Politik/Inland

Die neue Chefin der Grünen: "Wir teilen die Verantwortung auf"

Wie groß war vor der heutigen Sitzung des erweiterten Bundesparteivorstands in Salzburg der Druck auf Sie, Partei und Spitzenkandidatur zu übernehmen?

Ingrid Felipe: Die Ermunterungen waren sehr groß. Aber es war von Anfang an für mich klar, dass ich Verantwortung in Tirol habe. Und zwar privat (Alleinerzieherin eines 13-jährigen Sohnes) und in der Koalition. Für mich ist jetzt die optimale Lösung heraus gekommen. Mit Ulrike Lunacek im Zweier-Gespann werden wir das hervorragend meistern.

Sie sind jetzt Parteichefin. Ihre Vorgängerin Eva Glawischnig hat vor Kurzem in einem KURIER-Interview Alexander Van der Bellen mit den Worten zitiert: Der Chef der Grünen hat null Macht, aber 100 Prozent Verantwortung. Unterschreiben Sie das?

Nein. Die Zeiten ändern sich. Mir geht es darum, dass man diese große Verantwortung nicht so einfach alleine tragen kann. Es ist klüger, das gemeinsam aufzustellen und zu sagen: Wir haben mehrere Schultern, die das tragen.

Eva Glawischnig hat bei ihrem Rücktritt von einer Ämtertrennung abgeraten. Warum hat man diesen Rat nicht befolgt?

Weil wir uns angeschaut haben, welche großen Herausforderungen es gibt und wer das am besten leisten kann. Und die Erkenntnis war, es gemeinsam zu tun. Ich freue mich dass Ulrike und ich mit einer einstimmigen Empfehlung in den Bundeskongress gehen und uns der Wahl stellen dürfen. Ulrike wird sehr stark nach Außen und in der Auseinandersetzung mit den anderen Parteien und ich vor allem im Hintergrund im Internen arbeiten.

Wien ist rund 480 Kilometer von Innsbruck entfernt. Wie wollen Sie auf diese Entfernung eine Partei, die durchaus krisengebeutelt ist, führen?

Ich bin schon seit eineinhalb Jahren stellvertretende Bundessprecherin und war schon bisher etwa einmal pro Woche in Wien. Ich habe das oft mit Terminen als Umwelt-Landesrätin kombiniert. Der Railjet fährt 4 Stunden 15. Da kann ich hervorragend arbeiten. Und die modernen Kommunikationsformen kann man trefflich nutzen, wenn man nicht immer persönlich vor Ort sein kann. Ich hatte in letzter Zeit sehr viele Telefon- und Videokonferenzen.

Die Innenpolitik spielt sich aber in der Bundeshauptstadt ab. Wird es in Wien eine starke Stimme der Grünen geben?

In der Wahlbewegung werden das Ulrike Lunacek und ich gemeinsam stemmen. Sie wird in Wien sein und sehr maßgeblich die Außenauftritte leisten und die Grünen in der Wahlbewegung vertreten. Ich glaube, das kann sie als Europäerin und sehr besonnene Frau, die schon seit Jahrzehnten für Gleichstellung kämpft, hervorragend.

Soll sich der Wahlkampf an jenem für Alexander Van der Bellen orientieren?

Die konkrete Wahlerzählung werden wir noch ausformulieren. Wir wissen erst seit heute, dass uns Ulrike Lunacek zur Verfügung steht. Aber die Rolle der Grünen in den kommenden Monaten und Jahren liegt auf der Hand: Die anderen Parteien rücken immer mehr nach rechts, sie sabotieren Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit. Sie sind auch sehr Angst getrieben und auf One-Man-Shows ausgerichtet. Da wird unser Gegenentwurf sein: Wir sind bunt. Wir sind viele. Wir halten auch andere Lebensentwürfe aus.

Wie viel Platz bleibt für die Grünen neben dem Dreikampf zwischen SPÖ, ÖVP und FPÖ?

Ich glaube, da ist ganz viel Platz. Und es ist dringend notwendig, dass die Grünen ganz klar sagen, dass es ein Miteinander und Solidarität gibt und Menschlichkeit nichts ist, über das man sich lustig macht.

Befürchten Sie nicht, dass Ihre neue Rolle Auswirkungen auf das Klima in der Tiroler Koalition mit der ÖVP hat?

Wir haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass in unserer Koalition Unterschiedlichkeiten auf Bundesebene gut auszuhalten sind. Das hat etwas mit der Wertschätzung und dem Kooperationsklima in unserer Landesregierung zu tun. Ich bin überzeugt, dass wir das auch in den kommenden Monaten schaffen werden.