Politik/Inland

Die zwei Gesichter des Harald V.

Er stempelt den EU-Kommissionspräsidenten als Alkoholiker ab, mauschelt mit italienischen Faschisten und macht mit offenen EU-Feinden wie Marine Le Pen gemeinsame Sache. Laut, grob, angriffig: So kennt man Harald Vilimsky als Politiker.

Als der KURIER ihn anlässlich seiner EU-Spitzenkandidatur zum Gespräch trifft (heute beschließt die FPÖ den Rest der Liste), zeigt derjenige, der als "Mann fürs Grobe" gilt, andere Seiten: Er erzählt etwa, dass er Französisch und Englisch übt, indem er sich Polit-Serien im Original-Ton ansieht; wie stolz er auf seine Tochter ist, die Jus studiert und vier Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Russisch und Italienisch) spricht; und dass er beim Extremsport zuweilen der Verzweiflung anheimfällt.

Wie sich der FPÖ-Generalsekretär selbst gerne sieht, macht ein Bild hinter seinem Schreibtisch deutlich: Auf den Actionhelden Bruce Willis wurde Vilimskys Kopf montiert. Harald "Bruce" Vilimsky, ein Hau-drauf-Typ. Die feine Klinge ist seine Sache tatsächlich nicht. „Lieber Othmar Karas, ich werfe Ihnen den blauen Fehdehandschuh ins Gesicht“, rief Vilimsky auf einer FPÖ-Veranstaltung in Richtung seines Rivalen.

Im KURIER-Gespräch sagt er dann, gemütlich in seinen Sessel gelehnt: "Ich schätze Othmar Karas persönlich sehr." Der ÖVP-Mann sei für ihn der einzige Fremd-Mandatar, mit dem man "zivilisiert reden" könne. "Bei Rot und Grün merkst du nur Ablehnung und Hass", sagt der FPÖ-Mann, der stirnrunzelnd hinzufügt: "Das ist doch keine Art, wie man miteinander umgeht."

„Anti-EU-Populist“

Er, so betont er, sei "immer respektvoll anderen gegenüber. Immer? (siehe oben).

Naja. Er räumt ein: „Als Generalsekretär ist man die Speerspitze im Angriff. Wenn ich mich etwas akzentuiert ausdrücke, dann mit dem Ziel, ein Problem entsprechend in die Diskussion zu bringen.“ Ob ihm das Spaß macht? "Mitunter ja."

Karas hatte seinerseits angekündigt: „Ich kämpfe gegen die Anti-EU-Populisten, die Europa zerstören wollen.“

Vilimsky fühlt sich da nicht angesprochen. "Ich bin nicht in die Europapolitik gegangen, um Dinge zu konterkarieren oder zu zerstören", erklärt er, "sondern um meinen kleinen Beitrag zu leisten, es in die richtige Richtung zu bringen".

Ist das FPÖ-Raubein etwa zahm geworden? Ist es Taktik? Ein „neuer Stil“? Oder hat Vilimsky das jüngste Eurobarometer gesehen? Für 40 Prozent der Österreicher hat die EU im Allgemeinen ein positives Image, nur 22 bewerten sie negativ. 2013, vor der letzten EU-Wahl, lautete das Verhältnis noch 25 zu 35 Prozent.

Wenn Vilimsky heute die EU kritisiert, dann insofern, dass der Apparat zu aufgebläht sei. Im Rahmen des EU-Reformprozesses favorisiert der FPÖ-Delegationsleiter das Szenario Nummer 4: Weniger, aber effizienter – also mehr Selbstbestimmung der Nationalstaaten. "Ich begreife Europa als einen Ort des Pluralismus, der nur funktioniert, wenn man die unterschiedlichen Mentalitäten, die lieb gewonnenen Eigenschaften der Einzelnen würdigt. Die möchte ich nicht in einem europäischen Einheitsbrei untergehen sehen", sagt der FPÖ-Mandatar.

Auf dieses Szenario könnten sich die drei rechtspopulistischen Fraktionen im EU-Parlament einigen, meint Vilimsky. Eine gemeinsame Fraktion geht sich bis zur Wahl am 26. Mai nicht aus. Jüngste Umfragen würden dieser Fusion beste Chancen attestieren: Nach der Europäischen Volkspartei (EPP), die schrumpfen dürfte, könnten sie zweitstärkste Kraft werden.

