Politik/Inland

Reine Frauensache? So schlecht steht es um die Verhütung in Österreich

In Vorarlberg startet im Herbst ein Pilotprojekt zur Abgabe kostenloser Verhütungsmittel. Dafür werden eine Million Euro zur Verfügung gestellt, teilte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Montag bei der Vorstellung des Verhütungsberichts 2024 in Wien mit. 3.500 Frauen sollen über das Fraueninformationszentrum femail unterstützt werden. Das Gratisangebot richtet sich nicht an Männer, denn der Bericht zeigt: Die Hälfte der Frauen trägt die Kosten für Verhütung allein.

"Die Daten deuten klar darauf hin, dass eine kostenlose Bereitstellung von Verhütungsmitteln das Potenzial hat, die Wahl der Verhütungsmethode stark zu beeinflussen", erläuterte Rauch zu dem erstmals im Auftrag des Gesundheitsministeriums erstellten Bericht. "Jetzt werden wir nicht von heute auf morgen die kostenfreie Verhütung in ganz Österreich einführen können", sagte er. Aber aufbauend auf den Verhütungsbericht starte im Herbst ein Pilotprojekt, um zu klären, "wie kann das technisch umgesetzt werden, wie ist die Inanspruchnahme, worauf muss fokussiert werden?" Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und läuft bis Ende 2026.

Niederschwelliger Zugang

In der Modellregion Vorarlberg erhält dadurch etwa jede 20. Frau im reproduktiven Alter zwischen 14 und 45 Jahren kostenlose Verhütungsmittel und Beratung. Die Anmeldung wird bei femail möglich sein, eventuell auch direkt beim eigenen Gynäkologen, das stand vorerst noch nicht fest. Die Teilnehmerinnen können das gewünschte Verhütungsmittel frei auswählen, erläuterte Lea Putz-Erath von femail. "Ziel ist es, die Gesundheit von Frauen zu verbessern und wissenschaftliche Daten für zukünftige bundesweite Modelle zur kostenfreien Verhütung zu sammeln", sagte sie. 

Verhütung für alle

Die Initiatoren des Volksbegehren "Gratis Verhütung", die seit Mitte Jänner Unterstützungserklärungen sammeln, begrüßen das Pilotprojekt in Vorarlberg als ersten Schritt. "Wir sagen aber auch: Das ist nicht genug", betonte Sprecherin Aisha Gstöttner. Das Volksbegehren fordert niederschwelligen Zugang zu sicheren Verhütungsmitteln und Verhütungsberatung für alle Menschen in Österreich, unabhängig vom Geschlecht oder der finanziellen Situation. 

Konkret bedeutet das: kostenlose Kondome und Lecktücher in Drogerien und Apotheken, gratis hormonelle und nicht-hormonelle Verhütung, gratis „Pille danach“, eine Kostenübernahme der Verhütungsberatung bei Ärzten und umfassende sexualpädagogische Aufklärung in der Schule. "In einer idealen Welt weiß jede Person, die in Österreich in der Schule war, welche Verhütungsmethoden und welche sexuell übertragbaren Krankheiten es gibt und auch wie man sich davor schützen kann", wünscht sich Gstöttner.

Für den von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) erstellten Verhütungsbericht 2024 wurden mehr als 1.000 Frauen befragt. Demnach verhüten 46 Prozent der Frauen allein, bei 12 Prozent ist es der Partner. 8 Prozent verhüten gemeinsam mit dem Partner. 33 Prozent der Frauen verwenden keine Verhütungsmittel. Ein Viertel gibt an, die Kosten zu teilen. Die gängigsten Verhütungsmethoden bei sexuell aktiven Frauen in Österreich sind die Pille (42 Prozent), das Kondom (40 Prozent) und die Spirale (17 Prozent).

"Solange vorwiegend Frauen für Verhütung verantwortlich sind und überwiegend auch die Kosten tragen, gibt es einen großen Bedarf an kostenfreier Verhütung und Beratung in Österreich", sagte die Expertin für Frauengesundheit. "Verhütung muss auch Männersache werden", betonte auch Rauch.

