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DNA-Tests bei Familiennachzug: Warum Nehammers Vorschlag polarisiert

Bis zu 900 Anträge auf Familiennachzug werden derzeit pro Monat in Österreich gestellt. Heißt: Partner oder minderjährige Kinder von Asylberechtigten dürfen im Sinne der Familienzusammenführung auch nach Österreich ziehen. Rund die Hälfte der Personen, die heuer bisher nachgeholt wurden, war laut Innenministerium (BMI) Kinder. In Wien wurden zuletzt die Schulplätze knapp, weil monatlich rund 300 Kinder syrischer Asylberechtigter in die Hauptstadt kamen.

Die ÖVP will nun gegensteuern. "Wir werden den Familiennachzug durch strikte Überprüfungen beschränken", kündigte Bundeskanzler Karl Nehammer am Sonntag an. Sein Ansatz: schärfere Kontrollen und DNA-Tests. Innenminister Gerhard Karner und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) seien angewiesen worden, die Maßnahmen bereits "in den nächsten Tagen wirksam umzusetzen". Eine Zustimmung der Grünen ist nicht nötig.

Krisper: "Bereits jetzt rechtlich möglich"

Für Aufregung sorgt vor allem Nehammers Forderung, verstärkt auf DNA-Tests zu setzen. "Schon beim geringsten Zweifel müssen auch DNA-Tests durchgeführt werden, damit wir absolut sicher sein können, dass hier kein Missbrauch betrieben wird", betonte der Kanzler.

Der Vorschlag zeuge "von mangelnder Rechtskenntnis des Bundeskanzlers", meint Neos-Asylsprecherin Stephanie Krisper in einer Aussendung. Nehammer müsste sonst wissen, dass DNA-Tests bei Familiennachzug bereits jetzt rechtlich möglich seien und in der Praxis auch bereits angewendet würden. Statt "populistischem Wahlkampfgetöse" brauche es einen konstruktiven Weg, so Krisper.

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Dass es bereits die Möglichkeit von DNA-Tests beim Familiennachzug gibt, wird durch Nehammers Äußerungen prinzipiell nicht in Zweifel gezogen. Der Kanzler hatte ja angekündigt, die geltende Version verschärfen zu wollen. Wie sieht diese aus?

Familienmitglied hat Recht auf DNA-Analyse

Auf die geltende rechtliche Grundlage weist Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination Österreich auf X hin. Laut dem Verfahrensgesetz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ist es derzeit so, dass das Familienmitglied selbst ein Recht auf die Vornahme einer DNA-Analyse hat. Und zwar dann, wenn das BFA oder das Bundesverwaltungsgericht die Verwandtschaft mit dem Asylberechtigten mangels vorliegender Urkunden in Zweifel zieht und eine "negative" Prognoseentscheidung fällt.

Im ersten Quartal 2024 fielen von 4.050 Prognoseentscheidungen - davon handelte es sich in 3.717 Fällen um Syrer - lediglich 267 negativ aus. Prinzipiell sind DNA-Tests derzeit die Ausnahme. Bei einer Gesetzesverschärfung müssten DNA-Tests also auf positive Prognosen ausgedehnt werden.

Derzeit gilt: Der Antragsteller muss bei einer negativen Prognose über die Option der DNA-Analyse informiert werden und die Kosten vorerst selbst übernehmen. Aber: "Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält", heißt es im Gesetz.