Politik/Inland

Frau soll Vertrauen reparieren: Lob von vielen Seiten

Christi Himmelfahrt, 15 Uhr, Präsidentschaftskanzlei. Der Überraschungseffekt war zwar schon etwas verpufft, als sich langsam die rote Tapetentür öffnete – und Alexander Van der Bellen mit Brigitte Bierlein (69) vor die TV-Kameras trat.

Um 13.25 Uhr hatte der KURIER eine Eilmeldung abgesetzt und berichtet, dass es der Bundespräsident tatsächlich macht: Erstmals eine Frau an die Spitze der Bundesregierung zu stellen – sprich die erste Kanzlerin, wenn auch mit Ablaufdatum – zu designieren.

Der bereits zweite historische Moment in der Zweiten Republik innerhalb von vier Tagen – Van der Bellen absolvierte ihn mit seinem gewohnt väterlichen Charme. Van der Bellens sympathische Gelassenheit signalisiert Souveränität – auch am bereits 13. Krisentag.

„Vertrauensregierung“

Brigitte Bierlein sei einmal als „stets die Erste“ charakterisiert worden. „Sie wird wieder die Erste sein, nämlich die erste Bundeskanzlerin der Republik Österreich“, verkündete Van der Bellen vor dem Porträt von Kaiserin Maria Theresia.

Er habe eine Person gesucht, die über umfassendes Wissen verfüge und von der der sorgfältigste Umgang mit der Bundesverfassung zu erwarten sei. „Und wer wäre dafür besser geeignet als die oberste Hüterin der österreichischen Bundesverfassung?“, fragte Van der Bellen. Das Ziel des Bundespräsidenten sei nun, eine „Vertrauensregierung“ zu bilden.

Die Verfassungsgerichtshofpräsidentin Bierlein, die vor der Angelobung ihr Amt im Höchstgericht zurücklegen wird, ist es gewohnt, Vorreiterin zu sein – auch wenn sie erst spät die gläserne Decke durchbrach. Die 69-Jährige gilt als mutig, sympathisch und soll Humor haben. Vor allem gilt Bierlein als guter Kompromiss. Für die FPÖ ist sie akzeptabel, hat sie doch als Verfassungsrichterin der Anfechtung der Bundespräsidenten-Stichwahl seitens der Blauen stattgegeben. Die SPÖ kann sich nur schwer gegen einen Frau an der Spitze der Regierung stemmen. Und der ÖVP wird Bierlein politisch zugerechnet.

Als die Spitzenjuristin im eleganten schwarz-weißen Outfit neben Van der Bellen stand, war ihr Stolz gepaart mit einen Quäntchen Demut spürbar. Mehrere Gespräche seien der Bestellung vorausgegangen.

„War sprachlos“

„Sprachlos“ sei sie gewesen, als ihr Van der Bellen das Angebot machte. „Das ist jetzt für Sie sicher überraschend, für mich ist es das auch“, sagte sie. Nicht sofort habe sie sich diesen Job zugetraut, erzählte die designierte erste Bundeskanzlerin. „Ich bat um einige Stunden Bedenkzeit.“ Doch das Wohl der Republik war dann doch ein unschlagbares Argument für die Verfassungsjuristin, das Amt zu übernehmen.

Schon sehr bald will Bierlein ein Kabinett vorschlagen, das über die nötige fachliche Expertise und politische Sensibilität verfüge. Van der Bellen hatte zuvor schon angekündigt, dass man auf die Expertise von Beamten zurückgreifen werden.

Jabloner Vizekanzler

Überraschend verkündete Bierlein bereits erste Personalentscheidungen. Sie klingen großkoalitionär. Der Botschafter und Sektionschef für EU-Koordination, Alexander Schallenberg, wird Interims-Außenminister. Er ist ein Vertrauter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Der langjährige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Clemens Jabloner, wird Vizekanzler und Justizminister. Er gilt als SPÖ-nahe.