Ernst-Dziedzic und Kucharowits: Angriffe auf Kurden Völkerrechtsbruch
Die Nationalratsabgeordneten Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Katharina Kucharowits (SPÖ) verlangen vom Außenministerium und von der EU, die türkischen Angriffe auf kurdische Gebiete als völkerrechtswidrig zu bezeichnen. Dies erklärten beide auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien.
"Es sind nicht nur die jüngsten Angriffe, die zeigen, dass der türkische Präsident Erdogan systematisch gegen Kurden vorgeht", sagte die SPÖ-Mandatarin Kucharowits mit Blick auch auf frühere Militärinterventionen. Bei den Attacken "handelt es sich um gröbste Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts". Laut der Organisation 'Rojava Information Center' seien allein in Rojava zuletzt knapp 500 Ziele angegriffen worden. Dies habe rund 100 Zivilisten das Leben gekostet. Schon bei der türkischen Militäroffensive im syrischen Afrin im Jahr 2018 sei das Ziel gewesen, die kurdische Bevölkerung zu verdrängen, so Kucharowits. Und der von Präsident Recep Tayyip Erdogan eingerichtete "Sicherheitskorridor" an der türkisch-syrischen Grenze sei "de facto eine Besatzung durch die Türkei".
Kucharowits kritisierte die österreichische Regierung dafür, dass diese die Türkei nicht verurteile. Es sei nicht hinzunehmen, "dass vom Bundeskanzler und vom Außenminister nichts kommt", sagte sie. Die SPÖ habe daher einen parlamentarischen Antrag vorbereitet, der die Bundesregierung auffordere, die türkischen Angriffe zu verurteilen und dies gegenüber offiziellen Vertretern kundzutun.
Eva Ernst-Dziedzic, außenpolitische Sprecherin der Grünen, kündigte umgehend an, den Antrag der SPÖ zu unterstützen. Sie sei diesbezüglich in Gesprächen mit dem Koalitionspartner ÖVP und glaube, "weder an der ÖVP noch an den Grünen" werde es scheitern, den Antrag durchzubringen.
Ernst-Dziedzic pflichtete Kucharowits bei, dass es sich bei den türkischen Angriffen "ohne Zweifel" um Völkerrechtsbruch handle. Außerdem verlange sie nicht nur vom österreichischen Außenministerium, sondern auch von der EU eine klare Haltung zum Umgang der Türkei mit dem kurdischen Volk. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell müssten "klar Position beziehen". "Es handelt sich nicht nur um Angriffe auf militärische Ziele, sondern auch auf zivile Ziele, zivile Infrastruktur in kurdischen Gebieten, die eine Fluchtbewegung auslösen", verdeutlichte Ernst-Dziedzic.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nutze den Terroranschlag in Istanbul im November als Vorwand für die jüngsten Attacken gegen Kurden. Daher fordere sie eine internationale Untersuchung des Anschlags. So würde Erdogan die Grundlage für die Attacken entzogen werden.
Ernst-Dziedzic übte zudem Kritik an "Handshake-Terminen" österreichischer Politiker mit Erdogan. Heuer hatten sich sowohl Nationalratspräsident Werner Sobotka als auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig mit dem türkischen Präsidenten getroffen. Sie selbst, Ernst-Dziedzic, habe derartige Anfragen abgelehnt. "Ich werde der Türkei sicher nicht den roten Teppich ausrollen", bekundete sie.
An der Pressekonferenz nahm auch Thomas Schmidinger teil. Der Politikwissenschafter hält sich seit geraumer Zeit in Erbil auf, der Hauptstadt der kurdischen Regionalregion. "Die Türkei hat schon seit Jahren, von der internationalen Öffentlichkeit unbemerkt oder unkommentiert, Truppen im Nordirak stationiert mit dem Argument, gegen die PKK kämpfen zu müssen", erzählte er. Schmidinger warnte davor, dass die Angriffe der Türkei dazu führen würden, dass Anhänger des "Islamischen Staates" (IS) freikämen. Kurden bewachten nämlich Gefängnisse, in denen IS-Kämpfer säßen. Bereits bei Angriffen 2019 sei ein Camp so stark beschädigt worden, dass Mitglieder der Terrormiliz haben flüchten können. "Im Zuge des Angriffes würden nicht nur neue Flüchtlinge produziert, sondern es würde auch ein Sicherheitsrisiko für Europa bestehen, weil mit großer Wahrscheinlichkeit ehemalige IS-Kämpfer hier landen würden", warnte er.