Ein Sinkflug mit ungewisser Landung
Von Christian Willim
KURIER: Bei Ihrem Antreten als VP-Obmann 2009 wollten Sie die Absolute zurückerobern. Nun drohen erneut Verluste. Was ist schiefgelaufen?
Günther Platter: Aufgrund der Bilanz, die ich vorzuweisen habe, hat sich Tirol richtig entwickelt. Wir haben europaweit die geringste Arbeitslosigkeit, haben die Finanzen fest im Griff und die niedrigste Verschuldung im Vergleich zu allen anderen Bundesländern. Man kann sagen, dass Tirol in diesen fünf Jahren stärker geworden ist. Es war aber nicht absehbar, wie viele Listen antreten. In keinem anderen Bundesland treten gleich elf Listen an. Und dennoch ist unser Ziel, die derzeit 16 Mandate zu halten.
Bei einigen der Konkurrenzlisten ziehen ehemalige prominente VP-Mitglieder die Fäden. Ist es nicht Ihre Aufgabe als Chef, die eigenen Reihen geschlossen zu halten?
Es kandidieren auch Personen von anderen Parteien. Bei Vorwärts Tirol ist zum Beispiel der ehemalige SPÖ-Landesrat Hans Lindenberger Spitzenkandidat. Bei dieser Liste sind die meisten Ex-Politiker (Anmerkung: u.a. Ex-VP-Landesrätin Anna Hosp). Man spürt schon, dass hier die Frustration eine besondere Rolle spielt.
Aber müssen nicht Sie diese Frustration verantworten?
Entscheidend ist die Geschlossenheit einer Partei. Deshalb war der Parteitag vor einer Woche besonders wichtig. Man hat gesehen, dass die Tiroler VP absolut geschlossen ist, sonst bekommt man nicht 98,3 Prozent.
2008 hat die Liste des VP-Rebellen Fritz Dinkhauser massiv Stimmen gekostet. War es klug, ihn und damit die zweitstärkste Kraft in Opposition zu schicken?
Das war die richtige Entscheidung. Denn wenn man sich anschaut, was sich in diesen fünf Jahren abgespielt hat, war die Liste Fritz Dinkhauser kein Partner, mit dem man zusammenarbeiten hätte können. Es ist gepoltert und diffamiert worden. Es wurde nur eine Dagegen-Politik gemacht. Und jetzt hat sich Fritz Dinkhauser verabschiedet. In dieser bunt zusammengemischten Truppe war das bürgerliche Gedankengut weitgehend nicht vorhanden.
Mit Vorwärts Tirol tritt erneut eine VP-Dissidentenliste mit guten Erfolgschancen an. Anna Hosp hat etwa Chancen, den Bezirk Reutte und damit eine schwarze Hochburg zu erobern. Macht Ihnen das Sorgen?
Zunächst ist jeder Bezirk gleich wichtig. Wir haben in Reutte mit Sonja Ledl eine Spitzenkandidatin, die ebenfalls gerade auf einem Parteitag von den Funktionären eindrucksvoll gewählt wurde. Und ich bin überzeugt, dass die Mobilisierung der Partei in Reutte funktioniert.
Sie betonen stets, wie gut das Land dasteht. In der Wählergunst ist das laut Prognosen nicht abzulesen. Warum?
Man hat bei vielen Wahlgängen gesehen, wer die Verlierer waren. Meistens waren es jene, die die Umfragen gemacht haben. Entscheidend ist für mich der 28. April. Da werden wir eindeutig sehen, was die Tiroler von meiner Politik gehalten haben.
Für eine Regierungsbildung brauchen Sie mindestens einen Partner. Wie wollen Sie den finden? Fast alle Parteien machen in der Agrargemeinschaftsfrage die Rückübertragung des Gemeindeguts zur Koalitionsbedingung. Sie lehnen diese ab.
Derzeit schmieden die anderen Parteien Pläne, um eine Regierung gegen die ÖVP zu bilden. Wenn so eine Konstellation möglich wird, haben wir italienische Verhältnisse. Wir haben ein klares Konzept für die Zukunft des Landes. Nach der Wahl werden wir mit jeder Liste reden und schauen, mit wem wir inhaltlich zusammenarbeiten können.
Das Thema leistbares Wohnen ist bei den Tiroler Landtagswahlen, wie bei vielen vorangegangen, wieder akut. Warum geht hier nichts weiter?
Das ist ein Thema, das die Tiroler tatsächlich berührt. Wir haben gemeinsam mit dem Koalitionspartner vor zwei Monaten beschlossen, dass wir bei den Wohnbaudarlehen im Bereich der Zinsen eine Verflachung vornehmen. Außerdem wollen wir bei der Bauordnung und der Raumordnung Regelungen schaffen, die das Wohnen noch günstiger machen sollen. Und wir werden in den nächsten fünf Jahren 11.500 Wohnungen errichten.
Das sind aber auch nicht mehr Wohnungen als in der letzten Legislaturperiode gebaut wurden.
Das entspricht dem derzeitigen Bedarf. Wenn sich herausstellt, dass nachgebessert werden muss, haben wir in Tirol die finanzielle Möglichkeiten dazu.
Auf dem Parteitag der Tiroler VP haben sie maximale Steuerhoheit für die Länder gefordert. Wie soll die aussehen?
Mein Ziel ist, dass wir nicht nur die Möglichkeit der Gestaltung bekommen, sondern auch mehr Verantwortung übernehmen. Und in einem Land wie Tirol hat man gute Gestaltungsmöglichkeiten, damit es auch einen Wettbewerb unter den Ländern geben kann.
