Ibiza: Keine Ermittlungen gegen Strache wegen Vorteilsannahme
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verzichtet im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video auf Ermittlungen bezüglich Vorteilsannahme der zurückgetretenen FPÖ-Spitzenpolitiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Es gebe aber "keine einzige Einstellung", betonte ein WKStA-Sprecher am Donnerstag. Die Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Untreue laufen weiter.
Nach Prüfung auf einen Anfangsverdachts habe man lediglich entschieden, bei einzelnen Anzeigen auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu verzichten, führte der Sprecher aus. Es geht hier um Vorteilsannahme, konkret geforderte Parteispenden zwischen 500.000 und zwei Millionen Euro für künftige Bauaufträge durch Strache sowie die Übersetzung durch Gudenus ins Russische.
Weil solche Vergaben im Juli 2017 aber noch gar nicht in den Aufgabenbereich der zwei Politiker fielen, sei kein gerichtlich strafbarer Tatbestand erfüllt, heißt es von der WKStA.
Am 17. Mai war das Ibiza-Video, das Ex-Vizekanzler Strache und Ex-FPÖ-Klubchef Gudenus im Gespräch mit einer vermeintlichen Oligarchin zeigt, von der Süddeutschen Zeitung und dem Spiegel veröffentlicht worden. Das Video führte einen Tag später zum Ende der türkis-blauen Koalition.
Straches Angebot "nicht strafbar"
Aus den veröffentlichten Ausschnitten des Ibiza-Videos werde deutlich, dass Strache der falschen Oligarchin für eine verdeckte Parteispende oder für den Kauf von Anteilen an der Kronen Zeitung eine Bevorteilung bei öffentlichen Bauaufträgen in Aussicht gestellt habe, meint die WKStA. Dies tat er aber nur für den Fall einer künftigen Regierungsbeteiligung.
Strache als Abgeordneter und Gudenus als Wiener Vizebürgermeister seien damals zwar Amtsträger gewesen - für das zu beeinflussende Amtsgeschäft damals aber nicht zuständig. "Eine Strafbarkeit scheitert schon auf der objektiven Tatseite", stellt die WKStA fest.
Die WKStA schließt daraus: Die Forderung einer finanziellen Unterstützung für das Versprechen, sich als künftiger Amtsträger entgegenkommend zu zeigen oder andere Amtsträger zu beeinflussen, "ist nach der geltenden Gesetzeslage nicht gerichtlich strafbar". Die Staatsanwälte sagen in Richtung Gesetzgeber, es liege an ihm, "diese - allfällige planwidrige - Lücke zu schließen".
Trotz dieser Beurteilungen der Staatsanwälte wollte die FPÖ ihre Ex-Spitzenvertreter Strache und Gudenus am Donnerstag bereits entlastet sehen.
Kein Anfangsverdacht wegen übler Nachrede
Auch weitere Vorteilannahme-Anzeigen gegen FPÖ-Politiker werden von der WKStA nicht weiter verfolgt, so etwa gegen Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer, Ex-Innenminister Herbert Kickl und die Generalsekretäre Harald Vilimsky und Christian Hafenecker. Derzeit keinen Anfangsverdacht auf eine strafbare Handlung sieht die Staatsanwaltschaft auch beim Vorwurf, Kickl habe einen Unternehmer zu FPÖ-Parteispenden über den Verein "Austria in Motion" aufgefordert.
Keinen Anfangsverdacht sieht die WKStA weiters beim Vorwurf Beleidigung und üblen Nachrede zulasten politischer Konkurrenten, die sich auf bisher unveröffentlichten Teilen des Videos befinden sollen. Nicht weiter verfolgt wird außerdem der Vorwurf, Strache und Gudenus hätten mit weiteren FPÖ-Mitgliedern zusammen mit "Großspendern" eine staatsfreundliche Verbindung gegründet.
Folgenschweres Video
Die Vorgeschichte: Bereits am 20. Mai ist bekannt geworden, dass die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien die mögliche strafrechtliche Relevanz des berühmten Ibiza-Videos prüft.
Die OStA kam damals zum Ergebnis, "dass auf Basis der kolportierten Inhalte des Videos das Vorliegen eines Anfangsverdachts nicht abschließend beurteilt werden kann". Aus diesem Grund wurde die WKStA damit beauftragt, sämtliche verfügbare Informationen zusammenzutragen und auf dieser Basis den Anfangsverdacht zu überprüfen.
Am 27. Mai ist außerdem publik geworden, dass die Staatsanwaltschaft Wien in Bezug auf die Erstellung des Ibiza-Videos, das Strache und Gudenus zum Rücktritt gezwungen hatte, Ermittlungen aufgenommen hat. Dabei werde "in mehrere Richtungen ermittelt", hieß es damals.
Dass der Vorteilsannahme-Vorwurf nicht weiter verfolgt wird, macht für die NEOS Handlungsbedarf erkennbar. "Das Gesetz hat hier offensichtlich eine massive Lücke", so Vize-Klubchef Nikolaus Scherak.
"Denn es kann nicht sein, dass es nicht strafbar ist, wenn ein hochrangiger Politiker sagt: ,Gib mir Geld, damit ich euch dann, sobald ich Regierungsmitglied bin, Aufträge zuschanze'", meinte er. Die NEOS wollen diese Gesetzeslücke jetzt so rasch wie möglich schließen und kündigen entsprechende Anträge an. "Es reden ja plötzlich alle groß von Korruptionsbekämpfung. Jetzt werden wir sehen, wer es ernst meint und einer Gesetzesänderung zustimmt", sagte Scherak.
"Nicht alles, was nicht explizit verboten ist, ist politisch auch erlaubt", meinte er grundsätzlich: "Denke und Atmosphäre rund um die Causa-Ibiza sind in erster Linie moralisch völlig verlottert und politisch absolut untragbar. So etwas bereitet den Boden für Postenschacher und Korruption in einer Regierung - und das hat dort absolut nichts verloren."