Höflichkeit oder Polit-Debakel? Kneissls Knicks vor Putin
"Ich hätte gedacht, das wäre ein Scherz", schrieb der russische Oppositionelle Alexej Nawalny auf Twitter und postete dazu ein Foto von Österreichs Außenministerin Karin , das sie auf ihrer Hochzeit beim Tanzen mit Wladimir Putin zeigt.
Es war kein Scherz. Wie Aufnahmen des russischen Auslandsfernsehsenders Russia Today zeigten, bot Kneissls Neo-Ehemann Wolfgang Meilinger dem russischen Staatschef seine Braut bereitwillig zum Tanz an. Der übernahm prompt und verfiel bis zum Ende des Liedes mit der Außenministerin in eine Art Pendelschritt.
Für Empörung sorgte, was dann folgte: Kneissl beendete den Tanz mit einem tiefen Knicks vor dem russischen Präsidenten. Putin seinerseits reagierte mit einer angedeuteten Verbeugung. "Die österreichische Außenministerin kniet vor Putin", lautete daraufhin der Vorwurf vieler Social-Media-User.
Geste der Unterwerfung
Historisch betrachtet ist die Aufregung nicht ganz unbegründet. In der antiken Praxis war der Knicks ein Zeichen der Hochachtung und Unterwerfung gegenüber dem Höherrangigen. Eine solche Geste der Verehrung sei an Kneissls gegenüber Putin unangebracht, kritisierten die Nutzer.
Vizekanzler Heinz-Christian Strache nahm Kneissl, die auf FPÖ-Ticket in der Regierung sitzt, daraufhin in Schutz. "Manche Journalisten sollten einmal den Knigge lesen. Dass die 68er-Generation mit den Themen 'Erziehung und gutes Benehmen' oftmals auf Kriegsfuß stand, ist augenscheinlich. Außenministerin Karin Kneissl hat jedenfalls die Elmayer-Schule (höflicher Knicks von ihr nach dem Tanz, der russische Präsident hat sich im Gegenzug verbeugt) besucht und weiß, was sich gehört", schrieb er.
Dass der Knicks am Ende dazugehört, bestätigt Thomas Schäfer-Elmayer, Leiter der bekannten Wiener Tanzschule, auf KURIER-Anfrage. Daher dürfe der Knicks nicht als politisches Unterwerfungssignal missverstanden werden. "Kneissl hat nur gemacht, was Damen auch bei traditionellen Wiener Bällen machen. Man nennt das ein Compliment", sagt Schäfer-Elmayer. Von ausländischen Besuchern werde die Geste aber oft missverstanden.
Internationale Kritik
Gerade im Hinblick auf den letzten Aspekt wollen die Social-Media-User das Argument der Tanz-Tradition nicht gelten lassen. Man wisse doch, dass man solche Bilder nicht produzieren dürfe, heißt es. Immerhin habe Kneissl ja von der Anwesenheit von Fotografen und Medienvertretern gewusst, die Bilder seien nicht zufällig entstanden.
Tatsächlich haben internationale Medien die Bilder von Tanz und Knicks vielfach aufgegriffen. Im Münchner Merkur war etwa zu lesen: "Diplomatie ist das Gegenteil von Unbedarftheit. Und unbedarft ist noch ein mildes Wort für Österreichs FPÖ-Außenministerin Kneissl. Aus ihrer Hochzeit, einem privaten, für sie sehr erfreulichen Vorgang, macht sie im Übermut die große Bühne für Russlands Imperator, hofiert den Gast, lobhudelt und knickst. Die schräge Putin-Show mit Kosakenchor in der Steiermark ist keine warmherzige Nähe-Geste, sondern untergräbt zwei Autoritäten: erstens Österreichs Rolle als neutraler Vermittler im Ukraine-Konflikt, zweitens die Sanktionspolitik Europas, die nur mit einem einigen Westen wirksam ist. Nicht der Dialog mit Putin ist falsch, sondern die Unterwürfigkeit, die missratene Inszenierung."