Besteht bei so einem Wettbewerb nicht die Gefahr, dass manche Länder Zuckerln vergeben, die andere sich nicht leisten wollen?
Wenn man selbst für das Geld verantwortlich ist, dann selbstverständlich. Aber wenn es so ist, wie in Kärnten, wo das Geld auf der Straße verschenkt worden ist, und dann andere Länder dafür zahlen müssen, da bin ich nicht damit einverstanden. Dass sind Auswüchse, weshalb wir jetzt in diese Richtung diskutieren. Jeder muss dann schauen, dass er sein Budget in Ordnung hält.
Im Herbst wird der Nationalrat gewählt. Glauben Sie, dass Sie dann noch LH sind?
Ich bin sehr überzeugt davon. Das Wahlziel ist klar: 16 Mandate. Wir werden in den kommenden zwei Wochen noch voll mobilisieren. Mir ist immer lieber, wenn man unterschätzt wird.
Gibt es ein Ergebnis, bei dem Ihre Schmerzgrenze erreicht ist?
Es gibt eine Schmerzgrenze: Wenn gegen die ÖVP eine Regierung gebildet wird. Weil dann ist eindeutig Stillstand im Land. Deshalb trete ich an, mit der Tiroler VP ein Ergebnis zustande zu bringen, um dieses Chaos zu verhindern.
Wenn es so eine Situation eintritt, würden Sie dann den Hut draufhauen?
Dann bin ich logischerweise auch nicht mehr Landeshauptmann.
Günther Platter (geb. 1954) wird in seiner Heimatgemeinde Zams zum Bürgermeister gewählt.
1994Der Ex-Gendarm geht als NR–Abgeordneter nach Wien.
2000Platter kehrt nach Tirol zurück und wird Sport- und Kulturlandesrat.
2003wird der Tiroler wieder nach Wien berufen und übernimmt den Posten des Verteidigungsministers. 2007 wechselt er ins Innenministerium.
2008Nach der Niederlage von Herwig van Staa bei den Tiroler Landtagswahlen wird Platter Landeshauptmann und VP-Chef.
Zwei Wochen vor der Tiroler Landtagswahl ist noch jeder dritte der rund 532.500 Wahlberechtigten unentschlossen. Das darf nicht weiter verwundern. Die Auswahl an Listen ist so groß wie nie zuvor. Elf Parteien treten an. Das macht Prognosen über mögliche Ergebnisse schwierig. Insbesondere im Hinblick auf die künftige Mandatsverteilung. Denn eine der großen Fragen ist: Wer kommt in den Landtag und wer bleibt draußen?
Je mehr Parteien am Einzug scheitern, desto besser für die Volkspartei. Die sieht sich mit den schlechtesten Umfrageergebnissen aller Zeiten konfrontiert. Die aktuellste Umfrage gibt ihr nur 34 Prozent. Das wäre ein Minus von rund sechs Prozent. Das Halten der 16 Mandate - erklärtes Ziel der VP - wäre trotzdem möglich. Die Wahlarithmetik will es so. Denn am Kuchen von insgesamt 36 Mandaten kann nur mitnaschen, wer den Einzug in den Landtag schafft. Die Hürde liegt bei fünf Prozent.
Seit 1945 ist die Volkspartei ununterbrochen am Ruder. 2008 ging die absolute Mandatsmehrheit verloren. Die Regierung wurde gemeinsam mit der SPÖ gebildet, die ebenfalls ein sattes Minus von zehn Prozent einfuhr und auf den dritten Platz abstürzte. Nach dem 28. April muss sich die VP dann vielleicht sogar noch um einen dritten Partner umschauen. Einige Konkurrenten träumen hingegen schon von einer Koalition ohne Volkspartei, was sich aber nur schwer ausgehen dürfte.
Die Schwarzen warnen dennoch vor „Chaos und italienischen Verhältnissen“. Vier bis fünf Parteien müssten sich zusammentun, um die Volkspartei in Opposition zu schicken.
Ihre Schwäche hat wohl auch die Listenvielfalt erhöht. Mit Vorwärts Tirol tritt etwa eine neue Gruppierung an, die mit jeder Menge enttäuschter Ex-VPler aufwarten kann. Sie liegt laut einer Umfrage der TT derzeit bei elf Prozent. Ebenfalls aus dem Umfeld der Volkspartei kommt der ehemalige Wirtschaftsbündler Patrick Pfurtscheller mit seiner Liste Für Tirol. Seine Chancen auf einen Einzug in den Landtag stehen jedoch schlecht.
Das gilt auch für den Transitrebellen Fritz Gurgiser (Bürgerklub), der ebenfalls mit einer Bürgerliste antritt und somit der VP stimmen abjagen könnte. 2008 zog er noch gemeinsam mit dem VP-Dissidenten Fritz Dinkhauser in den Wahlkampf. Zusammen eroberte man auf Anhieb den zweiten Platz. Nach einem Krach gingen die Alpha-Männer getrennte Wege. Dinkhauser hat sich inzwischen in die Polit-Pension verabschiedet. Seine Liste Fritz dürfte es nur knapp wieder in den Landtag schaffen.
SPÖ und Grüne rittern laut Umfragen um Platz zwei (beide 14 Prozent). Die FPÖ darf mit rund zehn Prozent rechnen. Den Blauen dürfte das Antreten des Team Stronach Kopfschmerzen bereiten, das erst seit Donnerstag endgültig feststeht. KPÖ und Piraten dürfen sich nur wenig Hoffnungen auf Landtagsmandate machen.