Österreich hinkt hinterher

"Eine der sichersten Verhütungsmethoden ist das Hormonstäbchen", sagte Studienautorin Sylvia Gaiswinkler. Dieses sei jedoch eine Kostenfrage, wie generell vor allem Langzeitverhütungsmittel besonders teuer und für viele Frauen "häufig nicht leistbar" sind. Österreich liege bezüglich Verhütung und Verhütungsberatung im Vergleich mit Nord- und Westeuropa an der hinteren Stelle, vor allem "auch aufgrund dessen, dass es in Österreich überhaupt keine Kostenübernahme gibt", berichtete Gaiswinkler. 

Luxemburg, Großbritannien, Frankreich und Belgien sind im europäischen Vergleich Spitzenreiter. Diese Länder übernehmen nahezu flächendeckend die Kosten für Verhütung, bieten niederschwelligen Zugang zu Beratungen und umfassende staatliche Angebote, um sich online über Verhütung zu informieren. In den meisten Ländern werden vor allem hormonelle Verhütungsmethoden (etwa die Anti-Baby-Pille, die Dreimonatsspritze oder Hormonspirale) übernommen. In Frankreich, Irland und Großbritannien werden auch die Kosten für Kondome abgedeckt, in Luxemburg sogar Sterilisationen und Vasektomien. 

Luxemburg gilt auch als Vorbild für das Volksbegehren: "Luxemburg hat letztes Jahr im April eigentlich genau unsere Forderungen umgesetzt und Verhütungsmittel flächendeckend kostenlos gemacht", sagt Gstöttner. Und: "Wir sind im Vergleich zu anderen EU-Staaten extrem rückständig."

  • Notfallverhütung: Nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder sexuellen Übergriffen gibt es die Möglichkeit, den Eisprung zu verschieben und damit eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern - zum Beispiel durch die "Pille danach". Je früher die Pille eingenommen wird, desto besser. 
  • Pearl-Index misst die Sicherheit eines Verhütungsmittels und wird aus der Anzahl der Schwangerschaften berechnet, die pro hundert Frauen innerhalb eines Jahres bei Verwendung des Verhütungsmittels auftreten. Grundsatz: niedriger Pearl-Index = hohe Sicherheit, niedriger Pearl-Index = geringere Sicherheit.
  • Warum verhüten: Verhütung sichert die bewusste Familienplanung, verhindert ungewollte Schwangerschaften und schützt vor sexuell übertragbaren Krankheiten.

Verhütung schütze präventiv vor ungewollten Schwangerschaften, sexuell übertragbaren Krankheiten und würde dadurch Gesundheitskosten sparen. Gstöttner vergleicht die Abgabe von Kondomen mit der Abwicklung der Corona-Tests. Vorstellbar wäre für die Initiative etwa ein Monatskontingent von fünf bis zehn Kondomen, die man sich dann in der Drogerie oder Apotheke abholen könne. "Wir haben bei den Corona-Tests gesehen, wie gut das funktioniert hat", sagt Gstöttner. 

Hilfe für armutsgefährdete Frauen

Auch jetzt schon gibt es für armutsgefährdete und einkommensschwache Frauen Unterstützung: etwa bei den Beratungsstellen der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF). Dort können sich Frauen vergünstigt (75 Euro) die Spirale einsetzen lassen. Bei der Aids Hilfe kann sich jede und jeder pro Tag drei gratis Kondome abholen. Aber, betont die Initiatorin des Volksbegehrens, "die Verantwortung sollte beim Staat liegen und nicht bei privaten Initiativen." Für Frauen, die schwer erreichbar sind, seien Ärzte die wichtigsten Ansprechpartner, erklärt Gstöttner. Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit Vereinen, die direkt in den Communitys unterwegs sind. "Der Zugang zu Verhütung muss wirklich für alle da sein. Denn es betrifft ja auch alle", ist die Initiatorin des Volksbegehrens überzeugt.