Das Protokoll des Salzburger Finanzskandals
Am Montag, dem 26. November, fand im Büro von Salzburgs Finanzlandesrat David Brenner um 17 Uhr eine brisante Besprechung statt. Mit dabei waren neben Brenner noch drei Mitarbeiter aus seinem Büro sowie Eduard Paulus, Chef der Finanzabteilung des Landes Salzburg und drei seiner Mitarbeiter – darunter Monika R., jene Landesbedienstete, die Millionen verspekuliert haben soll.
Der Aktenvermerk zum Download:
Was bei diesem und zwei weiteren Treffen an diesem Tag besprochen wurde, hielt Paulus in einem Aktenvermerk fest. Es ist die Dokumentation des angeblichen Geständnisses von Monika R., von dem die Landespolitik seit Auffliegen des Finanzskandals spricht. Das zweiseitige Protokoll liegt dem KURIER vor. Demnach hat sich folgendes zugetragen:
Paulus und Harald Kutschera, jener Mitarbeiter, der den Job von Monika R. übernommen hat, haben um 10 Uhr zunächst Mitarbeiter Brenners „über den Verdacht“ informiert, dass R. Wertpapiere gekauft habe – „und diesen Vorgang auf (...) Durchläuferkonten (...) so verbucht haben könnte, dass dieser Sachverhalt nicht auffällt.“
Um 16.30 Uhr konfrontierten Paulus und Kutschera laut Aktenvermerk R. mit ihrem Verdacht. Kurz darauf wurde die Besprechung im Büro von Brenner fortgesetzt: „Monika R. gibt darauf hin vor allen Anwesenden zu, dass sie in der beginnenden Finanzkrise 2006/2007 eine Schieflage der von ihr in den Vorjahren seit 2001 abgeschlossenen Derivate zur Kenntnis nehmen musste. Sie habe darüber niemandem berichtet, um ihre Kollegen und Vorgesetzten zu schonen. Es sei ihr Ehrgeiz gewesen, diesen Verlust selbständig wieder aufzuholen.“ R. gab weiters an, dass „aktuell nur mehr rund 340 Mio. € offen seien“– und meinte, der Betrag könnte „leicht verdient werden, wenn die bisherige Strategie weiterverfolgt würde“.
Detailliert wird dann beschrieben, wie sie hinter dem Rücken ihrer Vorgesetzten und der zuständigen Experten agiert haben soll: „Frau Monika R. gibt weiters (...) zu, dass sie seit Bestehen des Finanzbeirates und seit dem Zeitpunkt der Einführung der Finanzberichte, die monatlich von der Deutschen Bank in Frankfurt gerechnet werden, dem Abteilungsleiter, den Mitgliedern des Finanzbeirates und der Rechenstelle in Frankfurt nie korrekt über den tatsächlichen Bestand an Geschäften berichtet habe.“ Ein Mitarbeiter habe die Geschäftsabschlüsse zwar „mitunterfertigt, ihr aber so vertraut, dass er nicht auf die Idee gekommen sei, dass ihre Meldungen nach Frankfurt nicht vollständig sein könnten“.
R. soll überdies zugegeben haben, den Landes- und den Bundesrechnungshof „nicht immer korrekt und vollständig informiert zu haben“.
Laut Protokoll haben Brenner und die übrigen Anwesenden „diese Verheimlichung“ scharf kritisiert. R. bekam von Brenner „den Auftrag, an der Aufklärung der finanziellen Fakten rückhaltlos mitzuwirken“. Kurios: Zwei Tage später nahm Brenner R. noch in den Budgetausschuss des Landtages mit – und verlor kein Wort darüber, was am 26. November in seinem Büro besprochen wurde.
R.s Anwalt Herbert Hübel sagte, „dass von einem Geständnis keine Rede sein kann“. Seine Mandantin sei „zu 100 Prozent unschuldig“.
E-Mail der Beamtin bringt Burgstaller unter Druck
Hat die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller doch viel früher über den drohenden Finanzskandal Bescheid gewusst? Sie selbst sagte gegenüber dem ORF, sie wurde erst am 3. Dezember über die Malversationen der Abteilung für Finanz- und Vermögensverwaltung unterrichtet.
Wie der Standard berichtet, hat die Landesbeamtin R. aber bereits am 21. September eine dringliche E-Mail („In persönlicher Sache!“) an Burgstaller gesendet. R. bittet darin Burgstaller um Hilfe und weist darauf hin, „dass die letzte Empfehlung des Finanzbeirates im Zinsbereich im Zeitraum 2009/2010 dem Land mehr als 130 Mio. Euro kosten wird und bereits mehr als 27 Mio. Euro bis dato gekostet hat“. Von den 340 Millionen Verlust, ist in dem Mail aber keine Rede.
