EU vor Gipfel zerstritten bei Impfstoffverteilung und Exportkontrollen
Angesichts der Impfraten der anderen "global player" wie USA oder UK kann die EU nicht gerade von einem Erfolg sprechen. Sogar Chile hat eine höhere Durchimpfungsrate als die EU-Staaten. Die Impfkampagne der EU gegen das Coronavirus gewinnt nur mühsam an Fahrt. Die EU-Staats- und Regierungschefs beraten am Donnerstag bei ihrem Video-Gipfel erneut über Möglichkeiten, diese zu beschleunigen. Die Wünsche der 27 Mitgliedstaaten gehen dabei aber nicht immer in dieselbe Richtung. Ein Überblick:
Exportkontrollen
Wegen großer Lieferverzögerungen liegt die EU seit Jänner mit dem britisch-schwedischen Hersteller Astrazeneca im Clinch. In der Folge schrieb Brüssel vor, dass die Hersteller Ausfuhren genehmigen lassen müssen. Seitdem wurde zwar nur eine von Hunderten Lieferungen nicht erlaubt. Klar ist aber inzwischen, dass ein großer Teil der in der EU produzierten Corona-Impfstoffe exportiert wird. Größter Abnehmer ist Großbritannien. Zurück kommt von dort aber so gut wie nichts.
Am Mittwoch beschloss die Kommission deshalb eine deutliche Verschärfung der Exportkontrollen. Ausfuhrsperren sind nun auch möglich, wenn das Zielland selbst Impfstoff produziert, aber nicht exportiert, und wenn die Impfrate dort über der in der EU liegt - beides trifft auf Großbritannien zu. Länder wie Deutschland warnen aber vor Exportverboten, da dies zu Vergeltungsaktionen in den internationalen Lieferketten für Vorprodukte für Impfstoffe führen könnte.
Neuverteilung der Impfdosen in der EU
Mitte März hatte Österreich gemeinsam mit fünf weiteren EU-Ländern einen "Korrekturmechanismus" gefordert, weil sie sich bei der Impfstoffvergabe benachteiligt sehen. Neben Österreich beschwerten sich Tschechien, Slowenien, Bulgarien, Kroatien und Lettland. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlug daraufhin vor, zehn Millionen Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer, die nun vorgezogen im zweiten Quartal geliefert werden, für einen Ausgleich zu nutzen.
Bisher konnte von den Mitgliedstaaten aber keine Einigung erzielt werden. Deutschland schlug vor, nur drei der zehn Millionen Dosen einzusetzen, um die fünf Länder außer Österreich besser zu stellen. In EU-Kreisen heißt es zur Begründung, Wien stehe bei der Zuteilung im Vergleich zu den anderen Staaten gar nicht so schlecht da. Kurz sieht sich aber über den Tisch gezogen und will die Frage nun zum Gipfelthema machen.
Sputnik V
Bisher hat die EU 2,6 Milliarden Impfdosen bei sechs Herstellern geordert. Deutschland verlangt nun auch eine Bestellung des russischen Vakzins Sputnik V über die EU. Berlin forderte die EU-Kommission am Mittwoch auf, dazu "zeitnah" Gespräche aufzunehmen. Hintergrund ist die jüngste Bemerkung des aus Frankreich stammenden EU-Kommissars Thierry Breton, dass man das Sputnik-Vakzin nicht brauche.
In der EU ist Sputnik V noch nicht zugelassen. Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) hat aber ein sogenanntes rollierendes Verfahren zur Zulassung gestartet. Berlin verweist jedoch darauf, dass auch bei den anderen Impfstoffen Verträge vor der Zulassung geschlossen wurden.
Auf Basis nationalen Vorgehens nutzen zumindest Ungarn, die Slowakei, Tschechien sowie Italien den russischen Impfstoff bereits oder wollen ihn nutzen. Auch Österreich hatte mehrere Kontakte mit Russland, bei denen es um eine mögliche Lieferung des russischen Corona-Impfstoffs und eine etwaige Produktion in Österreich ging. Voraussetzung für Lieferungen nach Österreich sei aber eine EU-Zulassung, betonte Bundeskanzler Kurz immer.
EU-einheitlicher Impfausweis
Griechenland, Österreich und andere stark vom Tourismus abhängige Länder wollen mit einem Impfpass nach israelischem Vorbild die Sommersaison retten. Andere EU-Länder wie Belgien, Frankreich oder Deutschland, sehen einen Impfpass als Voraussetzung für Reisen aber skeptisch, weil bisher erst wenige Menschen in Europa geimpft sind und damit Privilegien für Geimpfte entstehen könnten.
Die Kommission versuchte vergangene Woche den Spagat und machte einen Vorschlag für ein "digitales grünes Impfzertifikat". Es soll Reisen erleichtern, ohne die Freizügigkeit von nicht Geimpften einzuschränken - und dafür auch Testergebnisse und Angaben über eine überstandene Corona-Erkrankung enthalten. Für Reisende könnten dadurch Test- oder Quarantänepflichten entfallen. Der Streit um die mit dem Ausweis verbundenen Rechte schwelt aber weiter. Das digitale Dokument soll auch erst im Juni fertig sein.