Politik/Inland

Flüchtlinge "konzentrieren": Weltweiter Wirbel um Kickl

Herbert Kickls Wortwahl bei der Pressekonferenz zur Asylstatistik (siehe unten) am Donnerstag schlug international Wellen: Vom deutschen Spiegel über die Washington Post und die britische Daily Mail bis hin zur Times of Israel berichteten zahlreiche Medien über den Sager, der viele an die Konzentrationslager der Nazis erinnert.

Im Wortlaut sagte der FPÖ-Innenminister – im Kontext der Kritik an den geplanten Grundversorgungslagern für Asylwerber – vor Journalisten: "Es ist nur ein Begriff, diese Grundversorgungszentren, für eine entsprechende Infrastruktur, wo es uns gelingt, diejenigen, die in ein Asylverfahren eintreten, auch entsprechend konzentriert an einem Ort zu halten, weil es unser gemeinsames Interesse sein muss, sehr, sehr schnell zu einem entsprechenden Ergebnis auch zu kommen."

Alle Inhalte anzeigen

In den englischsprachigen Medien wird als eine Art Hintergrund-Info zur FPÖ geschrieben, dass Kickls Partei "in den 1950er-Jahren von ehemaligen Nazis" gegründet worden sei und dass auch Ex-Parteiobmann Jörg Haider seinerzeit mit braunen Sagern provoziert habe.

Auf das internationale Echo will der Innenminister nicht näher eingehen. Auf KURIER-Nachfrage heißt es aus seinem Büro, er habe bereits bei der Pressekonferenz alles gesagt, was zum Thema zu sagen sei: Er habe keinerlei Provokation intendiert und weist die Vorwürfe zurück.

Am späteren Abend meldete sich Kickl in einer Aussendung doch noch zu Wort: "Ich halte unmissverständlich fest, dass ich jedwede Herstellung einer Verbindung zwischen dem von mir verwendeten Begriff ‚konzentriert‘ und Begrifflichkeiten des verabscheuungswürdigen NS-Verbrecherregimes entschieden zurückweise." Er habe das Wort "Lager" nicht verwendet, und der Begriff ‚konzentriert‘ habe sich inhaltlich auf eine geordnete Durchführung von Asylverfahren bezogen. "Eine menschenwürdige Unterbringung und eine gute Versorgung sind dabei eine Selbstverständlichkeit", betonte Kickl.

Alle Inhalte anzeigen Alle Inhalte anzeigen

Herbert Kickl ist ein Polit-Profi, und jetzt, als Innenminister, hat der versierte wie gefürchtete Rhetoriker dazugelernt: Er sagt "zur Heimkehr bewegen" statt "abschieben" und zieht den Begriff "Rescue Center" dem "Massenlager" vor. Die Semantik ist ein Hund, also "passierte" ihm bei der Präsentation der Asylstatistik neben dem verpönten Begriff "Asylant" noch etwas: Die geplanten Grundversorgungslager seien nur ein Begriff für die Infrastruktur, um Flüchtlinge während des Verfahrens "konzentriert an einem Ort zu halten".

Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob die Wortwahl eine bewusste Provokation gewesen sei, verlor Kickl kurz die antrainierte staatsmännische Contenance: Der FPÖ-Mann rollte mit den Augen, schnaubte, und korrigierte: "Man kann auch sagen: 'zusammenfassen'." Noch einmal darauf angesprochen, drehte Kickl den Spieß um: Nicht seine Formulierung, sondern die wiederholte Nachfrage der Journalisten sei hier die Provokation.Die öffentliche Empörung folgte auf dem Fuße: "Bis hier her und nicht weiter", empörte sich die Grüne Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. "Schäbig und unanständig" nannte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher die Wortwahl. Kickl solle sich eher "auf eine Entschuldigung konzentrieren", meinte Neos-Asylsprecherin Steffi Krisper.

Zwangsweise Ausreise

Alle Inhalte anzeigen

Ob Kalkül oder nicht – der Eklat überschattete am Donnerstag die Jahresbilanz des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA). Die Ansage von Chef Wolfgang Taucher: "Wir haben die Auswirkungen der Migrationskrise hinter uns gelassen, es kehrt wieder der Normalzustand ein." Von 2016 auf 2017 sind die Asylanträge um fast die Hälfte zurückgegangen. Die 1383 Mitarbeiter des BFA haben den Berg an Anträgen aus der Flüchtlingswelle 2015/’16 abgearbeitet, Asylverfahren dauern jetzt im Schnitt nur noch 6,6 Monate. Taucher sprach außerdem von einer "Trendwende": 2017 gab es erstmals überwiegend negative Asylbescheide (siehe Grafik). Im Vorjahr wurden 6910 Menschen zwangsweise außer Landes gebracht. Das sind um 41 Prozent mehr als 2015, als die Mehrheit noch mit finanziellen Anreizen (bis zu 1000 Euro als "Bonus") zur Heimreise bewogen wurde.

Bei den Außerlandesbringungen führen Staatsangehörige aus Nigeria die Liste an. Die Afghanen wurden als stärkste Antragsteller-Gruppe von den Syrern abgelöst, die nach wie vor die besten Chancen auf Asyl haben.

Keine Heimaturlaube

Mehr Rückkehrer, mehr negative Bescheide, schnellere Verfahren: Kickl erntet hier die Früchte seines Vorgängers Wolfgang Sobotka, der in seiner Amtszeit regelmäßig mit neuen Verschärfungen im Asylrecht aufwartete. Diesen Kurs will der FPÖ-Mann trotz deutlich entspannter Lage fortsetzen: Um die Verfahren zu beschleunigen, will Kickl Asylwerber in Grundversorgungszentren mit entsprechender Infrastruktur "zusammenfassen" (aka "konzentrieren").

Zur Identitätsfeststellung sollen deren Handy konfisziert werden – dabei seien aber nur die Geodaten von Interesse, betonte der Innenminister. Etwaiges Bargeld solle Flüchtlingen als eine Art Kostenbeitrag zum Asylverfahren abgenommen werden. Heimaturlaube könnten künftig zum Verlust des Asylstatus führen, denn: "Wer urlaubt freiwillig in dem Land, in dem man angeblich nicht sicher ist?" Kickl will seine Pläne noch im ersten Halbjahr auf Schiene bringen – und lässt erahnen, wie er es in der Asylpolitik mit der EU hält. Die vieldiskutierte Verteilungsquote lehnt er ab, denn: "Damit würde man ein wichtiges nationales Steuerungsinstrument aus der Hand geben."

Alle Inhalte anzeigen