R.s Anwalt Herbert Hübel bleibt dabei: Burgstaller habe schon im September von den drohenden Verlusten erfahren. Burgstaller widerspricht dieser Darstellung in der ZiB 1. Sie sei zwar von der Mitarbeiterin davon informiert worden, dass „etwas im Argen sei“. Dass es aber im offiziellen Finanzmanagement „andere Kanäle“ geben habe, sei kein Thema gewesen.
Der Rechnungshof hat sich indessen in den Finanzskandal eingeschaltet. In Kürze sollen Prüfer die Finanzgebarung des Landes erneut prüfen.
Am späten Nachmittag endetet auch die Sitzung der Fraktionsführer im Landtag zur Frage eines U-Ausschusses. Voraussichtlich am 16. oder 23. Jänner soll bei einer Sondersitzung des Landtages der Startschuss gegeben werden.
In Salzburg stehen Wahlen vor der Tür. Die ÖVP rechnet sich Chancen auf einen Machtwechsel aus. Sie will den 2004 verlorenen Landeshauptmann-Posten wieder haben. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller hat noch nicht gesagt, ob sie für die SPÖ erneut antreten wird. Wie wären ihre Chancen? Ist nach dem Finanzskandal der ÖVP der erste Platz sicher? Der KURIER sprach darüber mit der Chefin des Salzburger Instituts für Grundlagenforschung, Ernestine Depner-Berger.
KURIER: Frau Depner-Berger, wie reagieren die Salzburger Bürger auf den Finanzskandal? Sind sie wütend?
Ernestine Depner-Berger: Es herrscht fassungsloses Kopfschütteln, wie so etwas möglich war. Richtige Wut ist noch nicht da. Aber es ist der Wunsch da, dass es Aufklärung gibt, dass es Antworten gibt, wie solche Summen unbemerkt verspielt werden konnten.
Wem geben die Leute die Schuld an dem Finanz-Desaster?
Es ist eher so, dass man die Landesregierung als solche in der Pflicht sieht, da ja die Spekulationen unter einem ÖVP-Landesrat begonnen haben. Aber der Schaden für die SPÖ ist im Moment sicher größer als der für die ÖVP.
Heißt das, dass die Chancen für Protestparteien wie das Team Stronach jetzt steigen?
In unserer letzten Umfrage vor Auffliegen des Skandals lag das Team Stronach unter der Einzugshürde in den Landtag. Jetzt könnte es die vier Prozent überspringen. Aber Ausmaße wie in Kärnten, wo es bei 15 Prozent liegt, zeichnen sich in Salzburg nicht ab. Hier könnten die Leute aus generellem Frust über die Politik eher in die Wahlenthaltung flüchten.
Wie gefestigt ist das Meinungsbild in Salzburg zurzeit? Kann sich bis zur Wahl noch viel ändern?
Es ist gar nicht gefestigt. Man kann noch nicht absehen, wohin das Pendel ausschlägt, das wird stark davon abhängen, was bei der Aufarbeitung des Skandals heraus kommt.
Gabi Burgstaller wirkt nicht wie eine klassische Politikerin. Das macht sie vielen Leuten sympathisch. Muss man sie jetzt abschreiben?
Nein. Gabi Burgstaller hat das Potenzial, dass man ihr verzeiht. Sie hat ein natürliches Verhalten, wirkt authentisch und man glaubt ihr. Das geht aus allen unseren Zeitreihen bei den Umfragen deutlich hervor. Aber wie gesagt: Die Meinungen formieren sich erst, niemand weiß, was bei der Aufarbeitung der Spekulationsverluste noch zu Tage kommt.
Frau Berger, Sie arbeiten auch in Kärnten. Wie gefestigt ist denn das Meinungsbild dort?
Kärnten ist sehr schwer zu beurteilen, weil sich nur 55 Prozent der Befragten deklarieren. Nach diesen Daten liegt die SPÖ eindeutig vor der FPK. Was die 45 Prozent wirklich tun werden, weiß man aber nicht.
Der Auftritt war kurz, aber stark. Nur fünf Minuten lang sprach Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller am Mittwoch vor dem Landtag, aber was sie sagte – und vor allem wie sie es sagte – blieb hängen. Mit Tränen in den Augen bat sie die Bevölkerung um Entschuldigung.
An der roten Salzburger Parteibasis haben ihr die Emotionen nicht geschadet – im Gegenteil. Michael Huber, sozialdemokratischer Gewerkschafter, macht kein Hehl daraus, dass er der SPÖ zuletzt kritisch gegenüberstand. Vom Auftritt Burgstallers war der 27-Jährige „positiv überrascht“. „Das war nicht die Rede einer Politikerin, sondern eines Menschen. Ich habe Gänsehaut bekommen.“ Dass die Emotionen gespielt waren, hält Huber für ausgeschlossen. „Dann hätte sie den Oscar verdient“, sagt er.
