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Dompfarrer Toni Faber: "Bei 'Stille Nacht' bebt der Dom"

KURIER: Warum eigentlich feiert man auf der ganzen Welt, egal, welchen kulturellen Background man hat, Weihnachten? Was ist das Faszinierende an der Weihnachtsgeschichte?

Toni Faber: Ich glaube, das Angebot der christlichen Weihnacht ist für Menschen aller Religionen und Gesinnungen zu spüren, dass es um Frieden geht und um ein Fest der Familie. Die Gottesgeburt im Kleinen, in Bethlehem, dass Gott Mensch wird, soll Platz haben auf der ganzen Welt, in allen Religionen und Gesinnungen.

Also ist Weihnachten so etwas wie das interkulturelle Fest des Jahres?

Es ist eine christliche Einladung dazu, an alle, Frieden im Herzen zu schaffen, als Vorausbedingung für Frieden in der Welt.

Welche menschlichen Sehnsüchte spricht Weihnachten an?

Die Sehnsucht, dass nicht nur die Großen, die Mächtigen und die Starken zählen, sondern auch, dass ich, so klein ich mich auch manchmal fühle, angenommen bin von Gott. Wir alle wollen in dem, wo wir nicht so stark und großartig sind, angenommen werden. Dafür bietet diese christliche Weihnacht eine schöne Klammer.

Ist zu Weihnachten nur die Vorfreude auf das Schenken so groß oder freut man sich auch über freie Zeit, in der man nicht ständig wegen der Arbeit auf das Handy schauen muss?

Neben den festlichen Gottesdiensten ist sicherlich auch diese freie Zeit etwas, was wir uns sehr gerne schenken lassen. Für mich und für andere in der Gastronomie, der Hotellerie und in den Skibetrieben ist dem natürlich nicht so. Auch im Dom und in den Pfarrkirchen wird gut gefeiert, da wird auch einiges geleistet, aber dann kann man ausspannen.

Sie werden sicher oft gefragt, wie man der Überkommerzialisierung des Festes heutzutage noch entgehen kann.

Ich möchte nicht in den Chor derer einstimmen, die darüber jammern. Es ist doch immer wieder eine Gelegenheit, in dieser Hektik innezuhalten. Auf Weihnachtsfeiern werde ich immer wieder gefragt: Herr Pfarrer, sag' uns ein paar stille, besinnliche Worte. Alleine für diese Gelegenheiten ist die Hektik sehr gerne in Kauf zu nehmen.

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Der 24. Dezember ist ja für viele der einzige Tag, an dem sie in die Kirche gehen. Schmerzt Sie das als Pfarrer?

Das Glas ist halb voll oder halb leer. Ich freue mich wahnsinnig, dass an Weihnachten 5000 Leute in den Stephansdom kommen, bedaure es aber nicht, dass nicht jeden Tag so viele den Gottesdienst besuchen.

Wie könnte man diesen Esprit der Mette den Menschen mitgeben, damit sie auch unterm Jahr in die Kirche gehen?

Das versuche ich bei der Predigt um Mitternacht heute zu sagen und es den Menschen mitzugeben. Ob das von großem Erfolg geprägt ist, wird nicht an mir liegen. Es wird daran liegen, wie Menschen sich selbst ihre Zeit einteilen. Ich kränke mich darüber nicht. Denn wir machen ja den Großteil unserer Arbeit nicht im Gottesdienst, sondern das ganze Jahr über.

Apropos Predigt: Wie unterscheidet sich die Predigt, die sie an Weihnachten halten, von der, die sie unterm Jahr am Sonntag halten?

Die Situation ist zur Christmette einfach eine ganz andere. Es liegen Erwartungen und Emotionen in der Luft. Die Menschen stehen dicht an dicht im Dom. Wenn man durch die Menge schreitet, weiß man, die Menschen wollen jetzt ein Wort der Hoffnung hören, nicht ein Wort der Ernüchterung oder der Anklage.

Das Lied „Stille Nacht, Heilige Nacht“ feiert dieses Jahr Jubiläum. Es wurde in 330 Sprachen und Dialekte übersetzt. Was macht es so erfolgreich?

Ich finde das Lied beeindruckend, weil es die Friedensbotschaft von Weihnachten so gut zusammenfasst.. Bei der Kinderkrippenandacht singe ich mit den Kindern besonders gerne „Als aller Hoffnung Ende war“, aber „Stille Nacht, Heilige Nacht“ toppt natürlich alles. Das singen wir dann ganz am Ende der Mitternachtsmette. Da bebt der Dom und das Herz bebt mit.

Sprechen Sie in Ihrer Predigt auch Aktuelles an, etwa den Skandal um Bischof Schwarz?

Alles, was bedrängend ist, können wir nicht einfach ausblenden. Aber auch bei einem Geburtstagsfest würde man nicht alle Schwierigkeiten, die es in der Familie gibt, auf das Tapet bringen. Wenn wilde Dinge im Raum stehen, muss man denen sicher auch begegnen. Doch ich konzentriere mich beim Feiern auf das Freudvolle, auf das Verbindende.

Jesus, Maria und Josef, das ist ja eine Flüchtlingsfamilie. Derzeit wird diskutiert, eine nächtliche Ausgangssperre über Flüchtlingsheime zu verhängen. Wie sehen Sie das als Pfarrer?

Ich glaub, es sind überall Hausregeln einzuhalten, man muss sich auf eine Lösung einigen. Wenn minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge nachts auf die Straßen gehen, sind sie allem ausgesetzt was in diesem Land möglich ist. Ich beneide niemanden, der dafür Verantwortung trägt.

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Das heißt, sie haben durchaus Verständnis für die Maßnahme?

Ich habe Verständnis, dass es Sorge gibt. Einsperren kann man natürlich niemanden, das wissen viele, die Unterkünfte betreuen, dass man nicht zusperrt und den Schlüssel abzieht. Das ist unmenschlich. Aber man muss Regeln aufstellen, diese gut kommunizieren und dann wird das jeder Vernünftige verstehen.

Zum Schluss: Wie schaut Weihnachten bei Ihnen aus?

Heute am Heiligen Abend findet zuerst die Kinderkrippenandacht mit etwa 250 Kindern statt. Dann folgt die Mozart-Vesper mit dem Kardinal, danach feiere ich mit Obdachlosen und Einsamen im Pfarrhaus. Dann ziehe ich mich zurück, um die Predigt gut vorzubereiten. Um 24 Uhr ist die Mette, danach stoße ich mit Freunden an. Erst am Abend des 26. feiere ich dann in einem Lokal mit meiner Familie.