Politik/Inland

Klug: "Ein Zaun hält nicht, was er verspricht"

Tagtäglich kommen mehrere Tausend Flüchtlinge im südsteirischen Grenzort Spielfeld an. Dass dieser Strom demnächst versiegen wird, ist unwahrscheinlich. Spätestens seit den Vorkommnissen vom 29. Oktober ist auch klar, dass dringend etwas getan werden muss. Damals ist es an der Grenze zu einem dichten Gedränge gekommen, Kinder mussten aus der Masse geholt werden, um nicht erdrückt zu werden. Es war äußerst brenzlig. Die Politik müsste also alle Kraft dafür aufwenden, die Sache möglichst rasch in den Griff zu bekommen. Aber was tut die Regierung? Sie streitet öffentlich über die Frage „Zaun – oder nicht Zaun?“ Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will ja eine „technische Sperre“ an der Grenze im Raum Spielfeld errichten. Da gehe es „auch um einen Zaun“, erläuterte sie vor einer Woche – und beauftragte ihren Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, ein Konzept zu erstellen. Mittwochabend verteidigte Mikl-Leitner ihr Position pro Grenzzaun in einer deutschen Talkshow erneut: „Ein Zaun ist nichts Schlechtes.“

"Zaun nicht notwendig"

Verteidigungsminister Gerald Klug ist anderer Ansicht. „Der Grenzzaun ist nicht notwendig“, richtete der SPÖ-Ressortchef seiner ÖVP-Kollegin am Donnerstag via Medien aus – und erläuterte seine Position so: „Ein Zaun hält nicht, was er verspricht.“ Er könne „umgangen werden“, würde also zu „unkontrollierten Grenzübertritten“ (an der grünen Grenze) führen. Zudem gebe es Bereiche, die man nicht abzäunen könne, etwa die Autobahn oder Bahnverbindungen. Es gebe außerdem günstigere und sinnvollere Alternativen, meint Klug. Diese skizzierte der Minister gemeinsam mit Generalstabschef Othmar Commenda und Generalleutnant Karl Schmidseder: Demnach müsste zunächst die Wartezone an der Grenze dringend „aufgewertet“ werden. Erweiterte Wartezone in SpielfeldEs seien mehr Zelte und Container nötig, damit die Ankommenden versorgt werden können. Zudem müsse es in dem Wartebereich mehrere Ein- und Ausgänge geben, damit es zu keinem gefährlichen Gedränge mehr kommt. Man müsste die Flüchtlinge auch darüber informieren, wann sie per Bus weitertransportiert werden. Über die Ausgestaltung der Wartezone herrsche „im Prinzip Konsens“ zwischen den Beamten des Verteidigungs- und des Innenressorts, berichtete Schmidseder. Aber es gebe „unterschiedliche Auffassungen“ darüber, was „die Maßnahmen links und rechts“ (vom Wartebereich) betrifft.

Grenzraumüberwachung

Mikl-Leitner propagiert eben den Zaun, Klug plädiert für eine Grenzraumüberwachung – mit technischen Gerätschaften („Nachtsichtgeräte“) und Patrouillen von Heer und Polizei. Um Spielfeld zu entlasten, tritt Klug auch dafür ein, dass Flüchtlinge zu anderen Grenzübergängen gelotst werden. Macht es ein gutes Bild, wenn sich Minister öffentlich etwas ausrichten? Klug meint, die Frage, ob ein Grenzzaun errichtet werde, könne man nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen. So weit wie Wiens Bürgermeister Michael Häupl, der Mikl-Leitner den Rückzug nahelegt, will der Minister aber nicht gehen.

Absprache nicht eingehalten

Hinter vorgehaltener Hand heißt es in Heereskreisen: „Wir sind uns bewusst, dass die Optik nicht gut ist, aber es geht nicht, dass mitten in Europa zwischen zwei Schengenstaaten ein Zaun errichtet wird.“ Man habe den Eindruck, dass im Hintergrund in Mikl-Leitners Ressort alle Planungen schon Richtung Zaun liefen. Die Gespräche auf Expertenebene seien Makulatur. „Wir haben das Gefühl, dass die den Zaun notfalls ohne uns machen. Sie haben ja auch schon Stacheldrahtrollen aufgestellt.“ Absprache nicht eingehaltenIm Innenressort hat man kein Verständnis für Klugs Gang an die Öffentlichkeit. „Die SPÖ hat uns erst vor wenigen Tagen gebeten, unser Konzept nicht alleine öffentlich zu präsentieren. Und jetzt macht Klug plötzlich eine Pressekonferenz und präsentiert seine Pläne. Die halten sich selbst nicht an das, was sie von uns gerne hätten“, ärgert sich ein Insider. In Mikl-Leitners Kabinett reagiert man nur knapp auf Klugs Kritik. „Die Experten haben unbeeinflusst ein Konzept ausgearbeitet“, sagt ein Ministersprecher. Die Expertise werde heute, Freitag, finalisiert – und demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der Sicherheitssprecher der ÖVP, Werner Amon, reagierte einigermaßen brüsk auf Klugs Vorstoß. Es gebe kein gutes Bild ab, "wenn hier vonseiten des Verteidigungsressorts fast eine Form des Wetteiferns beginnt", sagte Amon im Ö1-Morgenjournal. Das Bundesheer soll sich seine Rolle "zu Gemüte führen", der Polizei zu assistieren. Amon appellierte an das Verteidigungsministerium, in einer schwierigen Situation die Nerven zu behalten. Die Zuständigkeiten seien klar verteilt. Wenn die Pläne des Innenministeriums temporäre Zäune vorsehen, "um geordnet vorzugehen", dann sei das vom Koalitionspartner so zu Kenntnis zu nehmen.

Inhaltlich wollte sich Amon gar nicht zu dem alternativen Konzept äußern. Es halte es für "nicht sinnvoll, jeden einzelnen Vorschlag, den irgend jemand macht, zu kommentieren".

Kritisch zeigte sich der VP-Sicherheitssprecher zur Aufstellung des Bundesheeres. Man sei in vielen Bereichen "nicht auf dem Stand, wo wir sein sollten". Das Heer sollte auf unvorhersehbare Situationen vorbereitet sein. Daher sollten Fragen wie ein verlängerter Präsenzdienst "sofort angegangen werden". Auch einen Einsatz von Grundwehrdienern zum Grenzschutz kann sich Amon vorstellen.