Politik/Inland

Eklat in der SPÖ: Die jungen Roten planen den Aufstand

„Nie hatten wir weniger Zuspruch, noch nie hatten wir ein schlechteres Ergebnis, nie war der Abstand zur ÖVP größer in der Zweiten Republik. Es ist offensichtlich, dass wir ein massives Glaubwürdigkeitsproblem haben. Man glaubt uns nicht mehr, was wir sagen“, sagt der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher und fasst damit die Lage der Roten ganz gut zusammen.

Am Montag nach der Wahl tagten die roten Gremien, zuerst das (kleine) Präsidium, dann der große Bundesparteivorstand. Pamela Rendi-Wagner wiederholte nach der Sitzung, was sie schon am Wahlabend gesagt hatte: Mit dem Wahlergebnis könne man nicht zufrieden sein, doch die Richtung stimme. Damit habe sie natürlich nicht den Abwärtstrend (minus 5,6 Prozentpunkte) der SPÖ gemeint, sondern die Themen, auf die die Sozialdemokratie im Wahlkampf gesetzt hat: leistbares Wohnen, höherer Mindestlohn, Pflege verbessern.

Drozda tritt zurück

Schon am Vormittag war bekannt geworden, dass der SPÖ-Bundesgeschäftsführer und enge Vertraute von Rendi-Wagner, der ehemalige Kulturmanager Thomas Drozda, von seiner Vorstandsfunktion zurücktritt.

Rendi konnte am Abend gleich seinen Nachfolger präsentieren: Es ist der wenig erfolgreiche Wahlkampfmanager der vergangenen vier Monate, der Wiener Christian Deutsch. Einstimmig sei er gewählt worden, betonte Rendi-Wagner.

Nach KURIER-Informationen stimmt das so nicht ganz, dazu aber später mehr.

Tatsächlich dürfte im Parteivorstand ein Streit mit der roten Parteijugend eskaliert sein. Groß soll dabei vor allem der Aufstand der Jungen gewesen sein, auch von der bekannt streitbaren 26-jährigen Julia Herr. Die prononciert linke Jungpolitikerin bleibt vorerst ohne Nationalratsmandat. Weil einer der Parteigranden nicht darauf verzichten, sondern dieses „selbstverständlich“ annehmen will: der soeben zurückgetretene Thomas Drozda.

Der Streit, so wurde nach der Sitzung dem KURIER erzählt, eskalierte immer mehr. Bis Doris Bures, zuletzt Zweite Nationalratspräsidentin, mahnend einwarf: "Wenn wir nicht solidarisch miteinander umgehen, ist das der Untergang der Sozialdemokratie."

Jugend stimmte nicht mit

Was uns wieder zu dem neuen Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch und seiner „einstimmigen“ Wahl im Parteivorstand bringt: Denn einstimmig soll das Votum nur gewesen sein, weil zuvor alle Vertreter eben dieser Jugendorganisationen die Sitzung verließen.

SPÖ muss sich als Gesamtpartei neu aufstellen: inhaltlich, organisatorisch und personell. Habe nach heutiger Sitzung das Gefühl, dass wir das noch öfter fordern müssen bis wir das umsetzen. Haben Sitzung vorzeitig verlassen, weil sinnlose Diskussion. Arbeiten weiter dran!“, twitterte Julia Herr nach der Sitzung.

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Als Rendi-Wagner vor die Kameras trat, war das alles noch nicht bekannt. Auf die Frage, wie sie es mit der seit jeher konfrontativen Parteijugend halte, und ob diese auch in Spitzenfunktionen der Bundespartei komme, erklärten Deutsch und Rendi-Wagner unisono: Es werde nun an einem „Bündel von Maßnahmen“ gearbeitet, es werde ein „Strukturanpassungsprozess“ aufgesetzt, der rasch angegangen werde. Das werde aber wohl eine gewisse Zeit dauern.

Erwartbar dann die Analyse der Gremien, warum die Partei am Wahltag so ein Desaster erlebt hatte: Weil viele rote Wähler, die 2017 von den Grünen zur SPÖ wechselten, wieder zurück zu den Grünen gegangen seien. Und ein Großteil der ehemaligen FPÖ-Wähler, die „Enttäuschten“, nannte sie Rendi-Wagner, offenbar mehr inhaltliche Übereinstimmungen mit der ÖVP gefunden hätten.

Den roten Wahlkampf habe Rendi-Wagner als sehr gut, sauber und strukturiert empfunden, Deutsch habe das perfekt organisiert. Auch Deutsch zeigte sich erfreut, obwohl: „Vielleicht hätten wir mehr Zeit gebraucht.“

Natürlich musste sich die Parteichefin, die erst seit neun Monaten an der Spitze steht, auch einiges von den Genossen aus den Bundesländern anhören. Gewohnt scharfzüngig gegen Wien war etwa Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer. Er hält zwar wie alle seine Parteikollegen zu Rendi-Wagner, sie habe sich im Wahlkampf „bemüht“. Seine Analyse war eine andere: „Der klassische FPÖ-Wähler wählt keine Frau mit Doppelnamen.“