"Ich weiß nicht, warum Sie lachen": Gründe für SPÖ-Desaster
Von Daniela Kittner
"Ich weiß jetzt eigentlich nicht genau, warum Sie lachen? Das war Ihre erste Wahl als Bundesparteivorsitzende. Vielleicht hätten Sie einfach Ihren Rücktritt erklären sollen."
So reagierte Armin Wolf am Sonntag spätabends im Interview mit der SPÖ-Vorsitzenden. Diese hatte bei einer seiner Fragen, zu einem eher unpassenden Zeitpunkt breit in die Kamera gelächelt.
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So unergründlich wie das Lächeln Pamela Rendi-Wagners so rätselhaft waren die Gründe, warum die SPÖ vom Bersten der türkis-blauen Koalition so gar nichts profitieren konnte. Am meisten rätselte darüber die SPÖ selbst. "Schwer nachzuvollziehen" nannte etwa die SPÖ-Kärnten das Wahlergebnis.
Doch die Gründe liegen klar auf der Hand.
Fehler in Schluss-Phase
Bis zur Regierungskrise haben alle Umfragen der SPÖ ein Anwachsen um drei bis vier Prozentpunkte (von 24 auf 27 bis 28 Prozent) vorhergesagt. Die SPÖ war der ÖVP bis vor zwei Wochen so nahe gerückt, dass bei den Türkisen Nervosität ausbrach, und der Kanzler persönlich in die Wahlkampf-Arena stieg. Die ÖVP lag zu diesem Zeitpunkt bei 30 bis 31 Prozent, also wäre sogar ein Gleichstand für die SPÖ drinnen gewesen.
Wenn nicht alle Meinungsforscher irren, hat die SPÖ die Wahl also in den letzten Tagen verloren – ausgerechnet nach dem Platzen der Regierung.
Was hat die SPÖ falsch gemacht?
SPÖ in der Echokammer
Die SPÖ hat ihre Meinung, Sebastian Kurz als Kanzler zu feuern, in der eigenen Echokammer gebildet. Sie verwechselte die Befindlichkeit ihrer Funktionäre und der Twitterblase mit den Wählern, ja, auch mit sozialdemokratischen. Erstmals in der Republik einen Kanzler zu stürzen, „weil’s der Funktionär verlangt“, ist eine etwas magere Begründung.
Null-Kommunikation
Die SPÖ schaffte es bis zum Wahltag nicht zu erklären, was denn jetzt genau gegen Kurz vorliege, das den drastischen Schritt einer Abwahl rechtfertige. Wenn man schon so ein Wagnis eingeht, muss man es breit und nachvollziehbar begründen und erklären.
Stattdessen stammelten verschiedene Funktionäre kryptisch in die Kameras, teils einander widersprechend. Die Parteichefin tauchte überhaupt ab – und so blieb ein Eindruck zurück: Die SPÖ legt sich aus Beleidigtheit über Kurz mit der FPÖ (!) ins Bett. Eine moralische Abdankung.
Eineinhalb Jahre lang hatte die SPÖ Herbert Kickl zum größten Sündenfall der Regierung erklärt. Und als Kurz Kickl rauswirft, rächt die SPÖ diesen Rauswurf, Seite an Seite mit Kickl. Dass der SPÖ scharenweise Wähler zu den Grünen davonlaufen, muss sie nicht wundern.
Strategischer Supergau
Sie beging einen schweren strategischen Fehler. Anstatt sich über die FPÖ und deren Ibizagate zu empören, konzentrierte sich die SPÖ auf den Sturz des Kanzlers mit FPÖ-Hilfe. Damit schadete sie nicht nur sich selbst, indem sie Wähler zu den Grünen trieb, sondern bescherte auch Sebastian Kurz jene Mobilisierung, die die ÖVP bis dahin nicht zustande gebracht hatte.
Wie kann es weitergehen?
Um die SPÖ-Spitzenkandidatin noch auszutauschen, ist die Zeit schon knapp, aber vor allem fehlt es an personellen Alternativen. Hans Peter Doskozil wird das Burgenland nicht verlassen, denn der Landeshauptmann ist ein Fixposten, während die Spitzenkandidatur bei der Nationalratswahl ein Himmelfahrtskommando ist. Doskozil könnte höchstens warten, dass Rendi-Wagner die Wahl verliert, sie dann ablösen und Vizekanzler neben Kurz oder Kanzler von Rot-Blau werden.
Auch Rendi-Wagner schloss am Wahlabend Rot-Blau nicht kategorisch aus, man werde nach der Wahl weitersehen.
Neue Koalitions-Option
Die Schwäche der SPÖ eröffnet auch neue Koalitionsoptionen nach der kommenden Nationalratswahl. Wenn die Grünen wieder zu ihrem gewohnten Niveau zurückfinden, und die Neos etwas zulegen, kann sich Schwarz-Grün-Neos ausgehen. Das wäre zwar erstmals eine Dreierkoalition und politisch eine ungewöhnliche Mischung mit der unter Sebastian Kurz nach rechts gedrifteten ÖVP, aber es gilt im Moment als realistische Variante.
2002 hatte Kanzler Wolfgang Schüssel nach dem FPÖ-Zusammenbruch mit den Grünen über eine Koalition verhandelt. Der damalige Verhandlungspartner Schüssels war Alexander Van der Bellen. Letzterer bedauert das Scheitern bis heute. Vielleicht bekommt er jetzt eine zweite Chance ...