Grün-pinke Kampfzone
Von Bernhard Gaul
Der siebente Wiener Bezirk, Neubau, ist grünes Kernland. Zwischen den Bezirksgrätzeln Altlerchenfeld und dem Spittelberg tummeln sich Studenten und Neue Selbstständige in linken Lokalen und jungen Beisln, es wird politisiert und kritisiert, und auch viel gelacht.
Und mittendrin in der Neustiftgasse liegt das Hauptquartier der Neos, die Neospähre. Es ist mehr als ein symbolträchtiger Pflock, den die Neos hier eingeschlagen haben.
Die Grünen haben sich von ihrem kleinen Wahl-Schock noch immer nicht erholt, da steht schon die nächste Wahl vor der Tür. „Und der Wahlkalender der kommenden zwei Jahre spielt den Neos unglaublich in die Hände“, bestätigt Wahlforscher Wolfgang Bachmayer (siehe unten). „Da steht den Neos zwangsläufig ein großer Erfolgs-Run bevor. Es sei denn, sie schießen sich absichtlich ins Knie.“ Das Liberale Forum hätte ja einst auch einen tollen Start gehabt, und sich dann von allein umgebracht, erinnert Bachmayer an den kurzen Aufstieg und Fall der Partei rund um Heide Schmidt.
Womit wahlkämpfen?
Heute, Montag, starten die Grünen ihre Klubklausur in Mauerbach bei Wien. Es geht um die programmatische Ausrichtung für die EU-Wahl. Die Ansage der Neos, zuletzt bei der festlichen Parteifusion von Neos und dem Liberalen Forum vergangenen Samstag, „Wir lieben Europa, auch wenn es keine einfach Liebe ist“, macht den Grünen Partei-Strategen Kopfzerbrechen. „Unser größtes Problem mit den Neos ist: Sie sind neu, und neu ist sexy“, erzählt der grüne Wahlkampf-Stratege Martin Radjaby. „Aber auch das iPhone war einmal neu und hip, und ist heute nichts Besonderes mehr. Neu hat das Problem, dass es sich schnell abnützt.“
Dennoch glaubt Bachmayer, dass der grüne Wahlkampf nicht einfach werde. „Es gibt ja mehrere Parteien, die grundsätzlich pro-europäisch sind“, sagt Bachmayer. Rote, Schwarze als auch Grüne würden aber auch auf EU-kritische Wähler schielen. Nur die Freiheitlichen hätten auf der anderen Seite das Monopol der EU-Gegnerschaft.
Das sieht auch Politik-Experte Peter Hajek so. „Die Grünen haben die Position: Europa ja, aber. Und jetzt sagen die Neos: Wir lieben Europa, auch wenn die Liebe kompliziert ist. Damit ist dieses Feld also besetzt. Für die Grünen ist es schwierig, da wieder herauszukommen, wie sie sich für die EU-Wahl im Mai positionieren sollen.“
Denn der Kampf um neue Wähler wird härter: Schon bei der Nationalratswahl hat sich gezeigt, dass die Neos viel vom möglichen Zuwachspotenzial der Grünen holen. Die Markt- und Sozialforschung, die versucht, die Bevölkerung in größere Wählergruppen einzuteilen – von Einkommensschwachen bis zu den Gutverdienern, von schlecht Ausgebildeten bis zu den Bildungseliten und von konservativ bis modern und pragmatisch – sieht für beide Parteien hier noch Zuwachspotenzial.
Leistung & Bildung
Gekämpft wird nun zum Beispiel um jene Gruppen, die sich unter dem Begriff Leistungs- und Bildungselite zusammenfassen lässt. Beide Gruppen gehören der oberen Mittelschicht aufwärts an, sind alles andere als konservativ und politisch sehr interessiert. Zusammen machen sie rund 15 Prozent der Wähler aus.
Bachmayer beschreibt das Phänomen: „Grün- und Neos-Wähler treffen sich bei Begriffen wie höhere Bildung und Social Media, die Internet-Nutzung ist bei beiden groß, ich würde das Stichwort Systemverdrossenheit noch dazunehmen“, erklärt der Motivforscher. „Andererseits sind Neos-Wähler deutlich leistungsorientierter als Grün-Wähler. Den pinken Wählern geht es um Performing als Lebensziel, um Karriere, verbunden mit materiellem Erfolg.“
Neos-Parteichef Matthias Strolz bestätigt das indirekt: „Ich denke, unsere Wähler sind sehr an Politik interessiert, mit einem Faible für intellektuelle Redlichkeit, leistungsorientiert und bildungsaffin. Menschen, die sich Gedanken über die Zukunft ihrer Kinder machen, und die sich fragen, warum ihr Geld nur schwer zum Leben reicht.“ Auch Strolz sieht große Schnittmengen bei den Wählergruppen. „Natürlich haben wir auch eine Lifestyle-Komponente, Menschen mit einem gesunden Körperbewusstsein, die auf sich schauen. Ich denke, unter den Neos-Wählern gibt es viele, die vor allem Bio-Produkte kaufen.“ Auch wenn er persönlich kein Müsli-Esser sei und auch kein Pilates mache. Dafür „aber Yoga“.
Seit einigen Jahren geistert er durch die Medien: Der Bourgeois Bohemien, kurz Bobo genannt.
Typisch für den Bobo ist: Niemand will einer sein, aber jeder kennt einen. Er ist ursprünglich ein Stadtgewächs, aber es gibt ihn längst im ganzen Land. Er ist ein Widerspruch in sich selbst, ein „Oxymoron“: Das eine Bo widerspricht dem anderen. Bourgeoisie ist ein Spottbegriff für eine degenerierte, kapitalistische Oberschicht, Bohème beschreibt eine künstlerisch-intellektuelle Gegenkultur. Der Bobo ist sozusagen ein rebellischer Spießer, ein idealistischer Materialist, ein Baumumarmer im Porsche Cayenne.
Jetzt hat der Bobo auch eine eigene Partei maßgeschneidert bekommen (Maßgeschneidertes mag er): die Neos. Sie sind das Angebot für alle, denen die ÖVP zu steif, zu katholisch und zu altvat’risch ist, und denen die Grünen zu humorlos, zu missionarisch und zu weltfremd sind. Falls die Neos sich nicht durch Anfälle von Umnachtung selbst abmontieren, könnten die auf Dauer ein wichtiger Faktor der Innenpolitik werden.
Mehr über die heurigen Wahltage lesen Sie unter Worüber Österreicher heuer abstimmen dürfen
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