Politik/Inland

Junge Kandidaten für junge Wähler

Keine Partei will im Nationalratswahlkampf alt aussehen. Für ein jugendliches Image sollen junge Kandidaten sorgen. Alle Parlamentsparteien haben Neulinge unter 30 Jahren auf aussichtsreichen Plätzen positioniert – nur das Team Stronach setzt eher auf reifere Personen.

Der KURIER stellt die interessantesten Jung-Politiker vor, die vor allem um die Stimmen der rund 1,2 Millionen Wahlberechtigten unter 30 Jahren buhlen wollen.

Beim Bundesparteirat der SPÖ Anfang August nahm eine junge Frau das Mikro in die Hand – und redete vor Kanzler Werner Faymann und mehr als 400 Genossen, als wäre sie schon lange im Polit-Geschäft. Tatsächlich ist Katharina Kucharowits erst auf dem Sprung in den Nationalrat. Die 29-jährige Chefin der „Jungen Generation“ engagiert sich seit acht Jahren für die Roten. Was gefällt ihr an der Partei? „Dass die SPÖ für Chancengerechtigkeit und Gleichberechtigung eintritt“. Das kann Kucharowits ab Herbst selbst tun – im Hohen Haus, das sie gut kennt. Sechs Jahre lang hat sie dort als parlamentarische Mitarbeiterin gewerkt. „Wohnen, Arbeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ sind Themen, die der Lehramtsstudentin (Mathematik, Psychologie, Philosophie) am Herzen liegen. Konkret wünscht sich Kucharowits „mehr geförderte Wohnungen, höhere Einstiegsgehälter für junge Menschen, einen bezahlten Papa-Monat und mehr Kinderbetreuungseinrichtungen“. Welche Koalition präferiert sie? „Rot-Grün fände ich spannend, aber eher wird es wieder eine große Koalition geben.“

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„Schwarz-Grün hat einen gewissen Charme“, meint Lukas Schnitzer (ÖVP). Das ist wenig verwunderlich, hat doch der Vater des 25-jährigen Jus-Studenten 2010 bei der Gemeinderatswahl in Hartberg für die Grünen kandidiert. Schnitzer Junior, Chef der Jungen ÖVP Steiermark, befindet aber, „auch Schwarz-Rot kann funktionieren. Die Steiermark zeigt es vor.“ An der ÖVP gefällt ihm, „dass sie eine Mitte-Partei ist“. Auch die Familienpolitik sagt ihm zu. Ihn persönlich interessieren „Fragen der Generationengerechtigkeit, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik und das Thema Bürgerbeteiligung“. Der einstige Schüler-Staatsmeister im 800-Meter-Lauf glaubt dran, „dass die ÖVP den ersten Platz schafft“. Was treibt ihn an? „Man kann jammern, wenn einem etwas nicht passt oder man kann mitarbeiten. Ich will etwas bewegen.“

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Die Bekannteste unter den Jung-Kandidaten ist zweifellosSigrid Maurer (Bild). Die 28-jährige Tirolerin war während der „Uni brennt“-Bewegung ÖH-Vorsitzende und kandidiert nun für die Grünen – „weil sie die einzigen sind, die nicht im Korruptionssumpf verschwunden sind und auf der Seite der Schwachen stehen.“ Die Soziologie-Studentin, die gerade an ihrer Bachelor-Arbeit schreibt, wird voraussichtlich die Rolle der Wissenschaftssprecherin einnehmen. „Die Unis brauchen mehr Geld“, lautet eine ihrer Forderungen. Zwei Prozent des BIP sollten es sein. „Davon sind wir weit entfernt.“ Und ihre Partei sollte sich weiter links positionieren, befindet Maurer. „Mein Anspruch ist, dahin zu wirken, dass die Grünen wieder radikaler auftreten“, etwa in Fragen der Verteilungsgerechtigkeit.Mit der Parteiführung hochzufrieden ist hingegenMaximilian Krauss. Der Jus-Student aus Wien, der für die Freiheitlichen antritt, nennt Heinz-Christian Strache sogar als sein Vorbild. Seine Forderungen sind auch praktisch ident mit jenen des FPÖ-Chefs. Eine davon: „Der Anteil der Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache in Schulklassen soll maximal 30 Prozent betragen.“ Derzeit würden „in manchen Klassen 80 bis 90 Prozent Ausländer“ sitzen. Will er tatsächlich dass Kinderschänder „chemisch kastriert“ werden, wie er in einer Aussendung gefordert hat? „Der Kinderschutz muss oberste Maxime sein. Die Rückfallquote bei Kinderschändern ist exorbitant hoch. Da muss man drüber diskutieren können, wie man Kinder schützen kann.“ Das will Krauss demnächst also im Parlament tun. Der 20-Jährige, der bereits mit 19 Jahren zum FPÖ-Chef in Wien-Josefstadt avancierte, wäre übrigens der jüngste Abgeordnete, den es je im Hohen Haus gegeben hat.

