Politik/Inland

Bedachtere Kommunikation: Was die Regierung aus Covid gelernt hat

Am 4. Mai kündigten Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Wissenschaftsminister Martin Polaschek (beide ÖVP) den Start der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Coronapandemie an. Donnerstag, sieben Monate später, wurden die Ergebnisse der Studie in leicht abgewandelter Personalkonstellation präsentiert. Anstelle von Edtstadler tritt Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf, Rauch wurde von Katharina Reich, Generaldirektorin für Öffentliche Gesundheit, vertreten.

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Nehammer räumt Fehler ein

"Nach einer so intensiven Phase, wie der Pandemie, stellen sich Fragen: Was ist gut oder schlecht gelaufen?", sagt Bundeskanzler Nehammer. "Alle Entscheidungen aus der Pandemie werden nun im Nachhinein bewertet - mit einem anderen Wissensstand. Wo gearbeitet wird, entstehen Fehler", sagt Nehammer.

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Aber: "Es war immer Ziel, Menschenleben zu retten". Das entschuldige nicht die Fehler, aber es erkläre sie, so Nehammer weiter und bedankt sich - wieder einmal -  beim Pflegepersonal. 

Bedachtere Kommunikation

Nun liege eine sozialwissenschaftliche Studie vor und heute wisse man, was - bei der nächsten Krise - anders zu machen sei. Heute etwa, würde Nehammer seine Worte "mit viel mehr Bedacht wählen", sagt Nehammer. Die Spaltung in der Gesellschaft dürfe so nicht mehr stattfinden, "weil im Diskurs aus den Augen und Argumentation verloren ging, dass die, die sich gegen die Maßnahmen aufgelehnt haben, zu Feinden jener wurden, die die Maßnahmen verordnet haben. Und jene, die sich daran gehalten haben, die Maßnahmen-Gegner nicht verstanden haben", so Nehammer. 

Ein weiterer wichtiger Punkt, den man beim nächsten Mal beachten solle, sei "absolute Transparenz im Entscheidungsprozess". Als Negativbeispiel nennt Nehammer die Impfpflicht, die zuerst ausgeschlossen wurde, dann doch beschlossen und dann doch nicht in Kraft getreten ist. 

Thematisch befasste sich die Studie mit folgenden Punkten: 

  1. Polarisierung in Medien und Öffentlichkeit
  2. Politischer Umgang mit Zielkonflikt anhand der Impfpflicht
  3. Politischer Umgang mit Zielkonflikt anhand des Distance Learnings / Schulschließungen
  4. Wissenschaftliche Politikberatung
  5. Wissenschaftsskepsis 

Studienleiter, Alexander Bogner, von der Akademie der Wissenschaft, stellt die Ergebnisse, die er und sein 20-köpfiges Team erarbeitet haben, vor:

Akute Krisen erfordern ein anderes politisches Handeln, als chronische Krisen, so Bogner. Das sei so, weil akute Krisen pluralistische Gesellschaften in eine Schicksalsgemeinschaft verwanden, so Bogner. Das bedeute, am Anfang, im ersten Schockmoment, herrsche eine Solidarität und ein Zusammenhalt. Die Krise erscheint als "rein virologisches Problem". Mit der Zeit ebbt die Solidarität ab, die Wissenschaftsskepsis nehme zu. Ab Herbst 2020 befand sich Österreich in der chronischen Krise. 

Learnings: 

Der anfänglich enge Blick solle möglichst schnell wieder erweitert werden, Handhabungen sollten überdacht werden.  Ansonsten sei die Politik mit eingeschränktem Handlungsspielraum konfrontiert. 

Stichwort Impfpflicht-Gewirr: Richtig wäre eine bedachtere politische Kommunikation gewesen. So hätte die kontroversielle Debatte um die Impfpflicht mit der Öffentlichkeit stattfinden müssen - etwa in Begleitung mit der Ethikkommission. Die Debatte habe zu spät, nämlich im Nachhinein stattgefunden und die Bevölkerung habe so kaum Verständnis für den Entscheidungsprozess entwickeln konnte. Die kommunikative Alternativlosigkeit, habe radikale Gegner befeuert. 

Medien sollten konstruktivem Journalismus betreiben, ergo auch in Zeiten der Krisen "handlungs- und lösungsorientiert" sein. Medien dürften nicht ausschließlich Extreme aufzeigen und Ängste schüren. Auch müsse die Transparenz und Glaubwürdigkeit der Medien gesteigert werden, damit Bevölkerung wieder Vertrauen in Presse erlangen. Sie sollten, so geht aus der Studie hervor, eine "Dialogfunktion" erfüllen, diverse Perspektiven einbeziehen und "politische Unabhängigkeit wahren." 

Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufe sollen im Sinne einer vorausschauenden Krisenprävention attraktiver gemacht werden. Entscheidungs- und Beratungsgremien, von denen es in der Pandemie etliche gab - aber teilweise erst spät eingesetzt wurden -  sollen fachlich vielfältig besetzt, flexibel und transparent sein und ihre Erkenntnisse verständlich kommunizieren. So sollen politische Entscheidung nachvollziehbarer gemacht werden. 

Polaschek verteidigt Schulschließungen

Mit dem heutigen Wissen, hätten wir einiges anders gemacht, man hätte sich mehr Zeit für eine ausführlichere Kommunikation genommen, damit bei Betroffenen ein höheres Verständnis für die Schließungen vorherrscht, so Bildungs- und Wissenschaftsminister Polaschek. Aber in der damaligen Situation und mit dem damaligen Wissensstand seien die Schließungen wichtig gewesen, denn es sei verheerender gewesen, nicht zu handeln. 

Thema Wissenschaftsskepsis: Grenzen und Bedeutung der Wissenschaft sollten klar kommuniziert werden - Verständnis dafür solle schon in den Schulen geschaffen werden. 

"Gegen Polarisierung helfe nur Dialog", erklärt Bogner erneut. Besonders häufig wird ein konkretes Learning aus dem Prozess und der Pandemie betont: Bedachte Kommunikation und Entscheidungen. Das betreffe die Entscheidungen und die Kommunikation darüber in puncto Schulschließung oder etwa Impfpflicht etc. 

Auch an Bürger gibt es Empfehlungen: Hierbei heißt es in der beiliegenden Aussendung recht vage: "Die Bürgerinnen und Bürger sollen offen und respektvoll miteinander umgehen und in der Krise füreinander sorgen. Dazu bedarf es mehr miteinander statt übereinander reden."

Zum Schluss betont Nehammer, dass Fehler passiert sein, aber Österreich sei das einzige Land, das das Handeln in der Pandemie in einer sozialwissenschaftlichen Studie untersucht, es sei ein Beweis für den transparenten Umgang, so Nehammer.