Innsbruck-Wahl: Willi schafft grüne Sensation
Von Christian Willim
Zu wie vielen Radtouren durch Innsbruck er in den vergangenen Wochen zwecks Stimmenfang aufgebrochen ist, kann er nicht mehr sagen. Aber die Pedaltritte haben sich für Georg Willi gelohnt. „Der Traum kann wirklich werden“, hatte er seinen Anhänger nach dem ersten Wahlgang um das Bürgermeisteramt vor zwei Wochen zugerufen. Dabei ging er mit deutlichem Vorsprung auf die bürgerlichen Amtsinhaberin Christine Oppitz-Plörer durchs Etappenziel.
Am Sonntagabend um 18:45 Uhr wurde der grüne Traum tatsächlich wahr.
Mit 52,91 Prozent der abgegeben und gültigen Stimmen konnte der Inbegriff des bürgerlichen Grünen das Stichwahl-Duell gegen die seit acht Jahren regierende Bürgermeisterin just an seinem 59. Geburtstag für sich entscheiden.
Erstmals stellt die Öko-Partei damit ein Stadtoberhaupt und kann wieder einmal einen Erfolg feiern. Und das nach einer Serie herber Rückschläge.
Als Georg Willi Anfang 2017 seine Kandidatur ankündigte, war die grüne Welt noch in Ordnung. Sein Tiroler Landsmann Alexander Van der Bellen hatte von den Grünen getragen gerade die Hofburg erobert. Doch dann folgten parteiinterne Querelen, die Abspaltung von Peter Pilz und der Rückzug von Parteichefin Eva Glawischnig. Die Selbstzerfleischung gipfelte im Herbst 2017 im Rauswurf der Grünen aus dem Nationalrat.
Miserable Landtagswahlergebnisse in Niederösterreich, Kärnten, Tirol und Salzburg folgten. Im Westen konnte zumindest die Regierungsbeteiligung verteidigt werden bzw. wird in Salzburg gerade darüber verhandelt.
Der Wahlsieg von Georg Willi darf angesichts dieser Stimmungslage getrost als Sensation bezeichnet werden. Geschafft hat sie ausgerechnet ein grünes Urgestein, das seine Politkarriere 1989 im Innsbrucker Gemeinderat begann und diese dann im Landtag und zuletzt im Nationalrat fortsetzte.
Mit dem Rad ins Bürgermeisteramt
Aus der finanziellen Not haben die Grünen in Innsbruck eine Tugend gemacht. Sie setzten auf Straßenwahlkampf. Den hat der hemdsärmelige 59-jährige passend zu seinem auch auf Öffi- und Radwegeausbau angelegten Programm vorwiegend vom Sattel aus geführt.
Der direkte Kontakt mit den Wählern kommt dem kommunikativen Tiroler zu Gute. Der Kirchenchorleiter strahlt zudem weit über das grüne Kernklientel in andere Lager aus. Seine Aussage, das den Wählern das leistbare Dach über dem Kopf wichtiger sei als das Binnen-I oder die Ehe für alle, steht sinnbildlich für den Pragmatismus Willis. Er macht vor, wie auch Grüne noch Wahlen gewinnen können.
Reaktionen:
Georg Willi hat sich kurz nach Verkündung des Wahlergebnisses überglücklich gezeigt. "Es ist etwas entstanden, was ich nicht geglaubt habe", sagte Willi vor zahlreichen Journalisten im Rathaus. Er kündigte an, am Dienstag mit Sondierungsgesprächen zu beginnen. Kommende Woche sollen dann die Koalitionsverhandlungen starten.
Kurz vor Bekanntgabe des Ergebnisses hatte sich Oppitz-Plörer im Mediengetümmel an Willi gewandt: "Ich gratuliere dir, wünsche dir alles Gute und eine gute Hand". Dann entschwand die sichtlich mitgenommene Stadtchefin aus dem Rathaussaal.
Der Grünen-Bundessprecher Werner Kogler hat im Sieg einen "herausragenden Erfolg einer herausragenden Person" gesehen. "Willi hat den Beweis erbracht, wie es gehen kann", sagte Kogler. Und dieser sollte "wegweisend" für die Grünen sein. Nach dem Neubeginn der Grünen in Linz tags zuvor sei es der nächste Schritt. Willi bringe mit "gerecht, liberal, hemdsärmelig, sozial und ökologisch denkend" die notwendigen Attribute mit.
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat auf das Ergebnis reagiert. "Ich gratuliere Georg Willi herzlich zur Wahl zum Bürgermeister von Innsbruck und wünsche viel Freude & Erfolg bei der Arbeit", schrieb Kurz auf Twitter.
Duell, das die Wähler kaum interessierte
Wahlbeteiligung Bereits im ersten Durchgang der Bürgermeister-Direktwahl, die mit der Gemeinderatswahl am 22. April durchgeführt wurde, gaben nur 50,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Stichwahl zwischen Christine Oppitz-Plörer und Georg Willi sank sie auf 43,7 Prozent.
Regierung Dem neu gewählten Stadtoberhaupt obliegt es nun, eine Koalition zu bilden. Die Verhandlungen könnten schwierig werden. Im Stadtsenat sind fünf Listen vertreten. Bis zur Gemeinderatssitzung am 24. Mai, bei der sich das Stadtparlament konstituiert, sollte die neue Regierung stehen.