Gesundheitsvorsorge ist „ein Herzensanliegen“ der BZÖ­lerin Michaela Hatvan (28). „Wir müssen mehr Mittel in die Prävention investieren“, doziert die Niederösterreicherin, die in der BZÖ-Zukunftsakademie werkt und als Beraterin für Ernährung, Gesundheit und Sport tätig ist. Ob sie sich dafür einsetzen kann, ist fraglich. Das BZÖ kämpft ums Überleben. „Ich bin überzeugt, dass wir den Einzug schaffen.“ Warum kandidiert Hatvan für die Orangen? „Josef Bucher geht es um die Sache. Er ist gegen den Reformstau.“ Was sagt der Vater, ein ÖVPler dazu, dass die Tochter für das BZÖ rennt? Hatvan schmunzelt: „Mittlerweile akzeptiert er es.“

Wer sich der Wahl stellt

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Nach dem Schlagabtausch um die Pensionisten haben SPÖ und ÖVP nun eine neue Zielgruppe im Wahlkampf entdeckt – die Jugend. Via Gratiszeitung versprach die SPÖ am Mittwoch eine Öffi-Freifahrt für alle Jugendlichen in ganz Österreich. „Das wird im SPÖ-Wahlprogramm drinnen sein“, bekräftigte Parteimanager Norbert Darabos bei der Präsentation der neuen Plakatkampagne (siehe unten). Er sei für eine Ausweitung der Schüler- und Lehrlingsfreifahrt auf die Zielgruppe der Studenten. Abends schaltete die Partei aber einen Gang zurück. Dann war nur noch von einem billigeren Ticket für alle Jugendlichen die Rede.

Die ÖVP stieg auch in die Debatte ein: „Es war die Idee von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, dass auch Studenten ein günstiges Jugendticket erhalten sollen“, hieß es aus seinem Ministerium. Das habe man bereits vor einem halben Jahr angeregt. Gleichzeitig weite man die derzeit nur in der Ostregion (Wien, NÖ, Burgenland) gültige Aktion ab September auf alle Bundesländer aus. Sobald das passiert sei, „werden wir die Ausweitung für die Studenten angehen“, sagte Mitterlehner. Schon bisher subventioniert sein Ressort die Jugendtickets mit 400 Millionen Euro pro Jahr. Zahlen alle Studenten künftig nur noch 19,60 Euro jährlich (statt wie etwa in Wien mindestens 150 €), ortet Mitterlehner Zusatzkosten von 127 Millionen.

„Das wäre ein guter erster Schritt“, hieß es im Büro Darabos auf KURIER-Anfrage zum ÖVP-Vorschlag. „Wir wollen aber die Jugendlichen noch mehr entlasten“, sagte sein Sprecher. „Unser Ziel sind Gratis-Tickets.“ Die Kosten könne man noch nicht beziffern.

Die ÖVP war beim Rechnen schneller: „Die Idee der SPÖ, dass Schüler, Lehrlinge und Studenten künftig für öffentliche Verkehrsmittel nichts mehr zahlen sollen, kostet 1,7 Milliarden Euro“, schätzt der Wirtschaftsminister. Das sei „Spendierhosenpopulismus“. Abzüglich der 400 bisher fließenden Millionen würde das Gratisticket die Steuerzahler also 1,3 Milliarden Euro kosten. Mitterlehner: „In einen Wettbewerb der Wahlzuckerln steigen wir nicht ein.“

Am Abend stellte SPÖ-Klubchef Josef Cap schließlich klar, seine Partei sei auch für eine Erweiterung des Jugendtickets, nicht für eine generelle Freifahrt. Dass Cap auf die Bremse stieg, dürfte nicht nur auf die Kritik der ÖVP zurückzuführen sein. Selbst in den eigenen Reihen wurde Zurückhaltung eingefordert. Andreas Babler, SPÖ-Vorsitzender in Traiskirchen, etwa mahnte eine „Partei-Selbstverpflichtung“ für Wahlversprechen ein – schließlich würden viele Menschen spüren, „dass einige zentrale Versprechungen spätestens bei Regierungsverhandlungen in die Schublade wandern.“

Wer hat die Nase vorn? Wer macht sich Hoffnungen auf die Kanzlerschaft? Wo gibt es Wahlkampfgeplänkel und Scheingefechte, was sind die echten Kernthemen? Die KURIER Video-Wahlkampfanalyse geht diesen - und vielen weiteren - Fragen nach.