Doppelte Inflation: Niedrige Pensionen werden kräftig erhöht
Knapp zwei Millionen Menschen, ganz genau: 1.965.991, erhielten im Dezember 2018 eine Pension. Das sind in etwa 22 Prozent der Bevölkerung und ein noch viel größerer Anteil derer, die am 29. September wählen gehen werden, weil ältere Menschen verlässlicher wählen gehen als jüngere.
Kein Wunder also, dass Pensionisten eine vor allem in Wahlkampfzeiten extrem umsorgte Bevölkerungsgruppe sind. So auch in diesem Jahr, oder besser gesagt: besonders in diesem Jahr. Das liegt daran, dass der Seniorenrat, die gesetzlich anerkannte Interessensvertretung der heimischen Senioren, seine Karten ausgezeichnet ausgespielt und für den heutigen Mittwoch, praktisch genau einen Monat vor der Nationalratswahl, zum "Pensionsgipfel" geladen hat.
Nach etwas über einer Stunde Verhandlungszeit gaben die Verhandler dann um kurz nach 12 Uhr das Ergebnis bekannt: Kleine Pensionen bis 1.111 Euro werden im kommenden Jahr um 3,6 Prozent erhöht, darüber wird die Erhöhung bis zu einer Pension von 2.500 Euro stufenweise abgeschmolzen. Pensionen über 2.500 Euro werden um den errechneten Inflationswert von 1,8 Prozent erhöht.
An sich hätten alle Pensionen für 2020 um diese 1,8 Prozent erhöht werden sollen. Der Seniorenrat forderte aber deutlich mehr: Kleine Pensionen bis 1.250 Euro sollten demnach um den doppelten Wert der gesetzlichen Anpassung, also um 3,6 Prozent erhöht werden. Darüber sollte die Anpassung bis zur ASVG-Höchstpension von derzeit 3.477 Euro bis auf 1,8 Prozent stufenweise abgeschmolzen werden.
Die Grenzbeträge haben sich nun in den Verhandlungen zwischen Finanzminister Eduard Müller, Sozialministerin Brigitte Zarfl, den Klubobleuten von ÖVP, SPÖ und FPÖ sowie den den Präsidenten des Seniorenrats, Peter Kostelka und Ingrid Korosec, noch leicht verschoben. Unterm Strich bleibt aber eine deutliche Erhöhung kleiner Pensionen.
"Höchste Anpassung seit 25 Jahren"
Entsprechend freute sich Kostelka, Präsident des SPÖ-Pensionistenverbands, auch über einen "außerordentlich erfolgreichen" Gipfel und die "höchste Pensionsanpassung der letzten 25 Jahre". Durch die Drei-Parteien-Einigung sei außerdem die Beschlussfassung im Parlament noch vor der Nationalratswahl sichergestellt.
Eine "tolle Sache" sah auch Korosec, Präsidentin des ÖVP-Seniorenbunds, die sich auch bei den Parteien "ganz herzlich" für die Einigung bedankte. Besonders freute sich Korosec darüber, dass "Pensionsneulinge" künftig nicht mehr zwei Jahre warten müssen, bis sie von einer Anpassung profitieren: "Auch das wurde diskutiert und soll in das Gesetz einfließen." Derzeit wird die erste Anpassung erst mit 1. Jänner des zweitfolgenden Jahres wirksam, womit Neu-Pensionisten im Extremfall bis zu zwei Jahre auf ihre erste Erhöhung warten müssen.
Freude über die erzielte Drei-Parteien-Einigung und Dank an den Seniorenrat für die Einladung zum Pensionsgipfel dominierte auch die Statements der Klubobleute von Türkis, Rot und Blau.
August Wöginger (ÖVP) erkannte eine Anpassung, die "wirkt, wo sie wirken muss, nämlich bei den kleinen Pensionisten". Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) meinte, der Pensionsgipfel "zeigt, dass es etwas bringt, sich gemeinsam an den Tisch zu setzen". Zusätzlich kündigte sie an, auch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in das Gesetz miteinfließen zu lassen - eine Forderung, die sie am Wochenende aufgestellt hatte. Geht es nach der SPÖ, sollen künftig 160 statt derzeit 110 Euro pro Monat für vier Jahre angerechnet werden.
Erhöhung der Kaufkraft
Norbert Hofer (FPÖ) freute sich schließlich besonders darüber, dass es "auch in Wahlkampfzeiten" möglich sei, "gute und schöne Beschlüsse zu fassen". Er betonte auch, dass die Erhöhung am Ende stark in die Kaufkraft fließen würde, denn: "Diejenigen, die kleine Pensionen haben, legen das Geld nicht auf die hohe Kante."
Wieviel die Pensionsanpassung für 2020 wirklich kosten wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. Seniorenrats-Präsidentin Korosec gab die Mehrkosten für die Extra-Anhebung der kleinen und mittleren Pensionen mit "in etwa 200 Millionen" Euro an - "ein Betrag, der durchaus leistbar ist, glauben wir".
Brutto würden sich zwar Kosten von etwa 400 Millionen ergeben, etwa die Hälfte davon würde aber über den erhöhten Konsum über Steuern wieder in den Staatshaushalt zurückfließen. Die gesetzliche Basisanpassung um 1,8 Prozent für alle würde mit rund 700 Millionen Euro zu Buche schlagen. Insgesamt ergibt das Bruttokosten von 1,1 Milliarden Euro (exlusive Beamte).
Die Details werden nun auf parlamentarischer Ebene besprochen, beschlossen werden soll die Pensionsanpassung in der letzten Nationalratssitzung vor der Wahl am 25. und 26. September.
Die rasche Einigung beim Pensionsgipfel am Mittwoch kam nicht überraschend. Bereits im Vorfeld hatten ÖVP, SPÖ und FPÖ ausgesprochen positiv auf die Forderung des Seniorenrats nach einer Anpassung über der Inflationsrate reagiert.
Neos: "Unverantwortlich"
Als einzige Partei hatten sich die Neos gegen die doppelte Erhöhung für Bezieher kleiner Pensionen ausgesprochen, und das strikt: "Diese Forderung ist Unsinn", meinte Sozialsprecher Gerald Loacker, "welcher arbeitende Mensch bekommt 3,6 Prozent Gehaltserhöhung?" Loacker nannte es in einer Stellungnahme "unverantwortlich, den nachfolgenden Generationen einen weiteren Rucksack von 400 Millionen Euro pro Jahr umzuhängen, nur weil man Wahlzuckerl an die eigene Klientel verteilen will".
Kostelka hatte die Forderungen zuvor gerecht, maßvoll und spürbar für die Pensionisten genannt. Angesichts des guten Wirtschaftswachstums und relativ hoher Lohnabschlüsse stehe auch den Pensionisten ihr Anteil am allgemeinen Wohlstand zu. Die Verdoppelung für die Klein- und Kleinstpensionisten sei "ein Akt der Gerechtigkeit".
Auch Korosec sprach im Vorfeld des Gipfels von Gerechtigkeit und Dankbarkeit gegenüber den Pensionisten - aber auch von wirtschaftlichen Gründen, fließe doch vor allem bei den kleinen Pensionen alles in den Konsum. Korosec wandte sich auch gegen "Angstmacherei" beim Thema Pensionen, die "unbegründet" sei. Sie verwies darauf, dass laut Prognose der Staatszuschuss zu den Pensionen bis 2060 nur um 0,5 Prozent des BIP wachsen soll. Außerdem liege die Medianpension nur bei 1.005 Euro brutto. Das bedeutet, dass etwa eine Million Pensionisten mit weniger auskommen muss.