„Freunde bleiben“

Das neue Sitze- bzw. Machtverhältnis hängt auch vom Brexit ab. Den Austritt Großbritanniens aus der EU würde er im Sinne eines "Lass uns Freunde bleiben" lösen und nachverhandeln. "Wenn man sich da und dort noch etwas Gutes tun kann, wüsste ich nicht, was dagegen spricht", sagt Vilimsky. Dagegen sprechen sich Kanzler Sebastian Kurz und so gut wie alle Verhandler auf EU-Ebene aus.

Apropos: War die FPÖ nicht früher einmal für einen Öxit? Angedacht war ein Austritts-Referendum nur, weil ein Beitritt der Türkei im Raum stand, korrigiert Vilimsky, und sagt heute: "Es ist schon hart, den europäischen Einigungsprozess zu ramponieren, indem man sagt: Danke, es reicht mir."

Im Wahlkampf dürfen von Vilimsky als "Speerspitze" wesentlich schärfere Töne erwartet werden. Die Zuspitzung, das Extreme, gehört zu seinem Job; privat braucht er es mittlerweile ruhiger, wie der 52-Jährige erklärt. Wobei sein früheres Hobby passend scheint: Wüsten-Touren am Motorrad.

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„Sand ist nicht gleich Sand“, erklärt er, und hinter jeder Düne lauert eine Überraschung. „Dass man x-Mal stürzt, einem der Schweiß überall herunterrinnt, und man nur noch verzweifelt ist, vergisst man zum Glück. In Erinnerung bleiben nur die tollen Eindrücke.“

Der KURIER porträtiert vor der EU-Wahl in loser Folge die Spitzenkandidaten aller Parteien.

Vilimsky im Wortlaut

„Ich schätze Othmar Karas persönlich sehr. Er ist für mich der einzige der anderen Mandatare, mit dem  man zivilisiert reden kann.“
Vilimsky im KURIER-Gespräch

„Ich bin immer respektvoll anderen gegenüber.“
...über sein Hau-drauf-Image

„Ich bin nicht in die Europapolitik gegangen, um zu zerstören, sondern um meinen Beitrag zu leisten, es in die richtige Richtung zu bringen.“
...wie er seine Aufgabe sieht

„Ich habe gesagt, dass die Entwicklung verfehlt ist. Das heißt nicht, dass ich sage, ’Juhu, raus aus der EU.’“
...zur früheren Öxit-Forderung

„Man kann nicht sagen: Bist du nicht wie ich, dann lasse ich dich schlecht ausschauen. Man bringt anderen Kulturen Respekt entgegen.“
...über die Kritik anderer an Orban, Trump und Putin

„Lieber Othmar Karas, ich werfe Ihnen den blauen Fehdehandschuh ins Gesicht, in politischer Art.“
... beim FPÖ-Neujahrstreffen zur Kandidatur seines Rivalen

„Torkelnder Juncker soll rasch den Hut nehmen.“  
...sagte er 2018 über den Präsidenten der EU-Kommission

„Ein frustrierter Grüner. Er agiert nicht überparteilich. Mein Präsident ist er nicht.“
... konterte er, als Van der Bellen ihn für diesen Sager rügte

„Das Ergebnis ist eine Weichenstellung für die Demokratie und gegen den politischen Zentralismus, aber auch gegen den anhaltenden Migrationswahn.“
... Vilimsky und Strache über das Brexit-Referendum

„Ein großartiger Politiker, der mit dem korrupten linken Polit-Netzwerk aufräumt.“
... über Donald Trump

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Zur Person

Harald Vilimsky Geboren 1966 in Wien, wuchs Vilimsky mit seiner Mutter, einer Krankenschwester, und seinem Stiefvater in Favoriten auf. Seinen leiblichen Vater hat er nie kennengelernt; die Mutter starb, als er 16 Jahre alt war. Nach einem Lehrgang für Öffentlichkeitsarbeit war er beim Kuratorium für Verkehrssicherheit tätig. 1991 kam er zur FPÖ und lernte Strache kennen, der ihn 2004 zum Landesparteisekretär in Wien machte. 2014 wurde der frühere Nationalratsabgeordnete ins EU-Parlament gewählt. Vilimsky ist verheiratet und hat eine 18-jährige Tochter.