebenso angedacht ist, dass pflegende Angehörige einen Erbteil bekommen. Die Höhe soll sich an der Pflegeleistung orientieren, sagt Kathrein.
Wie all das genau geregelt wird, ist offen. An den Details wird derzeit im Justizministerium gearbeitet. Brandstetter will, dass die Reform noch heuer beschlossen wird. In Kraft treten könnte das novellierte Erbrecht Mitte 2015 oder Anfang 2016.
Schöffengerichte sind - neben den Geschworenengerichten - die zweite Form der in der Verfassung vorgesehenen Rechtsprechung unter Mitwirkung des Volkes. Schöffensenate aus zwei Laien- und einem Berufsrichter sind zuständig für Delikte mit mehr als fünf Jahren Strafdrohung, für die nicht Schwurgerichte zuständig sind, und einzelne andere Straftaten. Pro Jahr gibt es rund 3.800 Schöffenverfahren. 3.790 Verfahren wickelten 2013 Schöffengerichte ab, 2012 waren es 3.750, geht aus einer Information des Justizministeriums hervor.
Die Schöffengerichte sind in der Verfassung verankert. Laut Artikel 91 entscheiden "bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, die das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen Verbrechen und Vergehen Geschworene über die Schuld des Angeklagten" - und "im Strafverfahren wegen anderer strafbarer Handlungen nehmen Schöffen an der Rechtsprechung teil, wenn die zu verhängende Strafe ein vom Gesetz zu bestimmendes Maß überschreitet".
Dieses Maß sind fünf Jahre Freiheitsstrafe, damit fallen z.B. auch große Wirtschaftsverfahren in die Schöffen-Kompetenz. Aber auch einzelne Delikte mit geringerer Strafdrohung - räuberischer Diebstahl, minderschwerer Raub, geschlechtliche Nötigung, sexueller Missbrauch eines Unmündigen oder Amtsmissbrauch - wurden den Schöffengerichten durch die Strafprozessordnung übertragen.
Reform
Die Schöffensenate wurden im Lauf der Zeit immer weiter verkleinert, von ursprünglich vier Berufsrichtern auf zuletzt einen. Diesen Schritt des Sparpakets 2009 möchte Justizminister Brandstetter zumindest teilweise wieder zurücknehmen und den zweiten Berufsrichter, den "Beisitzer", wieder einführen.
In Juristenkreisen wird dies seit längerem verlangt. Denn ein Schöffen-Urteil kann nicht umfassend angefochten werden. Berufungen gegen die von Laienrichtern vorzunehmende Tatsachenfeststellung und die Beweiswürdigung sind nicht möglich. Nur Rechtsmittel zu den Rechtsfragen (die Höhe der Strafe und wegen Verfahrensmängeln) beim Obersten Gerichtshof (OGH) sind zulässig.
Im Verfahren obliegt dem Berufsrichter die Leitung des Prozesses, die Schöffen haben aber dieselben Stimmrechte in der Entscheidung über Verfahrensfragen und das Urteil. Entschieden wird mittels Abstimmung. Für das Urteil wird zuerst über die Schuld abgestimmt und im Fall des Schuldspruches dann über die Strafe. Gegen die Stimme des Berufsrichters kann kein Schuldspruch gefällt werden. Stimmen beide Schöffen für die Unschuld und der Berufsrichter für die Schuld, wird der Angeklagte freigesprochen.
Ehrenamt
Zu Schöffen können alle Staatsbürger im Alter zwischen 25 und 65 Jahren berufen werden. Das Amt ist ein Ehrenamt, die Mitwirkung des Volkes an der Rechtsprechung eine Bürgerpflicht. Von dieser kann man etwa wegen besonders schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Belastung befreit werden; jedenfalls ausgenommen sind Personen, bei denen die geistigen und körperlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, Vorbestrafte und gewisse Berufsgruppen (z.B. Mitglieder der Bundesregierung, Volksanwälte, Richter und Staatsanwälte).
Wer Schöffe wird, wird alle zwei Jahre nach dem Zufallsprinzip ausgelost - und zwar zunächst vom Bürgermeister aus dem Kreis der in die Wählerevidenz eingetragenen Personen. Daraus wird eine "Jahresliste" erstellt, aus der der Präsident des Landesgerichts in öffentlicher Sitzung jeweils für ein Kalendervierteljahr beider Jahre die "Dienstlisten" der Schöffen auslost.