"Der Rudi hat si eineg’haut für die Menschen" - ein Nachruf
Von Michael Bachner
Die Bawag war jahrzehntelang die legendäre Streik-Kassa des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Nach dem Debakel der Bank, strauchelte auch der ÖGB.
Doch Rudolf Hundstorfer übernahm von Fritz Verzetnitsch das Ruder und konnte sich ab 2006 mit einem harten Sanierungskurs als ÖGB-Retter profilieren.
Was dann folgte, hätte auf der Karriereleiter ganz nach oben führen können: Hundstorfer wurde 2008 Sozial- und Arbeitsminister in der rot-schwarzen Regierung von Werner Faymann und war jahrelang der beliebteste rote Minister.
Ewige Personalreserve
Auch in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise konnte er mit Konsensbereitschaft und seinen besten Kontakten in die schwarze Reichshälfte allzu heftige Auswirkungen auf dem heimischen Arbeitsmarkt oder für das Pensionssystem abwenden.
Der Gewerkschafter hätte Wiener Bürgermeister werden können, Hundstorfer hätte auch SPÖ-Chef und vielleicht sogar Bundeskanzler werden können – doch es kam anders.
Als Faymanns Stern längst im Sinken war, wurde Hundstorfer im Jänner 2016 als SPÖ-Präsidentschaftskandidat präsentiert. Er trat an, obwohl ihm nicht wenige Freunde abgeraten hatten.
Der allseits beliebte Sozialdemokrat konnte im Hofburg-Wahlkampf nicht punkten, wirkte mürrisch bis grantig und bekam obendrein – wie ÖVP-Kandidat Andreas Khol – die Rechnung für eine immer unbeliebtere Bundesregierung serviert. Mit nur elf Prozent kam Hundstorfer nicht in die Stichwahl und zog sich aus der Politik zurück.
Engagiert blieb das Gewerkschafts- und SPÖ-Urgestein. Er war zwar nicht Bundespräsident geworden, was ihn sehr schmerzte, doch es war nie falsch den umgänglichen „Rudi“ mit „Herr Präsident“ zu begrüßen. Er war nicht nur ÖGB-Präsident beziehungsweise langjähriger Präsident des Wiener Handball Verbandes gewesen, sondern nach seiner aktiven Politiker-Zeit Präsident der Bundes-Sportorganisation (BSO), und seit dem Vorjahr auch Präsident der Volkshilfe Wien, bei der er am vergangenen Dienstag seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte.
Rudolf Hundstorfer: Ein Leben in Bildern
Danach ging es in den gewohnten Urlaub nach Kroatien, wo er auf der Ferieninsel Brač am Dienstag völlig überraschend verstorben ist. An einem Herzinfarkt. Anzeichen dafür gab es keine, sagen Freunde – bis auf die viel zu vielen Zigaretten vielleicht, die er Zeit seines Lebens mit Hochgenuss rauchte.
Hundstorfer hinterlässt eine Frau, eine Tochter, zwei Stiefkinder und den geliebten Ivo. Den Hund hatte er auch vergangene Woche bei der Eröffnung der Volkshilfe-Einrichtung für Obdachlose in Wien-Donaustadt dabei.
Von Bundespräsident Alexander Van der Bellen abwärts rühmen Österreichs Spitzenpolitiker Hundstorfer über die Parteigrenzen hinweg als einen Sozialpartner der alten Schule und Minister, der sich in seiner siebenjährigen Amtszeit große Verdienste in der Sozialpolitik erworben hat. Vom Pensionskonto über die Mindestsicherung, vom Pflegefonds bis zur Sicherung der Pensionen. „Der Rudi hat sich immer eineg’haut für die Menschen. Das war seine DNA“, sagt ein Weggefährte.
Klares Menschenbild
Der 1951 in relativ ärmlichen Verhältnissen in Wien geborene und aufgewachsene Hundstorfer erlernte den Beruf des Bürokaufmanns. Er stieg vom Kanzleimitarbeiter im Rathaus bis zum Chef der Gemeindebediensteten Gewerkschaft auf, ohne die in Wien bis heute nur sehr wenig geht. Aber auch die späteren noch höheren Positionen und Funktionen änderten nichts an seinem Politik-Verständnis und Menschenbild. Als Volkshilfe-Wien-Präsident wollte er vor allem Eines: „Hinsehen, wo andere wegsehen – helfen, wo sich andere taub stellen.“