Raue Töne zwischen Regierungsspitzen
Von Thomas Orovits
Es kracht erneut zwischen SPÖ-Kanzler Werner Faymann und ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner – wegen des geplanten Handelsabkommens der EU mit den USA (TTIP).
Faymann hätte in der dieswöchigen Regierungssitzung eine koalitionäre Linie festlegen wollen. Via Krone hatte er das der ÖVP ausgerichtet. Schon am Mittwoch war Mitterlehner deswegen erbost. Nun wetterte er vor Journalisten neuerlich gegen Faymanns "Populismus". Nötig sei ein Regierungsbeschluss zu TTIP nicht, weil Österreich das Verhandlungsmandat, wie die übrigen EU-Länder, schon vor langer Zeit an die EU-Kommission übertragen habe. Mit Faymanns Sanktus.
Leider trete Faymann in Brüssel europäisch, in Wien anders auf, zürnt Mitterlehner: "Ich mache mich international lächerlich, wenn ich als Österreich einmal sage: Verhandlungsmandat für die EU, dann ändere ich im Land meine Meinung und sage: Das Verhandlungsmandat ist nicht mehr aufrecht. Das ist keine seriöse Vorgangsweise." Zudem habe er, Mitterlehner, im November Österreichs Skepsis in Brüssel deponiert, Faymann habe das nicht gemacht.
Eigenständig
Das stimme nicht, sagte Faymann der ZiB 1 – und zeigte Briefe, die er am 8. Oktober an den damaligen EU-Kommissionschef Barroso und dessen Nachfolger Juncker geschickt habe: "Es geht darum, wie wir mit dem Ergebnis umgehen. Das werden wir am Schluss mit dem Parlament gemeinsam beurteilen. Sich davon schwindeln, indem man sagt, ist ja ursprünglich beschlossen worden – und was liegt, das pickt", sei nicht sein Weg: "Niemand muss hinterher trappeln. Wir haben eine eigenständige Position."
Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl springt Faymann bei – und rüffelt Vizekanzler Mitterlehner.
Niessl fordert das Einschwenken auf eine gemeinsame Regierungslinie – und mehr "Transparenz". Fürs Burgenland, dessen Landtag heuer zwei TTIP-kritische Anträge verabschiedet hat, will der Landeschef vor allem die Wasserversorgung in öffentlicher Hand halten, Bio-Landwirtschaft schützen und den Landesenergieversorger vor der Einspeisung von Atomstrom bewahren. Niessl: Trotz eines einstimmigen Beschlusses der Landeshauptleute-Konferenz vom Mai nach steten Berichten über die Verhandlungen "haben wir bis jetzt von Mitterlehner null Informationen". Immer wenn der Minister aus Brüssel zurückkehre, solle er Regierung, Parlament und dem Vorsitzenden der LH-Konferenz berichten.
"Stimmt nicht" heißt im Mitterlehner-Büro. Die Verbindungsstelle der Bundesländer sei über die TTIP-Gespräche auf dem Laufenden, zudem warte man seit Monaten auf die Nennung einer Person, der man auch sensible Unterlagen übermitteln könne. Außerdem verhandle bekanntlich die EU-Kommission für die EU mit den USA, nicht der Minister. Am Ende müsste ohnehin nicht nur das EU-Parlament, sondern auch der Nationalrat dem Abkommen zustimmen. Der Kanzler habe beim EU-Rat zweimal dem Verhandlungsmandat zugestimmt, Bedenken gegen TTIP habe er nicht geäußert. Burgenlands VP-Vize-LH Steindl: "Faymann will sein politisches Überleben sichern".