Auch Juso-Sekretär Arne Müseler war von Burgstallers Gefühlsausbruch überrascht: „Ich kenne die Gabi so nicht. Und ich denke, dass es ihr unangenehm ist, weil sie jetzt als Frau auf ihre Emotionen reduziert wird.“
Gerhard Emanovsky, Vorsitzender des Salzburger Pensionistenverbandes, bekommt derzeit den Unmut vieler älterer Menschen zu hören: Wie kann so viel Geld einfach verschwinden? Umso mehr freuten ihn die Worte der Landeshauptfrau. „Man hat gesehen, dass ihr die Causa zu Herzen geht.“
Wie gespalten teilweise die Salzburger Bevölkerung ist, zeigt die Familie König. Er, Franz, sagt: „Die Tränen waren echt, Burgstaller leidet.“ Sie, Iris, sagt: „Das ist Selbstmitleid.“ Er: „So was kann man nicht spielen.“ Sie: „Du kennst die Frauen nicht.“
Neuwahlen im Mai
Salzburgs FPÖ-Chef Karl Schnell kündigte am Donnerstag an, dass seine Fraktion dem Neuwahlantrag der ÖVP am 6. Februar zustimmen wird. Damit gibt es die erforderliche Mehrheit. VP-Chef Wilfried Haslauer, der den Antrag bei der Sondersitzung am 16. Jänner hätte einbringen wollen, sagte zum KURIER: „Hauptsache, es findet statt. Denn wenn ein Regierungsmitglied nicht den Anstand hat, zu gehen, muss die ganze Regierung gehen.“
Neu gewählt wird voraussichtlich im Mai.
In Kärnten und Salzburg finden aufgrund von Skandalen vorgezogene Landtagswahlen statt. Kommt es zum Machtwechsel?
Kärnten: Landeshauptmann Gerhard Dörfler ist das einzige Zugpferd, das die blaue FPK noch hat. Dörfler hat allerdings die Gebrüder Scheuch am Hals, deren Image desaströs ist. Außerdem schleppt Dörfler die nach dem Tod Jörg Haiders aufgeflogenen Skandale mit in den Wahlkampf. Sein Plus: Bei der Wahl 2009 errang er einen Vorsprung von 16 Prozent auf die zweitstärkste Partei, die SPÖ. Er hat einen dicken Polster. Doch selbst wenn er den ersten Platz verteidigen kann, stellt sich die Frage: Findet Dörfler Partner, die ihn im Landtag erneut zum Landeshauptmann küren und mit der Skandalpartei FPK eine Koalition eingehen?
SPÖ und Grüne scheiden von Vornherein aus, die ÖVP offenbar auch. Die ÖVP wird mit Wolfgang Waldner, dem Ex-Staatssekretär im Außenamt, als Spitzenkandidat antreten. Das steht intern fest. Der kunstsinnige, weltoffene Waldner will dem Vernehmen bei der FPK nicht anstreifen. Auch hat die Landes-ÖVP nach der Birnbacher-Affäre einen Schlussstrich gezogen und alle Funktionäre, die mit der FPK packelten, hinausgeworfen.
Wie aus Kärnten zu hören ist, könnte es zu einer rot-schwarz-grünen Koalition kommen mit einer Teilzeit-Lösung für den Landeshauptmann: die ersten beiden Jahre Waldner, die restlichen drei Jahre SPÖ-Chef Peter Kaiser.
Diese Rechnung geht dann nicht auf, wenn FPK, Liste Stronach (sie liegt bei rund 15 %) und BZÖ-Chef Josef Bucher gemeinsam mehr als die Hälfte der Mandate bekommen. Für den Landeshauptmannposten wird also entscheidend sein, ob Rot-Schwarz-Grün oder das rechte Lager am Ende des Tages die Mehrheit hat.
Die Kärnten-Umfragen sind derzeit wegen 45 % Antwortverweigerern zu vergessen.
Salzburg: Meinungsforscher schließen nicht aus, dass Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) den ersten Platz verteidigen kann. Aber auch in Salzburg stellt sich die Frage, ob sie nach dem Spekulations-Skandal einen Koalitionspartner findet, der sie im Landtag wiederwählt. Ihr derzeitiger Koalitionspartner, die ÖVP, hat ihr das Vertrauen entzogen und stellt einen Neuwahlantrag.
Die ÖVP hat den Verlust des Landeshauptmannes immer noch nicht verschmerzt und will ihn zurückholen. ÖVP-Chef Wilfried Haslauer könnte mithilfe der FPÖ und gegebenenfalls dem Team Stronach Landeshauptmann werden.